Liebe deine Nächste!

Komödie | Deutschland 1998 | 96 Minuten

Regie: Buck

Zwei junge Frauen, "Soldatinnen Gottes", werden nach Berlin entsandt, um das dortige Obdachlosenasyl auf Vordermann und damit Wärme in die Kälte der Großstadt zu bringen. Eine der beiden begegnet einem skrupellosen jungen Geschäftsmann und muß ihre seelische Standfestigkeit im Kampf gegen dessen Macht und Unterwerfungsansprüche behaupten. Unentschlossen zwischen Melodram und Komödie, Moritat und urbanem Bilderclip schwankend, läßt der enttäuschende Film weder eine inhaltliche Absicht noch einen sonderlichen Unterhaltungswert erkennen, verliert sich vielmehr in der selbstverliebten Koketterie mit (Vor-)Urteilen über die vermeintliche "Schlechtigkeit der Welt". - Ab 16.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
1998
Produktionsfirma
Boje Buck Prod./WDR
Regie
Buck
Buch
Jens-Frederik Otto · Buck
Kamera
Joachim Berc
Musik
Ralf Wienrich · Stefan Fischer
Schnitt
Peter R. Adam
Darsteller
Moritz Bleibtreu (Tristan Müller) · Lea Mornar (Josefine) · Heike Makatsch (Isolde) · Heribert Sasse (Adlatus Lutz) · Marc Hosemann (Butsche)
Länge
96 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Komödie | Melodram
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
Kinowelt (16:9, 1.85:1, DD5.1 dt.)
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Diskussion
In stürmischer Nacht erhalten Josefine und Isolde von ihrer Generalin einen Auftrag, der einem Himmelfahrtskommando gleichkommt: Die beiden „Soldatinnen Gottes“, die sich selbst eben erst kennengelernt haben, sollen das schloßartige Hauptquartier ihrer Mission verlassen, um das heruntergekommene Corps in Berlin auf Vordermann zu bringen. Die Motto lautet: In die Kälte der Großstadt Wärme bringen. Die ebenso bibel- wie grundsatzfesten jungen Frauen stoßen in der Hölle Berlins in der Tat auf apokalyptische Verhältnisse. Das Obdachlosenasyl ihres Corps muß mit eiserner Hand ausgemistet werden, frei nach der Devise, daß Armut kein Laster, aber auch keine Tugend ist, und daß es Zeit wird, wieder Menschen aus den „Kunden“ zu machen. Zeitgleich mit den beiden trifft ein Mann in der Stadt ein, der ebenfalls eine Mission hat: Tristan ist ein eiskalter, skrupelloser „Trouble Shooter“ mit dem Auftrag, morbide Unternehmen zu „sanieren“, indem er sie gesundschrumpft und große Teile der Belegschaft auf die Straße setzt. Genüßlich weidet er sich an der Macht, die er ausübt, indem er die Männer erniedrigt und sich an den Frauen sexuell gütlich tut. Durch Zufall kreuzen sich mehrfach die Wege von Tristan und Josefine, und immer wieder kommt es zwischen beiden zu Provokationen und Herausforderungen. Nach dem Motto „Geld gegen Leistung“ bietet er viel Geld für ein Abendessen mit ihr und hat doch nur einen einzigen Hintergedanken; und da die „Soldatinnen“ das Geld dringend zur Sanierung des maroden Asyls benötigen, zieht Josefine in die Schlacht, in der Hoffnung, daß zumindest ihre Seele unbeschadet bleiben wird.

Irgendwo zwischen Melodram und Komödie, Moritat und Videoclip siedelt Detlev Buck seinen Film an, den er selbst als „Liebesfilm, gefühlsecht“ tituliert. Das Wort „Heilsarmee“ wird kein einziges Mal erwähnt, und doch sind seine „Soldatinnen Gottes“ Angehörigen eben dieser Einrichtung nachempfunden: in ihren wehrhaft-tristen Uniformen durch eine heruntergekommene urbane Hölle wandelnde Anachronismen, die soziale Gerechtigkeit herstellen und das Wort Gottes weitertragen wollen. Als Hölle wird Berlin denn auch von Beginn an versinnbildlicht, so daß man gelegentlich meint, eher in John Carpenters Gefängnisstadt aus „Die Klapperschlange“ (fd 23 077) geraten zu sein als in ein leidlich vertrautes Hauptstadtambiente; solche Plakativität deutete sich bereits während des Vorspanns an, wo Buck lustvoll „sensationelle“ Bildchiffren aus Erotik, Verbrechen und Religion (Feuer, Polizei, Kruzifix, Blut, Pistolen etc.) aneinanderreiht. Immer wieder taucht er in der Folge Schauplätze und Figuren in bis zur Abstraktion stilisierte Bildkompositionen zwischen Dunkelheit und Nebulösität, um der Mär um Moral und Würde, Verführung durch Geld und Liebe, Materialismus und Idealismus einen formal ambitionierten Anstrich zu geben. Vieles gerinnt dabei aber zur bloßen Attitüde, zur teilweise sogar zynischen Koketterie mit (Vor-)Urteilen über snobistisch-arrogante Bürger und anarchistisch-„freie“ Unterprivilegierte, die sowohl im öffentlichen Hallenbad als auch im Gourmet-Restaurant „die da oben“ so richtig aufmischen dürfen. Das erinnert dann eher an eine Sozialposse im verdünnten Fahrwasser von „Einer flog übers Kuckucksnest“ (fd 19 710) als an ein eigenes stringentes Konzept mit Aussagegehalt, und man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, als hätte Buck, Momenteingebungen folgend, drauflos gefilmt, um im Schneideraum das Durcheinander möglichst „interessant“ zu verbrämen. Natürlich werden an jeder Ecke Assoziationen zur „Dreigroschenoper“ und vor allem zu „Happy End“, beides von Bert Brecht und Kurt Weill, geweckt. Aber was in diesen Gesangswerken im Kern unverkennbar von Humanität durchdrungen ist, ist bei Buck nur selbstverliebtes Spiel, das die eigene Reputation, aber auch die der hilflos agierenden Schauspieler in Frage stellt. Man könnte viele kluge Textstellen aus „Happy End“ zitieren, um diesen Film und sein eher prüdes Verhältnis gegenüber Liebe, Verantwortung und Moral zu kommentieren; am Ende aber bleibt nur der entsetzte Ruf: „Obacht, gebt Obacht! Wir sehen dich Mensch, der versinkt...“
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