Wild Man Blues

Musikfilm | USA 1997 | 107 Minuten

Regie: Barbara Kopple

Dokumentarfilm über eine Europa-Tournee des Regisseurs und Schauspielers Woody Allen als Jazzmusiker. Zwar findet der Film nicht immer zu einem überzeugenden visuellen Rhythmus, besticht aber durch die mitreißenden Musikdarbietungen des New-Orleans-Jazz sowie einige Sequenzen, die aus Woody Allens eigenen Spielfilmen stammen könnten. Der Mensch Allen präsentiert sich dabei unneurotisch und souverän im Umgang mit der Öffentlichkeit und macht damit den Unterschied zu seinen Kunstfiguren augenfällig. (O.m.d.U.) - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
WILD MAN BLUES
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
1997
Produktionsfirma
Cabin Creek Films/Sweetland Films
Regie
Barbara Kopple
Buch
Barbara Kopple
Kamera
Tom Hurwitz
Schnitt
Lawrence Silk
Länge
107 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Musikfilm | Dokumentarfilm
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Diskussion
Barbara Kopples Dokumentarfilm über Woody Allen als Musiker wird es ergehen wie der Europa-Tournee des New Yorkers, die ihn mit seinem geliebten New-Orleans-Jazz 1996 durch 18 Städte des alten Kontinents führte: Das Publikum kam nicht, um den passionierten Hobby-Klarinettisten, sondern um den berühmten Regisseur und Schauspieler zu sehen. Allen macht dabei vor Kopples Kamera weder aus seiner musikalischen Mittelmäßigkeit noch aus der Freude darüber, seine Lieblingsmusik auch einmal vor einem Publikum außerhalb des New Yorker „Michael’s Pub“ spielen zu können, einen Hehl. Schon zu den Zeiten, in denen er noch als Allen Stewart Konigsberg zur Schule ging, faszinierte ihn diese frühe Stilform des Jazz. Ihre unmittelbare Lebensfreude verströmenden Melodien waren für ihn der Auslöser, ein Instrument zu erlernen. Daß es für ihn auch heute noch „nichts zwischen dir und dem Gefühl des Spielens gibt“, glaubt man ihm sofort, wenn man den Notenunkundigen in ekstatischer Entrückung mit geschlossenen Augen und wippendem linkem Fuß sich ganz dem Rhythmus dieses Mississippi-Sounds hingebend erlebt. Bedauerlich ist, daß die Regisseurin Allens sechs Mitmusiker – mit Ausnahme des Banjo-Spielers Eddy Davis – regelrecht zu Statisten degradiert, zumal dies seinem eigenen paritätischen Umgang mit ihnen, die er teilweise noch aus seinen Anfängen als Stand-Up-Comedian kennt, überhaupt nicht entspricht. Im Gegenteil ist er als Primus inter pares sehr darauf bedacht, daß sein Name nicht herausgestellt wird, auch wenn er für die launige Moderation der Konzerte zuständig ist.

Angesichts dieser mitreißenden Lebendigkeit der musikalischen Darbietungen sticht die steife Strukturierung des Musikfilms nach den verschiedenen Tourneestädten um so mehr ins Auge. Zudem gelingt es der zweifachen „Oscar“-Preisträgerin Kopple nicht, aus der Gleichförmigkeit der Abläufe von Ankunft und Begrüßung im Hotel, Vorbereitung auf den Auftritt und schließlich dem Konzert selbst einen eigenen Rhythmus für ihren nach einem bekannten Louis-Armstrong-Song betitelten Film zu entwickeln, sondern sie ergeht sich vielmehr in visuellen Redundanzen, die den Film länger wirken lassen, als er ist. Über die Bilder legt Kopple Kommentare des Regisseurs, die sich mit direkten Interviews abwechseln. Höhepunkte des Films für Woody-Allen-Fans sind aber die Szenen, die wie aus seinen Filmen entsprungen wirken und bei denen der Grad der Inszenierung schwer abzuschätzen ist. So dreht sich ein herrliches eheliches Frühstücksgespräch zwischen ihm und seiner sehr viel jüngeren Ehefrau Soon Yi Previn in Madrid um die Konsistenz spanischer Tortillas, die Allen wie „vulkanisiert“ erscheinen.

Als sei es ein Kommentar zu Allens jüngstem Film „Harry außer sich“ (fd 33 132), droht in diesen Miniaturen der Unterschied zwischen der Person Woody Allen und seinen von ihm selbst verkörperten Filmgestalten zu verwischen. Auch die hypochondrischen Züge vieler seiner Figuren glaubt man fast ungefiltert wiederzuerkennen, wenn der erkältet im Bett liegende Regisseur sich gleich von drei Frauen umsorgen läßt. Dennoch wird die Grenze zwischen realem und fiktivem Sein nachhaltig augenfällig, denn der Mensch Allen präsentiert sich gänzlich ohne Neurosen. Im Umgang mit seiner Umwelt verfügt er über eine beeindruckende Souveränität, die nicht nur seinen unsicheren und wild gestikulierenden filmischen Alter egos völlig fremd ist, sondern auch angesichts seiner traumatischen Erfahrungen mit der Öffentlichkeit während des Scheidungskrieges mit Mia Farrow verblüfft. Ob Journalisten ein Interview von ihm wollen, Fotografen Bilder, Fans Autogramme oder Bolognas Honoratioren ihm scheußliche Erinnerungsplaketten überreichen, stets begegnet Allen ihnen freundlich-entspannt und gänzlich ohne Starallüren, immer einen Witz auf den Lippen. Auch mit Soon Yi Previn, Farrows Adoptivtochter und Trennungsgrund für die langjährige private und künstlerische Liaison zwischen Allen und der Schauspielerin, zeigt er sich ohne Zurückhaltung sowohl am Kaffeetisch seiner Eltern als auch in venezianischen Gondeln und bei offiziellen Empfängen als glücklicher Ehemann. Und kann sich den ironischen Seitenhieb nicht verkneifen, sie öffentlich als „the notorious Soon Yi Previn“ vorzustellen. Für Cineasten entlockt Kopple Allen manche, allerdings nicht immer ernst gemeinte Erklärungen zu seinem Oe uvre, beispielsweise wenn er den größeren Erfolg seiner Filme in Europa dadurch erklärt, daß sie irgendwie durch die Synchronisation gewinnen müßten.
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