Flammen im Paradies

Drama | Schweiz/Frankreich/Deutschland 1997 | 107 Minuten

Regie: Markus Imhoof

Durch einen Rollentausch entzieht sich eine Fabrikerbin 1912 ihrer unglücklichen Ehe und gelangt als Missionsbraut nach Indien, um einen ihr unbekannten Missionar zu heiraten. Doch das herbeigezwungene Glück erweist sich vorerst als fragwürdig. Gefühlvolles Melodram mit ausgesucht schönen Bildern, das gesellschaftspolitische und menschliche Fragen thematisiert, sie letztlich aber nur anreißt. Reizvoll als Auseinandersetzung mit der Macht und Ohnmacht von Lügen, krankt der Film mitunter daran, daß sich die übergroßen Gefühle der Protagonisten nicht glaubhaft vermitteln. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
LES RAISONS DU COEUR
Produktionsland
Schweiz/Frankreich/Deutschland
Produktionsjahr
1997
Produktionsfirma
Flammen im Paradies Filmproduktion/Thelma Film/Markus Imhoff Film/Ciné Manufacture/zero Film/WDR/Schweizer Fernsehen DRS/France 2 Cinéma/Teleclub/Canal +
Regie
Markus Imhoof
Buch
Markus Imhoof
Kamera
Lukas Strebel
Musik
Bruno Coulais
Schnitt
Jacques Comets
Darsteller
Élodie Bouchez (Juliette) · Laurent Grévill (Gustave Walser) · Bruno Todeschini (Philipp Braun) · Swetlana Schönfeld (Olga Oppliger) · Sylvie Testud (Esther)
Länge
107 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Drama
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Diskussion
1912, irgendwo auf dem Ozean. Die Industriellentochter Georgette befindet sich an Bord eines Luxusliners, doch ihre Hochzeitsreise ist eine herbe Enttäuschung: muß sie doch feststellen, nur wegen des väterlichen Erbes geheiratet worden zu sein. Im Bauch des Schiffes, in der Dritten Klasse, bangt Esther ihrer Zukunft entgegen. Sie ist eine arme Weißnäherin aus der Schweiz und als Missionsbraut auf dem Weg nach Indien, um die Ehe mit einem Missionar einzugehen, den sie nur vom Foto her kennt. Zwei unglückliche Frauen, die sich durch Zufall begegnen und ihr Schicksal in die eigene Hand nehmen. Georgette vertauscht das tiefdekolletierte Kleid mit hochgeschnürtem Busen gegen ein züchtiges Gewand und tritt an Esthers Stelle. So hofft sie, dem vorprogrammierten Unglück zu entkommen und die Zukunft als Abenteuer gestalten zu können. Doch der Bräutigam erweist sich als Eiferer, der keine (Natur-)Religionen neben der seinen duldet und mit kolonialem Blick auf die indischen „Heidenkinder“ schaut. Allerdings ist die religiöse Inbrunst nur eine Facette seines Charakters. Den Fiebertod von Frau und Kind versucht er durch eine Affäre mit seiner indischen Haushälterin zu vergessen; eine Leidenschaft, die ihn in Gewissensnöte bringt und seine Geliebte angesichts der legalen Nebenbuhlerin verzweifeln läßt. Ferner sind die Bewohner der Missionsstation nicht nur Schutzbefohlene, sondern auch willfährige und billige Arbeitskräfte für die Weberei, durch die man mit der englischen Kolonialarmee ins Geschäft zu kommen hofft. Georgette fügt sich mehr schlecht als recht in ihr neues Leben. Als sie einen kleinen Sklavenjungen freikauft und als „Hochzeitsgeschenk“ in die noch zu schließende Ehe bringt, sieht der Missionar alle seine Bemühungen unterlaufen. Er will die Braut zurückschicken, nicht ohne vorher erfahren zu haben, „wie der Schnee in diesem Jahr war“, und schickt sich an, im Eifer einen heiligen Baum der Inder zu fällen. Diese revanchieren sich, indem sie die Missionsstation niederbrennen. Auf dem Höhepunkt der Ereignisse tauchen noch Georgettes Mann und Esther auf, deren Lebenspläne ebenfalls Schiffbruch erlitten haben. Angesichts des Scheiterns auf allen Ebenen verläßt Gustav die Station, Georgette folgt ihm nach – nun wieder mit hochgeschnürtem Busen.

„Flammen im Paradies“ war der teuerste Schweizer Film des Jahres 1997, vielleicht auch der ambitionierteste. Immerhin wollte Markus Imhoof nicht nur eine autobiografisch gefärbte Geschichte erzählen – seine Großmutter war eine dieser Missionsbräute – , sondern neben einem Emanzipationsdrama auch einen Blick auf die Geschichte des „sanften“ Schweizer Kolonialismus werfen, brodelnde Leidenschaften in einem viktorianisch geprägten Umfeld darstellen, Machtmechanismen aufzeigen und die Bigotterie von Führungseliten bloßlegen. Reichlich Stoff für einen letztlich zu kleinen Film, der das große Drama mit Aufklärung verbinden will, sich dann jedoch mit den Gefilden des schön fotografierten Melodrams begnügt und sogar gut daran tut. So ist zumindest gegeben, daß übergroße Gefühle in den Vordergrund drängen und die politische Botschaft immer wieder auf bescheidene Dimensionen zurecht gestutzt wird. Diese wirkt um so überzeugender, wenn sie in Nebensätzen und -handlungen angerissen wird, wenn sich der religiöse Auftrag auch als Geschäft entpuppt oder die christliche Botschaft ohne Spur von Nächstenliebe überbracht wird, als Instrument eines Unterdrückungssystems. Imhoof schuf einen Film über die große, fromme Lüge, die nur eine gewisse Zeit funktionieren kann, dann aber einer allumfassenden Wahrheit weichen muß, die echte Gefühle, wahren Glauben und die wirklichen Beweggründe der Menschen transportiert. Es ist kein rundum gelungener, aber doch interessanter Film, bei dem mitunter der Eindruck entsteht, daß die Darsteller ihren Charakteren hinterherspielen. Die große Leidenschaft und Emphase, die das Buch fordert, werden kaum eingelöst, bleiben Konstrukt, Idee. Daran ändert auch die schön anzuschauende Elodie Bouchez wenig, deren Georgette man die Leidenschaft und letztlich aufopfernde Hingabe für ihren Missionar kaum abnimmt. Dies mag auch am Gegenpart liegen, der wenig aufzubieten hat, um liebens- oder gar begehrenswert zu erscheinen. Mit dem Wetterbeobachtungsdrama „Der Berg“ hatte sich Imhoof 1990 um leidenschaftliche Verstrickungen in Extremsituationen bemüht und war gescheitert; „Flammen im Paradies“ ist ein ganz anderer, ausgereifterer Film – nicht der ganz große Wurf, aber eine liebenswerte Vignette.
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