Made in Germany

Dokumentarfilm | Deutschland 1998 | 87 Minuten

Regie: Thomas Hausner

Kompilationsfilm, der an Hand von Ausschnitten aus Wochenschauen, Werbefilmen, Spielfilmtrailern und Videoclips die Geschichte der Bundesrepublik Deutschland von 1945 bis zum Fall der Mauer im Jahr 1989 beschreibt. Dank genauer Recherche und pointierter Montage liefert der Film über seinen Unterhaltungswert hinaus anregende Subtexte, beispielsweise über die Ambivalenz von Geschichte und ihrer medialen Aufarbeitung oder über das Verhältnis zwischen Selbstdarstellung und Fremdperspektive. - Sehenswert ab 14.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
1998
Produktionsfirma
eGOLI Films
Regie
Thomas Hausner
Buch
Thomas Hausner
Schnitt
Thomas Schürer
Länge
87 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Genre
Dokumentarfilm

Diskussion
Nachdem Thomas Hausner 1994 mit „Es lebe unsere DDR“ (fd 31 279) eine sensible Kompilation medialer Selbstdarstellung der DDR vorgelegt hatte, folgt nun das altbundesdeutsche Pendant. Wohl bedingt durch seine biografische Prägung – Hausner wurde im Westen sozialisiert –, legt der Regisseur viel von seiner Zurückhaltung ab: Seine Bestandsaufnahme ist wesentlich sarkastischer ausgefallen als der Vorgängerfilm. Daß „Made in Germany“ dennoch nicht abgleitet in die Flachheit von „Rendezvous unterm Nierentisch“ (fd 26 098), ist Hausners ästhetischem Konzept zu danken. Denn sich schenkelklopfend lustig zu machen über die mannigfachen Kuriositäten und Peinlichkeiten des Ausgangsmaterials, war dem Filmemacher offensichtlich nicht genug. Potentiell steht bei derartigen Projekten stets eine gewisse Arroganz der Gegenwart über die Vergangenheit im Raum. Genaue Recherche und solide Montage führen hier jedoch weitgehend zu einem kurzweiligen, dabei keineswegs oberflächigen Patchwork kollektiver Erinnerung.

Wie in „Es lebe unsere DDR“ arbeitet sich Hausner von 1945 bis ins Jahr 1989 vor. Er „krönt“ die Tour de force in beiden Filmen mit Helmut Kohls berühmter Fernsehansprache, in der der Bundeskanzler prophezeite, daß es nach der Vereinigung keinem schlechter gehen werde als zuvor, aber vielen besser. Zunächst bilden „die Schlackenberge alter Wochenschauen, die das Rohmaterial für den Kompilationsfilm darstellen“ (Jay Leyda), die Grundlage des filmischen Kaleidoskops – aber sie sind nicht nur von deutscher Herkunft. Sehr schnell fächert „Made in Germany“ nämlich seine Perspektiven auf: Neben bundesdeutscher Selbstdarstellung geht es auch um das Bild der Deutschen von außen. Diese Ebenen korrespondieren reizvoll miteinander. Unmittelbar nach 1945 herrscht seitens der alliierten Medien noch offenes Mißtrauen gegenüber den soeben besiegten Feinden; recht schnell wurden diese jedoch zu neuen Verbündeten im Kalten Krieg transformiert. Spätestens mit dem vielbeschworenen, vom Marshall-Plan ausgelösten Wirtschaftswunder weicht der kurzzeitigen Zerknirschung deutscher Wochenschauen dann auch ein neues Selbstbewußtsein. Geradezu penetrant knüpft deren ästhetischer Gestus an den des nationalsozialistischen Kulturfilms an: Ein demagogischer Off-Kommentar wird durch Bildmaterial illustriert und somit plakativ Beweis geführt. Im Getöse des wirtschaftlichen Aufschwungs ließ sich die Jahrhundertschuld wunderbar verdrängen. Mit seinem Filmtitel verweist Hausner auf diesen Tatbestand: Versuchte sich die DDR, mit einem quasi staatsreligiösen Antifaschismus von der Vergangenheit zu lösen, so erfolgte die scheinbare Rehabilitation in der Bundesrepublik Deutschland durch eine neue Qualität des Konsumismus. Die Formel „Made in Germany“ wurde zum Zertifikat des aufpolierten Deutschlandbildes. Der Regisseur legt Wolfgang Neuss’ Lied „Ist ja kein Wunder nach dem verlorenen Krieg...“ über triumphierende Sequenzen aus den 50er und 60er Jahren und kommentiert diesen Prozeß damit hinreichend.

Ein zweiter Subtext der wahrhaft kaskadenhaften Materialfülle besteht in der Ambivalenz zwischen historischem Ereignis und kultureller Reflexion bzw. Sublimierung. So führte der NATO-Raketenbeschluß zur Stationierung von Atomraketen auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland Anfang der 80er Jahre nicht nur zu einer kraftvollen Wiederbelebung der Friedensbewegung; im Fahrwasser dessen erfolgte auch eine Umprofilierung der Unterhaltungsindustrie. Nenas „99 Luftballons“ oder das Lied über „Ein bißchen Frieden“ stellen solche aus dem Zeitgeist geborenen Laborprodukte für das Massenpublikum dar. Hausner umgeht durch einen gelungenen Kunstgriff die Gefahr, inflationär abgehandelte und immer mit den gleichen Aufnahmen bebilderte Ereignisse noch einmal auf die gleiche Weise zu tangieren. Dies gelingt ihm wiederum durch intensive Recherchearbeit. Der Fall der Mauer im November 1989 wird ausschließlich über hierzulande völlig unbekannte Werbespots erzählt und kommt als kitschige Kulisse für diverse Markenartikel daher. Massenmedien fungieren als Transformatoren von Geschichte und lösen sich dadurch selbst in ihr auf bzw. gehen in sie ein. „Made in Germany“ kommt ohne Kommentare aus – und verkörpert doch einen klugen Kommentar zur Informationsgesellschaft. Unabhängig von seinem fundierten Hintergrund funktioniert der Film jedoch zuallererst als gute Unterhaltung und hat auch in filmhistorischer Hinsicht einiges zu bieten. Eine Auswahl kurioser Werbetrailer verweist dabei auf die Wechselbeziehungen von Geschichte und Kommerz. Höhepunkt dieses Exkurses: die Vorankündigung einer Produktion namens „The Wicked Dreams of Paula Schultz“, 1968 von George Marshall mit Elke Sommer in der Titelrolle inszeniert. Die krude Story um eine junge Sportlerin zwischen Ost- und West-Berlin, KGB und CIA sowie verschiedenen Männern harrt noch ihrer Wiederentdeckung. Diesen kolportagenhaften Umgang mit der Teilung Deutschlands in Verbindung mit der fragwürdigen Projektion eines „Fräulein-Wunders“ wollte man dem hiesigen Publikum dann doch nicht zumuten. Der Film kam bis zum heutigen Tag nicht auf deutsche Leinwände – eigentlich bedauerlich.
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