Der Campus

Komödie | Deutschland 1997 | 127 Minuten

Regie: Sönke Wortmann

Ein angesehener Soziologie-Professor, der für das Amt des Universitätspräsidenten kandidieren soll, stolpert über sein mühsam beendetes Verhältnis zu einer Studentin und wird das Opfer eines perfekt ineinander greifenden Apparates unterschiedlicher Interessensvertreter, die ihm sexuelle Belästigung und Nötigung vorwerfen. Ein aufwendig in Szene gesetzter, gut gespielter Unterhaltungsfilm, der weitgehend geschickt zwischen Komödie, Satire und Drama pendelt und menschliche wie "systembedingte" Verwerflichkeiten attackiert. Trotz einiger Schwächen ein insgesamt bemerkenswert gelungener Versuch, eine Vielzahl von Personen und ihre Motive zu konturieren. - Ab 16.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
1997
Produktionsfirma
Constantin
Regie
Sönke Wortmann
Buch
Dietrich Schwanitz · Sönke Wortmann · Stefan Grund · Bettina Salomon
Kamera
Tom Fährmann
Musik
Nikolaus Glowna
Schnitt
Ueli Christen
Darsteller
Heiner Lauterbach (Hanno Hackmann) · Axel Milberg (Bernie Weskamp) · Sibylle Canonica (Gabrielle Hackmann) · Barbara Rudnik (Dr. Ursula Wagner) · Sandra Speichert (Babsie Claasen)
Länge
127 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Komödie | Drama | Literaturverfilmung
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Diskussion
Vor zehn Jahren drehte Sönke Wortmann seinen Abschlußfilm an der Filmhochschule („Drei D.“, 1988); seitdem hat er nicht nur kontinuierlich fürs Kino arbeiten können, sondern sich durch seine Komödienerfolge zum Trendsetter im neuen deutschen Kinoboom entwickelt – und dies im guten wie im schlechten Sinn. Um so bemerkenswerter, daß er nach immer kraftloseren Kommerz- und Mainstream-Filmen nun einen literarischen Erfolgsstoff adaptierte, der zwar erneut einen komödiantischen Aspekt berücksichtigt, seinen Unterhaltungswert aber aus der ehrgeizigen Verknüpfung weitaus umfänglicherer erzählerischer Elemente bezieht: „Der Campus“ verwaltet in einem ausufernden satirischen Geflecht eine Vielzahl von miteinander mehr oder minder in Beziehung stehender Figuren, die sich zu einem kleinen Kosmos aus Intrigen, „Sensationen“ sowie falschem beruflichem und privatem Ehrgeiz zusammenfügen, wobei der Stoff das Komödiantische ebenso streift wie das Melodramatische und sich sogar in (moderater) Gesellschaftskritik versucht. Produzent Bernd Eichinger mag dabei ein wenig neidisch auf Helmut Dietls Erfolgsfilme „Schtonk!“ (fd 29 455) und „Rossini“ (fd 32 348) geschielt und sich zudem angemaßt haben, in Sachen moralischer Verworfenheit ein deutsches Äquivalent zu Oliver Stones „Wall Street“ (fd 26 649) zu schaffen; Wortmann stellte sich diesen hochfliegenden Absichten durchaus (selbst-)bewußt: seine mittlerweile unübersehbare handwerkliche Fertigkeit ermöglichte ihm eine recht repräsentable Gratwanderung, die gewiß nicht alle Untiefen des Stoffes meistert, insgesamt aber mehr als beachtlich ist.

