Komödie | USA 1997 | 105 Minuten

Regie: Tom DiCillo

Einblicke in das Leben der New Yorker Film-, Fernseh- und Modebranche, die in ihrer hektischen Oberflächlichkeit die eigentlichen Werte des Lebens negiert. Im Mittelpunkt stehen ein scheinbar zufriedenes Paar, dessen Glück jedoch durch Sex- und Berufsprobleme in Frage gestellt ist, sowie ein notorischer Frauenheld auf der sinnentleerten Suche nach einer naturblonden Frau. Eine böse Satire auf die Dekadenz eines Kulturbetriebes, dem der schöne Schein mehr als das Sein gilt. Hinter seinen bissigen Kommentaren vermittelt er die Sehnsucht nach dem wahren Leben und authentischen Gefühlen. - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
THE REAL BLONDE
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
1997
Produktionsfirma
Lakeshore Entertainment
Regie
Tom DiCillo
Buch
Tom DiCillo
Kamera
Frank Prinzi
Musik
Jim Farmer
Schnitt
Camilla Toniolo
Darsteller
Matthew Modine (Joe) · Catherine Keener (Mary) · Maxwell Caulfield (Bob) · Daryl Hannah (Kelly) · Elizabeth Berkley (Tina)
Länge
105 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Komödie
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Diskussion
„It is all a business“, lautet die Lebensmaxime in der hektischen New Yorker Film-, Fernseh- und Modebranche. Im Grunde ihres Herzens leiden alle Personen in dieser Kunstwelt unter deren Oberflächlichkeit und Falschheit, gehen aber den Weg des geringsten Widerstandes, weil sie glauben, allein das quirlige Image zähle. Lediglich Sex gibt ihnen vorübergehend das Gefühl, innerlich doch noch lebendig zu sein.

Mit seinem vierten Spielfilm ist Tom DiCillo in den Kosmos seines Überraschungserfolges „Living in Oblivion“ (fd 31 491) zurückgekehrt, jener intelligenten Satire über die Produktion von Independent-Filmen. Selbstreflexion gepaart mit Selbstironie sind nach wie vor die Stärken DiCillos, jedoch der Tonfall seiner Kritik ist schärfer und vor allem desillusionierter geworden. Im Gegensatz zu „Living in Oblivion“ räumt er unterschiedlichen subjektiven Perspektiven kaum mehr Platz ein. Statt dessen führt er unbarmherzig die Entfremdung seiner Figuren vor, die sich der Künstlichkeit ihrer Branche anpassen. Ihm gelingen entlarvende Szenen, wenn sich in einem In-Restaurant die Dummschwätzerei über Jane Campions „Das Piano“ (fd 30 374) wie ein Lauffeuer verbreitet. Exemplarisch für eine Karriere in dieser Scheinwelt ist der Werdegang des einst so hoffnungsvollen Nachwuchsregisseurs aus „Living in Oblivion“, der – wieder dargestellt von Steve Buscemi – in einer kurzen Cameo-Szene als Reminiszenz zu sehen ist: Als Clip-Director für ein Madonna-Video hat er seine künstlerische Identität an die Unterhaltungsindustrie verkauft, in der es nur noch um Posen und Fassaden geht. Die von den Statisten bestaunte Pop-Ikone – wie kaum ein zweiter Entertainment-Star die Verkörperung von gezieltem Imageaufbau und -wechsel – entpuppt sich als Body-Double, das naiv an die spirituelle Botschaft von Walt-Disney-Filmen glaubt. Selbst das veilchenblaue Auge, das Top-Mannequin Sahara von ihrem Liebhaber Bob übriggeblieben ist, macht die Modefotografin Blair zum Teil einer degoutanten Lifestyle-Inszenierung: Sie läßt allen Modells Blutergüsse und blaue Flecken anschminken.

Dank vieler Affären und seines Durchbruchs als Mime der Edelkitsch-Soap-Opera „Passion Crest“ hat sich Bob bestens mit dem Showbiz arrangiert; von seinen früheren schauspielerischen Ambitionen künden Poster von James Dean und Shakespeare sowie seine Vorliebe für „Macbeth“-Zitate. Die alten künstlerischen Ideale und Lebensziele sind bei ihm auf eine einzige fixe Idee zusammengeschrumpft, der er Nacht für Nacht zwangshaft huldigt: eine „real blonde“, eine wirkliche Blondine zu finden, die sich beim Schamhaartest nicht als Peroxid-Nixe entpuppt. Diese „echt Blonde“ wird zur Chiffre für die Sehnsucht aller Beteiligten nach dem wahren Leben und authentischen Gefühlen. Doch gerade sie entpuppt sich in Gestalt des Soap-Stars Kelly als die zynischste und kälteste Figur von allen.

Auf den ersten Blick scheinen Bobs Kumpel Joe und seine Freundin Mary mit ihrer sechsjährigen Liebesbeziehung eine Bastion gegen die menschliche Leere um sie geschaffen zu haben. Ihr verwohntes Appartement vermittelt den Eindruck, daß wirkliche Menschen darin leben, während alle anderen Behausungen nur Teil der kalten Selbstinszenierung sind. Doch auch das sympathische Paar hat Probleme: ihr Sexualleben liegt brach. Der gefragten Makeup-Spezialistin machen Ohnmachtsgefühle bei sexuellen Belästigungen zu schaffen – und bei ihrem angegrauten Therapeuten gerät sie vom Regen in die Traufe. Joe hingegen leidet unter seiner Erfolglosigkeit als Schauspieler, die ihn zu Gelegenheitsjobs als Kellner zwingt. Als er frustriert seinem Anspruch entsagt und im seichten Strom der Branche mitzuschwimmen beginnt, gibt er mit seinem blassen Körper in karierten Boxershorts als Beach Boy in einem Madonna-Video eine mehr als lächerliche Figur ab. Nicht anders ergeht es ihm, wenn er immer wieder Willy Lomans großen Monolog aus Arthur Millers „Tod eines Handlungsreisenden“ rezitiert, von dem ihn dreißig Lenze und die entsprechende Lebenserfahrung trennen. Erst als er beim Vorsprechen aus seinen eigenen Erfahrungen schöpft und Sein und Rolle zur Deckung bringt, gelingt ihm eine wahrhaftige, ergreifende Darbietung – und DiCillo ein eindrucksvolles Bekenntnis zur „Method“ des Actors Studios.
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