Ein Zirkus für Sarah

Kinderfilm | Dänemark 1995 | 83 Minuten

Regie: Claus Bjerre

Drei Kinder, die in ihrer Freizeit gerne Zirkus spielen, werden von Bauspekulanten von ihrem "Zeltplatz" vertrieben und lernen auf ihrer Suche nach einem neuen Domizil eine skurrile Frau kennen. Als auch diese aus ihrem Haus vertrieben werden soll, bringen sie gemeinsam die betrügerischen Baulöwen zur Strecke. Ein humor- und fantasievoll inszeniertes modernes Märchen mit unaufdringlich eingewobenen gesellschaftlichen Zeitbezügen und pädagogischen Botschaften. Das frische Spiel der jungen Darsteller macht Spaß beim Zuschauen und läßt ihre Träume miterleben. - Sehenswert ab 6.
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Filmdaten

Originaltitel
CIRKUS ILDEBRAND
Produktionsland
Dänemark
Produktionsjahr
1995
Produktionsfirma
Metronome Productions A/S
Regie
Claus Bjerre
Buch
Hans Henrik Koltze · Nikolaj Scherfig
Kamera
Dirk Brüel
Musik
Jacob Groth
Schnitt
Jesper Osmund
Darsteller
Sara Modegaard Mihn (Sarah) · Maria Lundberg Baré (Maria) · Morten Gundel (Morten) · Anne Marie Helger (Mirabella) · Martin Brygmann (Arne)
Länge
83 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 6.
Genre
Kinderfilm
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Diskussion
Der nach dem Fall des „eisernen Vorhangs“ einsetzende Zusammenbruch der staatlichen Filmstudios in Osteuropa hat auch dem jahrzehntelang besonders geförderten Kinderfilm den Garaus gemacht. Nun halten fast nur noch die nordischen Länder diese Tradition aufrecht und geben vor allem jungen Regisseuren die Chance, sich in diesem Genre zu profilieren. Was auf den ersten Blick leicht aussieht, erweist sich bei näherem Hinsehen als Herausforderung: denn Kinder sind (filmisch) anspruchsvoller als mancher Erwachsene, brauchen klare Geschichten und eine logische Dramaturgie, um bei der Stange gehalten zu werden.

„Ein Zirkus für Sarah“ erzählt die Geschichte der etwa zehnjährigen Sarah, die davon träumt, Zirkusclown zu werden. Gemeinsam mit ihrer gleichaltrigen Freundin Maria und deren jüngerem Bruder Morten probt sie auf einem verlassenen Grundstück eine Vorstellung für die Kinder der Nachbarschaft ein. Als sie von einem Bautrupp vertrieben werden, stoßen sie bei der Suche nach einem neuen „Zirkusplatz“ auf ein altes Feuerwehrhaus, das von der schon etwas ältlichen Dame Mirabella, ihrem Esel Rosa und dem sprechenden Papagei Adda bewohnt wird. Schnell freunden sie sich mit der skurrilen Frau an und schlagen nun in ihrem Garten ihr Domizil auf. Aber die Idylle währt nicht lange. Der Bautrupp, der schon einmal ihr Spiel gestört hatte, taucht auch hier auf und droht Mirabella mit dem Abriß ihres Heims. Als Mirabella dem von zwei Spekulanten offensichtlich bestochenen städtischen Bauamtsangestellten eine vom König 1910 selbst unterschriebene Besitzurkunde vorhält, versucht dieser, das Dokument zu stehlen. Da hat er die Rechnung aber ohne Morten gemacht, der sofort seine Zauberkunst einsetzt. Mit der rettet er nicht nur die Urkunde, sondern baut auch einen Tresor, der sich nur auf ein bestimmtes Pfeif-Signal öffnet. Leider hat auch Adda die Melodie „gespeichert“. Und als die beiden Bauspekulanten den in einer Nacht- und Nebelaktion gestohlenen Tresor nicht öffnen können, entführen sie kurzerhand den Papagei. Da tritt Sarahs großer Bruder Robert als Retter in der Not auf den Plan. Gemeinsam machen die Kinder das alte Feuerwehrauto von Mirabellas Großvater flott und verfolgen die Betrüger. Es gelingt ihnen, Adda und das wertvolle Dokument „zurückzuerobern“ und in letzter Sekunde wieder zu Mirabella zurückzukehren. Da Mirabella mittlerweile die Polizei eingeschaltet hat, bekommen die Bösewichter ihre gerechte Strafe. Und für die Kinder erfüllt sich endlich ihr Traum: Sie geben vor dem alten Feuerwehrhaus die erste Zirkus-Vorstellung. Aber auch für Mirabella hält der Film ein Happy-End bereit.

