The Big Lebowski

Komödie | USA 1997 | 117 Minuten

Regie: Joel Coen

Anfang der 90er Jahre gerät ein gutmütiger Späthippie, der neben Joints und Cocktails nur Bowling im Kopf hat, durch eine Verwechslung in eine Entführungsaffäre, die ihn zum unfreiwilligen Spielball unterschiedlicher Interessen werden läßt. Ein ausgesprochen witziger Film voller skurriler Späße, der neben seinem immensen Einfallsreichtum auf das pointiert-zurückgenommene Spiel der Darsteller aufbauen kann. Die gelungene Variante eines modernen Schelmenromans, geprägt von Fabulierlust und überbordender Fantasie. - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
THE BIG LEBOWSKI
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
1997
Produktionsfirma
Working Title
Regie
Joel Coen
Buch
Joel Coen · Ethan Coen
Kamera
Roger Deakins
Musik
Carter Burwell
Schnitt
Ethan Coen (als Roderick Jaynes) · Joel Coen (als Roderick Jaynes) · Tricia Cooke
Darsteller
Jeff Bridges (The Dude) · John Goodman (Walter Sobchak) · Julianne Moore (Maude Lebowski) · Steve Buscemi (Donny) · David Huddleston (The Big Lebowski)
Länge
117 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Komödie
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Heimkino

Am 10. August 2023 ist der Film als 25th Anniversary Limited Collection (4K Ultra HD Steelbook: UHD + Blu-ray) erschienen.

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Ein Kultfilm der Coen-Brüder um den "Dude", einen Althippie, der in den 1990ern in irrwitzige Abenteuer gerät.

Diskussion
Brennend heißer Wüstensand weht mitten in Los Angeles. Dann rollt ein Büschel Gestrüpp im Nachtwind über den Boulevard, umspielt von den harmonischen Gesängen der Cowboys. Mit einem Filmzitat beginnt „The Big Lebowski“, das ist nichts Neues im Werk der Coen-Brüder, die in den 80er Jahren zu den Protagonisten eines postmodernen Kinos der Zitate und ironischen Verweise wurden. Nichts Neues, und gerade deshalb doch immer wieder neu: Joel und Ethan Coen mischen die Formen des Unterhaltungskinos auf eine so aufregende Art durcheinander, daß aus den Epigonen die wahren Avantgardisten geworden sind. Niemand kann ihnen derzeit das Wasser reichen. Wie großartig ihre Organisation der filmischen „ready mades“ funktioniert, zeigt sich gerade dann, wenn man einmal ein Zitat nicht erkennt. Dann schweben die Motive frei und verspielt durch ihre neuen Kontexte. Der Film indes, aus dem der zitierte Einfall stammt, heißt „Melody Time“; noch immer stammt die Musik dazu von den „Sons of the Pioneers“, John Fords Lieblingsgesanggruppe. „Melody Time“ ist ein Trickfilm, den Walt Disney in den 40er Jahren drehte, als er nach einem Nachfolger für „Fantasia“ suchte und sogar Dalí auf seiner Gehaltsliste hatte.

Zu einer Dalíschen Wüste gerät auch das Los Angeles der Coens: eine schier endlose Weite, in der man auf jedes Wunder gefaßt sein muß und selbst eine spießige Bowling-Bahn zu einer Oase orientalischer Verzückung geraten kann. Dies ist auch der Ort, an den es den „Dude“ zieht, wenn dieser überhaupt einmal geruht, sein Haus zu verlassen. Der „Dude“ oder auch „Seine Dudeness“ ist ein gemütlicher Alt-Hippie, dem stets eine Haschwolke nachweht und dessen Lebensrhythmus dem entspannten Beat des Country-Rock der späten 60er Jahre folgt. Bob Dylan singt seinen Auftrittssong, von den Coens als sattfarbiger Haschtraum inszeniert. Dann schwebt „Dude“ gemütlich über der Stadt, die ohnehin das Aussehen eines gigantischen Rollfelds hat, und landet doch so unsanft wie eine seiner geliebten Bowlingkugeln. Durch eine Verwechslung mit einem entfernten Namensvetter kommt es zu ungewohnter Aufregung im Hause Dude: Ein paar Gangster, die ihn für den Millionär Lebowski halten, überfallen ihn. Und obgleich es nichts zu rauben gibt, richten sie gewaltigen Schaden an, entlädt sich doch ihre Frustration in Form von frischem Urin auf einem alten Perserteppich. Das abgetretene Stück ist seinem Besitzer freilich ans Herz gewachsen, und so macht sich der „Dude“ auf den Weg, den wahren Adressaten der Attacke für seinen Schaden verantwortlich zu machen.

