The Kingdom - Hospital der Geister II

Komödie | Dänemark 1997 | 286 Minuten

Regie: Lars von Trier

Fortsetzung der Fernsehreihe "The Kingdom - Hospital der Geister" aus dem Jahr 1994. Das Böse versucht, im Reichskrankenhaus von Kopenhagen Fuß zu fassen und seinen Machtbereich auszudehnen. Die zweite Staffel von Lars von Triers eigenwilliger Krankenhausserie verliert nach und nach ihre satirischen Bezüge und öffnet sich dem Schrecken und dem Horror. Ein apokalyptischer Film, dessen gestalterische Mittel sich in den Dienst der Sache stellen und zur Verunsicherung des Zuschauers beitragen. (Videotitel: "Hospital der Geister - The Kingdom II")
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Filmdaten

Originaltitel
RIGET II | THE KINGDOM II
Produktionsland
Dänemark
Produktionsjahr
1997
Produktionsfirma
Zentropa/Denmarksradio/Schwedisches Fernsehen/arte
Regie
Lars von Trier · Morten Arnfred
Buch
Lars von Trier · Niels Vørsel · Morten Arnfred
Kamera
Eric Kress
Musik
Joachim Holbek
Schnitt
Molly Marlene Stensgård · Pernille Christensen
Darsteller
Ernst-Hugo Järegard (Prof. Helmer) · Kirsten Rolffes (Frau Drusse) · Ghita Nørby (Dr. Rigmor) · Søren Pilmark (Dr. Krogshoy) · Holger Juul Hansen (Dr. Moesgaard)
Länge
286 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 16
Genre
Komödie | Horror

Heimkino

Die aufwendig edierte DVD-Box enthält die un- respektive umgeschnittene Version beider TV-Staffeln von 1994 und 1997 (eingefügte Sequenzen sind im Original, dt. untertitelt). Das Bonusmaterial überzeugt durch einen Szenen-Audiokommentar des Regisseurs, des Produzenten Niels Vorsel und des Cutterin Molly Stensgard sowie durch ein 40-minütiges Portrait/Interview über Leben und Werk des Regisseurs. Die Edition ist mit dem Silberling 2005 ausgezeichnet.

Verleih DVD
Koch (FF, DD2.0 dän./dt.)
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Diskussion
War Lars von Triers „The Kingdom - Hospital der Geister“ (fd 31 390) noch als bitterböse Satire auf Ärzte-Soaps und den makellosen Schein der "Götter in Weiß" zu lesen, an deren Ende der Leibhaftige ins "Königreich", das Reichskrankenhaus von Kopenhagen, hineingeboren wird, so fährt von Trier inhaltlich und inszenatorisch in dieser Nachfolgestaffel schwerere Geschütze auf. Sein neuerliche Auseinandersetzung mit der von der Wissenschaftlichkeit verdrängten spirituellen Welt, in der durch Überheblichkeit "Dampf und Kälte zurückgekehrt" sind, zeigt den Kampf des Bösen um die Vorherrschaft und dessen enormen Sog, der alles und jeden mitzureißen imstande ist. Frau Druse, die Dauer-Simulantin der ersten Staffel, die die grauenhafte Vergangenheit des "Königsreichs" enthüllte, wird just am Tag ihrer Entlassung in einen Unfall verwickelt und stehenden Fusses wieder eingeliefert, um dem Bösen weiter auf der Spur bleiben zu können und ihm aktiv gegenzuwirken. Zwar haben sich die skurrilen Charaktere nicht verändert, so ist Helmer immer noch der ungeliebte Schwede, der verächtlich auf die Dänen herabsieht und dennoch speichelleckend seinen Weg zu machen versucht; der Chefarzt ist nach wie vor der ausgewiesene unsichere Trottel; Pathologe Bondo erfreut sich noch immer seines Krebsleber-Implantats, während die mongoloiden Spülhilfen weiterhin im Keller den "antiken" Chor geben und mit ihrer schlichten Kommentierung die einzigen menschlichen Zwischentöne beisteuern. Im Soap-Sinne ist zunächst also alles beim Alten, doch die Grundstimung kippt rasch von der Farce zum Horror, der auch Splatter-Effekte nicht ausspart. Es geht von Trier nicht mehr um eine Krankenhaus-Satire, vielmehr sucht und findet er in den endlosen Korriden des "Kingdom" einen Mikrokosmos, der all unsere Ängste und unser Ausgeliefertsein spiegelt. Eine Welt, in der sogar der Abgesandte des Bösen, das zu einer schrecklichen Erscheinung herangewachsene Neugeborene, seine Mutter wimmernd um den Tod bittet. Einer der Assistenzärzte wird nie müde, die Erhaltung des Schwachen zu beklagen, und wäre letztlich einem Euthanasie-Programm nicht abgeneigt, ein als Aufsichtsrat "getarntes" neues Machtinstrument will alle Entwicklungen verhindern und leistet der Kälte Vorschub. In dieses Szenarium passen natürlich Schwarze Messen und Geistererscheinungen. Die tödlich endende Geisterfahrt eines Unfallwagens, absichtlich initiiert und mit hohen Wetten von seiten des Personals versehen, treibt die absurde Situation auf die Spitze. Denn ein mit dem Rennen verbundener Stromausfall scheint den Sieg des Bösen zunächst zu bestätigen: Was geschieht mit Frau Druse, die im Fahrstuhl nach unten rast? Was mit den vielen Patienten, die auf moderne Versorgungsmedizin angewiesen sind? Lars von Trier wird es in der geplanten dritten Staffel verraten. Sein apokalytischer Film macht wenig Hoffnung, zu viel Dummheit, Selbstsucht und Bosheit stehen ihr im Wege. Von Trier hält sich bei der Umsetzung der morbiden Geschichte an die "Dogma-95-Doktrin": Video ist Programm, verkantete Kamera-Einstellungen, eine hektische Handkamera und jump-cuts wirken gegen die Sehgewohnheit, „dilettantische“ Schnitte tragen dazu bei, das Chaos in der (scheinbaren) Ordnung sichtbar zu machen. Verstärkt werden diese Effekte durch die fast monochrome Farbgebung, die die Unwirtlichkeit der Schattenwelt spiegelt. Am Ende jeder Episode tritt von Trier persönlich auf, fragt den Zuschauer ebenso süffisant wie provozierend, ob er weiter bei der Stange bleibt: „Sollten Sie sich wider Erwarten dazu entschließen, ein wenig Zeit mit uns zu verbringen, dann sollten sie alles so nehmen, wie es kommt, das Gute wie das Böse.“ Dazu schlägt er ein eher zu vernachlässigendes Kreuzzeichen mit dem Zeigefinger und verabschiedet sich mit einem Fingerzeichen des Teufels. Es darf also gebangt werden, doch das "Königreich" lebt, unter welcher „Herrschaft“ auch immer. Und es werden hoffentlich viele hinschauen, auch wenn sie von Triers Haltung nicht teilen. Einer der profiliertesten europäischen Regisseure bekennt hier Farbe in Sachen Spiritualität und wie sie in seinem Gesamtwerk zu interpretieren ist.
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