Lilies - Theater der Leidenschaft

Drama | Kanada 1996 | 95 Minuten

Regie: John Greyson

Ein Bischof wird ins Gefängnis gerufen, um einem Häftling die Beichte abzunehmen. Der Gefangene erweist sich als Jugendfreund, der auf Rache sinnt und den Bischof zwingt, einer von den Mithäftlingen dargestellten Geschichte seines Lebens beizuwohnen und die Schuld am Tod des Geliebten des Jugendfreundes einzugestehen. Die Verfilmung eines Bühnenstücks, die in der Inszenierung des Spiel-im-Spiels durch die starke Betonung der formalästhetischen Seite wenig zur Auseinandersetzung mit aktuellen Fragen der Homosexualität beiträgt. (O.m.d.U.)
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Filmdaten

Originaltitel
LILIES
Produktionsland
Kanada
Produktionsjahr
1996
Produktionsfirma
Triptyh Media/Galafilm
Regie
John Greyson
Buch
Michel Marc Bouchard
Kamera
Daniel Jobin
Musik
Mychael Danna
Schnitt
André Corriveau
Darsteller
Marcel Sabourin (Bischof Bilodeau) · Aubert Pallascio (Simon als alter Mann) · Jason Cadieux (Simon als junger Mann) · Danny Gilmore (der junge Graf Vallier) · Matthew Ferguson (der junge Bilodeau)
Länge
95 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12 (Video)
Genre
Drama | Literaturverfilmung
Externe Links
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Diskussion
Quebec 1952: Bischof Bilodeau wird in ein Gefängnis gerufen, um einem Häftling die Beichte abzunehmen. Im Beichtstuhl erkennt der Bischof in dem Gefangenen seinen Jugendfreund Simon. Simon gesteht, er habe nicht Vergebung, sondern Rache im Sinn. Im selben Augenblick haben die Mithäftlinge den Bischof im Beichtstuhl eingesperrt und führen ihm in einem von Simon inszenierten Schauspiel seine eigene Geschichte vor. Im Jahr 1912 hatte sich in der Schule eine Liebesbeziehung zwischen Simon, dem Sohn eines Kutschers, und dem jungen Grafen Vallier entwickelt. Der junge Bilodeau, der in Kürze ins Priesterseminar eintreten möchte, klagt die beiden wegen dieser in seinen Augen widernatürlichen Beziehung an. Als Valliers Mutter, die als verrückt geltende Gräfin, die Liebe der beiden Jungen in der Öffentlichkeit erwähnt, wird Simon von seinem Vater brutal ausgepeitscht. Er hält sich danach von Vallier fern und knüpft eine Beziehung zu der Französin Lydie-Anne de Rozière an. Es kommt zur Verlobungsfeier, die jedoch durch einen Streit auseinanderbricht. Lydie-Anne spürt, daß Simon ihr nicht die gleiche Liebe entgegenbringt wie seinem Freund. Vallier tritt als Cäsar gewandet auf und stört die Festlichkeit. Lydie-Anne, die sich in ihrem Schmerz von Valliers Mutter nicht ernst genommen glaubt, verletzt diese, indem sie ihre Lebenslüge entlarvt. Die Gräfin hat sich geweigert anzuerkennen, daß ihr Mann sie wegen einer anderen Frau verlassen hat. Als Simon sich von Vallier für immer verabschieden will, fallen sich die Liebenden in die Arme, und die dazukommende Gräfin spornt sie an, den Liebesakt zu vollziehen. Dann eilt sie mit den Jungen in den Wald und bittet ihren Sohn, sie zu töten. Vallier erfüllt ihr die Bitte. Der junge Bilodeau wird Zeuge dieser Tat. Er ist es auch, der Simon und Vallier vor Verfolgern warnt und ihnen zur Flucht verhelfen will. Er erhofft sich dafür, daß der von ihm heimlich geliebte Simon seine Gefühle erwidert. Aber Simon verweigert ihm den Kuß, worauf Bilodeau die Dachstube in Band setzt. In letzter Minute besinnt er sich, rettet Simon, läßt aber Vallier umkommen. Das Schauspiel ist beendet, und der Bischof gesteht seine Schuld ein. Allein mit Simon, bittet er diesen, ihn gnädig zu töten. Simon aber weigert sich und läßt ihn allein mit dem Messer in der Hand zurück.

Den Charakter des Bühnenstücks, das die Vorlage zu diesem Film bildete, behält der kanadische Regisseur Greyson bei. Das Spiel-im-Spiel, die Inszenierung der Mitgefangenen, die in Simons Racheplan mitwirken, wird immer als Theaterspiel erkennbar. Die Gefangenen verkleiden sich, Requisiten werden umgeräumt. Alle Rollen, auch die Frauenfiguren, werden von Männern gespielt. Soweit bleibt der Film im Rahmen der Spielmöglichkeiten des Theaters. Gleichzeitig sprengt er auch die theatralische Dimension, wenn die Figuren unvermittelt an reale Außenschauplätze versetzt werden. Die Inszenierung ist extrem artifiziell, erinnert zum Teil an den Stil der Filme Derek Jarmans. Die Bilder sind in Licht- und Farbdramaturgie bewußt komponiert, das Spiel der Darsteller lebt stark von expressiven Gesten und Posen, wirkt bisweilen – vor allem in den Frauenrollen – übertrieben affektiert, die Dialoge sind romantisch verbrämt. Der Film feiert die romantische Liebesbeziehung zwischen Simon und Vallier und klagt Kirche und Gesellschaft an, die diese Beziehung zerstört haben. Daß dabei ein Bischof die Hauptfigur abgibt, ist letztlich von sekundärer Bedeutung: Zwar steht der Bischof als Repräsentant für eine gegenüber Homosexuellen feindliche Haltung, aber sein Handeln als katholischer Priester steht im Mittelpunkt, denn die Schuld hat er auf sich geladen, bevor er in das Priesterseminar eingetreten ist. Durch den höchst artifiziellen Charakter der Inszenierung, den rituellen Charakter des inszenierten Lebensschauspiels, die Entrückung in eine Zeit kurz nach der Jahrhundertwende, die Überhöhung durch gregorianische Meßgesänge wird die formalästhetische Seite so stark in den Vordergrund gerückt, daß sie den Zuschauer eher auf Distanz zu den Figuren bringt als daß sie eine Auseinandersetzung mit aktuellen Fragen der Homosexualität provoziert.
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