So kommt man auch mit dem wahren, dem „Großen Lebowski“ in Kontakt, der sich zwar in der Sache als wenig hilfreich zeigt, dafür aber bald darauf selbst seinen ungebetenen Gast um Hilfe ersucht. Seine atttraktive Frau ist entführt worden, und wer käme für eine Geldübergabe besser in Betracht als der „Dude“, der bei der Gelegenheit vielleicht die Täter identifizieren könnte? Bei der Ausführung läuft dann alles schief, was schieflaufen kann. Der Wagen mit der Million wird geklaut, während die Gangster mit einer Tasche dreckiger Wäsche abziehen. Auch Lebowski ist ihnen nun auf den Fersen. Die Spur des Geldes führt zu einer Schar deutscher Kleingangster, die in den 70er Jahren unter dem Gruppennamen „Autobahn“ den Technopop erfunden haben sollen. Derweil hat auch ein Pornoproduzent, der mit der Entführten zu tun hatte, ein Interesse, den „Dude“ aus dem Weg zu schaffen. Betäubt von Drogen, erträumt er sich eine wagnerianische Orgie deutschen Kulturguts zwischen „Kraftwerk“ und Walküre. Doch auch des „Dude“ Erwachen gestaltet sich unerfreulich, findet er doch einen weiteren Widersacher im Polizeichef von Malibu, der passenderweise auf den Namen „Kohl“ hört. Selbst das Wiederauftauchen der angeblich Entführten, die in ihrem Vater den Drahtzieher eines großen Betrugsversuchs sieht, stellt „Dudes“ verlorenen Kifferfrieden nicht wieder her – die Deutschen sind ihm noch immer auf den Fersen.

Zu den schelmischen Späßen, die sich die Coens erlauben, gehört, daß die übelsten Nervensägen des Films unverkennbar deutsche Züge tragen. Der Einbruch der Synthetik deutschen Elektro-Rocks beschreibt nur eine der zahllosen Ebenen, auf denen mit Pop-Kontexten gespielt wird. Vielleicht könnte es dem „Dude“ wirklich ergehen wie dem Protagonisten jenes alten Scherzes, von dem es heißt, er habe angefangen, seine Country-Platten rückwärts zu spielen – zuerst kam seine Arbeit zurück, dann die Frau und schließlich sogar der Hund. Die Alben des „Dude“ indes laufen noch immer in jenem gemächlichen Tempo von 33 1/3, das sein vermeintlich nichtsnutziges Leben bestimmt: „Alle sagen, ich bin faul“, steht es auf dem Filmplakat. „Sie haben recht.“ Man kennt diese Lebenshaltung des Späthippietums, die liebevoll in Kontrast gesetzt wird zur Handlungszeit des Films, dem Ausbruch des Golfkriegs in den frühen 90er Jahren. Nie haben die Filmemacher mit einer ihrer Figuren mehr sympathisiert. Ja, es scheint sogar, als hätten sich erstmals ernstgemeinte Gefühle eingeschlichen. Als Donny, einer der Kegelkumpel, durch einen Herzanfall aus dem heiteren Himmel der Komödie gerissen wird, können sie sich keine Urne leisten. So versucht der unglückselige Walter, die Asche ins Meer zu schütten, doch die frische Brise macht ihm einen Strich durch die Rechnung, und der graue Staub verfängt sich in „Dudes“ Bart. Wahrhaft chaplinesk ist die Tragikomik dieser Szene, so ungern die Coens dieses Wort wohl hören möchten. Wenn dann noch ein Song des verstorbenen Townes van Zandt die Melancholie besiegelt, läßt es sich nicht mehr leugnen: Auch die Coens haben ein Herz.

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