Ein filmischer Kunstgriff – eine Mutter erzählt ihrer Tochter die Entstehung des „Zirkus Ildebrand“ als Gute-Nacht-Geschichte – macht deutlich, daß es sich hier letztlich um ein Märchen handelt, auch wenn einige Verweise auf das gegenwärtige gesellschaftliche Umfeld von Kindern unaufdringlich eingewoben sind. So werden Sarah und ihre Freunde als „Schlüsselkinder“ eingeführt, deren offensichtlich von der Arbeit „aufgefressene“ Eltern den ganzen Film abwesend bleiben und die ihre Kinder sich selbst (oder den älteren Geschwistern) überlassen. Und von skrupellosen Bauspekulanten, die andere aus ihren Wohnungen vertreiben, haben Kinder sicherlich auch schon mal gehört. Indem der Film die „Bösen“ als ziemlich trottelig hinstellt, nimmt er ihnen eine Angst machende Bedrohlichkeit, gibt den Kindern die Möglichkeit, sich mit ihren Mitteln gegen sie zu wehren. Da greift die Inszenierung geschickt zu mehr angedeuteten als ausgespielten Slapstick-Einlagen und zu verhaltener Schadenfreude, wenn es an die Verfolgung der Bösewichter geht. Aber noch in der Bestrafung zeigen die Kinder, daß sie im Herzen „rein“ geblieben sind und vergeben können: die Spekulanten dürfen – wenn auch mit Handschellen gefesselt – der ersten Vorstellung des „Zirkus Ildebrand“ beiwohnen.

Claus Bjerres von leisem Humor getragene Inszenierung arbeitet vor allem die fantastischen und poetischen Zwischentöne der Geschichte heraus: die anfangs den Kindern sonderbar erscheinende „Hexe“ Mirabella, ihr Schuppen voller Geschichten erzählender Gegenstände, aus denen die Kinder ihren Zirkus „basteln“. Und wenn es um das Vertreiben der „Bösen“ geht, dann geschieht das nicht mit der brutalen Gewalt eines „Kevin – Allein zu Hause“, sondern mit kindgerechter Pfiffigkeit. So ganz nebenbei macht der Film seinen jungen Zuschauern auch Mut, nicht gleich aufzugeben, wenn mal was schiefläuft: „Ich weiß, daß ich es kann“, motiviert sich Maria immer wieder beim Seiltanzüben, und Mirabella bewahrt sich auch in größter Not ihre Ehrlichkeit; als sie auf der Polizeiwache einem neben ihr eingeschlafenen Mann die „Bedienungsmarke“ moppst, bringt sie es letztlich doch nicht fertig, sich auf diese Weise vorzudrängeln. Da nimmt es auch nicht wunder, daß der korrupte Staatsdiener am Ende Reue zeigt und auf Milde hoffen darf. Aber all diese „Belehrungen“ sind eher zurückhaltend in die märchenhafte Handlung integriert, die die jungen Darsteller mit einem natürlichen Charme präsentieren, daß es einfach Freude macht, ihren Abenteuern zuzuschauen und ihre Träume mitzuträumen.
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