Schauplatz und Hauptthema ist die deutsche Universität als Hort vermeintlich integrer Wissensvermittlung. Weniger das studentische Leben ist dabei von Interesse als das (Eigen-)Leben des Lehr- und Verwaltungsapparates, in dem vom profilneurotischen Universitätspräsidenten bis zum beamtengrauen Ressortvollstrecker nahezu jeder sein eigenes Süppchen kocht, um ein Stückchen Erfolg, Karriere, Anerkennung und Selbstbestätigung zu erhaschen. Wie ein weltfremder Schöngeist schwebt der Soziologie-Professor Hanno Hackmann über solchen Dingen, vom menschlich-verwerflichen Sumpf engelsgleich unberührt. Hackmann sammelt akademische Ehren zuhauf und ist einem auf dem Campus längst aus der Mode gekommenen Corpsgeist verbunden, den nur noch einige aussterbende Altvordere pflegen. Diese allerdings drängen ihn, sich der Wahl zum Universitätspräsidenten zu stellen: „Alle warten auf einen Reformator!“ Hackmann fühlt sich geschmeichelt, muß sich allerdings nun dem einzigen schwarzen Fleck in seinem ansonsten perfekten Lebensentwurf stellen: er hat ein Verhältnis mit einer Studentin. Sich windend wie ein Erstsemestler vor der ersten Klausur, sucht er Babsi gegenüber nach Ausreden und Erklärungen, woraufhin sie ihn ein letztes Mal verführt – ausgerechnet in Hackmanns Büro. Und ausgerechnet dieser letzte amouröse „Fehltritt“ entwickelt sich zum fatalen Selbstläufer. Bauarbeiter wurden Zeugen der Liebesszene, und als Babsi ihre Beziehung in einer improvisierten Theaterszene andeutet, wittert die Leiterin des Theaterseminars den Skandal einer sexuellen Belästigung. Nichts kann die Lawine mehr stoppen: Die Frauenbeauftragte der Universität kann ihrem täglichen Kreuzzug gegen den Chauvinismus an der Universität endlich ein konkretes Gesicht verleihen, ein windiger Institutsleiter, dem die Mittel für seine Sprachkurse für Ausländer gekürzt werden sollen, schaltet die Sensationspresse ein, der Leiter des universitären Disziplinarausschusses wittert die Chance, seine politische Karriere voranzutreiben, indem er das immer massiver werdende Gerücht der sexuellen Nötigung für seine Zwecke nutzt. Am Ende wird Hackmann von den sich perfekt die Bälle zuspielenden Interessensvertretern ans Kreuz genagelt; er verliert Glaubwürdigkeit und Ehefrau, und erst die Lüge, die er in seinem lange Zeit aufrechterhaltenen Selbstbetrug seiner über alles geliebten Tochter auftischte, veranlaßt ihn, den letzten Rest seiner Würde hervorzukramen, um in einer flammenden Rede mit dem „Campus“ abzurechnen.

„Von der Analyse zum Abenteuerroman“: So lautet zu Beginn das Thema eines Vortrages, in dem Hackmann über Demokratie und humanistische Ideale theoretisiert. Irgendwo zwischen diesen Polen pendelt auch Sönke Wortmann, der in einem mitunter in der Tat abenteuerlichen Reigen die Intrigen und Machenschaften der Figuren ineinanderschachtelt, um individuelle „Verwerflichkeiten“ ebenso aufzuspießen wie „systembedingte“ Mechanismen, etwa jene neue Art des Enthüllungsjournalismus, der primär die Privatsphäre des einzelnen entblößt und dabei weder vor Prinzessinnen noch Präsidenten innehält. Mag dabei die Analyse oft auch plakativ anmuten, so paßt der grobe Keil gar nicht mal so schlecht auf manch groben Klotz. Gewiß schießt Wortmann immer mal wieder übers Ziel hinaus, und manche Karikatur verzerrt sich allzu platt ins Lächerliche; auch behandelt er nicht alle Figuren gleich subtil, so daß sich auch hier Ungleichgewichtigkeiten ergeben, was eine wirklich überzeugende Ausbalanciertheit verhindert. Dennoch ist bemerkenswert, wie pointiert und stimmig die meisten der prominent besetzten Charaktere konturiert sind und im Wechselspiel von individuellen „Marotten“ und systemkonformem Funktionieren überzeugen. Vor allem Axel Milberg liefert ein Bravourstück, aber auch Heiner Lauterbach kann sich durchaus als tragisch umflorter Charakterdarsteller bewähren.
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