Celebrity - Schön. Reich. Berühmt.

- | USA 1998 | 113 Minuten

Regie: Woody Allen

Nach 16 Jahren Ehe verlässt ein 40-jähriger Journalist und Schriftsteller seine Frau, um sich in zahlreiche Liebesabenteuer zu stürzen und seine Karriere neu zu beleben. Nach anfänglichem Höhenflug machen sich jedoch innere Leere und Einsamkeit breit. Gleichzeitig gelingt es seiner Frau unter Mühen, die Depression nach der Trennung zu überwinden, eine neue Beziehung aufzubauen und sich als Fernsehmoderatorin Anerkennung zu erwerben. Woody Allens 27. Film ist im Grundton auffällig melancholisch. Neben den brillant verkörperten Charakterstudien der beiden zentralen Protagonisten widmet sich der Film auf spielerisch-satirische Weise unterschiedlichen Facetten des Phänomens der Berühmtheit in der Mediengesellschaft. - Sehenswert ab 16.
Zur Filmkritik

Filmdaten

Originaltitel
CELEBRITY
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
1998
Produktionsfirma
Sweetland Films
Regie
Woody Allen
Buch
Woody Allen
Kamera
Sven Nykvist
Schnitt
Susan E. Morse
Darsteller
Kenneth Branagh (Lee Simon) · Judy Davis (Robin Simon) · Joe Mantegna (Tony Gardella) · Melanie Griffith (Nicole Olivier) · Leonardo DiCaprio (Brendon Darrow)
Länge
113 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Externe Links
IMDb | TMDB

Heimkino

Verleih DVD
Kinowelt (16:9, 1.85:1, Mono engl./dt.)
DVD kaufen

Diskussion
Zum „Schicksalsmotiv“ aus Beethovens fünfter Sinfonie malt ein Flugzeug die Buchstaben „HELP“ an einen strahlend blauen bzw. grauen New Yorker Himmel, denn Woody Allen hat sich wieder einmal für Schwarz-Weiß-Material entschieden. Der spektakuläre Hilfeschrei ist Teil eines Films, der eben gedreht wird. Unter den Zuschauern am Set befindet sich Lee Simon, Journalist und Schriftsteller, der an einem Zeitschriftenporträt über Nicole Olivier arbeitet, den weiblichen Star des Films. In einer Drehpause bändelt Lee mit Nola an, einer Kleindarstellerin. Schon einmal waren sich die beiden begegnet, doch Lees versprochener Anruf war damals ausgeblieben, und auch jetzt unterbricht sein Interview-Termin einstweilen das Gespräch. Lee begleitet Nicole Olivier zu dem schmucklosen Haus, in dem sie als Kind gelebt und – wie sie freimütig berichtet – nackt auf dem Bett liegend von einem üppigen Körper als Eintrittskarte in die Welt des Films geträumt hat. Lee packt auch hier sofort die Chance auf ein sexuelles Abenteuer beim Schopf. Knappe zwei Filmstunden später erscheinen erneut die Buchstaben „HELP“ auf der Leinwand. Nicole Oliviers Film feiert seine Premiere. Unter den Zuschauern im Kino befindet sich Lee – und in diesem Moment bringt der Schriftzug sein Seelenleben auf den Punkt.

Wie in Allens „Ehemänner und Ehefrauen“ (fd 30 073) kommt die Handlung durch eine Trennung in Gang. Nach seinem 40. Geburtstag und 16 Jahren Ehe mit der Lehrerin Robin hat Lee genug. Er „bricht aus“ , um all das nachzuholen, was er versäumt zu haben glaubt. Und das bedeutet vor allem: schöne Frauen. Für die verlassene Robin dagegen bricht die Welt zusammen. Nur der Beistand einer Freundin lindert ihre Depressionen, ihr Selbstwertgefühl ist auf dem Nullpunkt – und ob die anvisierte Schönheitsoperation sie wieder aufrichten kann, bleibt zumindest zweifelhaft. Nach der anfänglichen Konfrontation und Trennung bringt der Regisseur die Ex-Partner nur noch zweimal auf der Leinwand zusammen (beide Male übrigens anläßlich einer Filmvorführung). Beim ersten Mal ist Lee ganz obenauf: Nach zahlreichen – mehr oder minder geglückten – Affären hat er in der Verlegerin Bonnie eine neue Partnerin gefunden, die auch sein wackeliges berufliches Ego aufpoliert, indem sie ihn drängt, unbedingt seinen begonnenen Roman zu beenden. Robin erscheint in Begleitung des Fernsehproduzenten Tony Gardella, dessen wunderschöne Komplimente ihr kaum eine andere Wahl als diese erste zögerliche Verabredung ließen. Die Konfrontation mit Lee führt dennoch zu einer grotesken und peinlichen Szene, in der sich die Demütigung der Trennung in wütenden Tiraden entlädt. Bei der zweiten Wiederbegegnung zum Ende des Films sind die Karten neu gemischt: Robin und Tony sind glücklich verheiratet – Lee hat sich in eine Leidenschaft für die notorisch untreue Nola hineingesteigert, die ihn nicht nur die Beziehung zu Bonnie, sondern auch sein eben beendetes Buch gekostet hat.

Eine typische Woody-Allen-Konstellation: Der „befreiende“ Ausbruch nimmt für Lee desaströse Züge an, da ihm – auf sich allein gestellt – der Mangel an innerer Orientierung mehr und mehr greifbar wird, während Robin nach und nach zu sich selbst findet und dabei Möglichkeiten in sich entdeckt, an die sie vorher im Traum nicht geglaubt hätte – und sei es das Talent als Moderatorin einer Fernsehshow, über deren Niveau sie zuvor wohl die Nase gerümpft hätte. Daß diese Entwicklungen sich nicht unbedingt geradlinig vollziehen, versteht sich bei Allen von selbst. Einmal mehr bietet das Thema sexueller Komplexbeladenheit Gelegenheit für allerlei groteske Situationen, etwa wenn der Möchtegern-Casanova Lee die bevorstehende Liebesnacht mit einem Supermodel kurzerhand durch einen Autounfall sabotiert oder angesichts der „Konkurrenz“ mit einem großen und kräftig gebauten Farbigen kalte Füße bekommt. Die anrührendsten Szenen des Films gehören allerdings Robins tragikomischen Versuchen, den Pferdefuß an ihrem unverhofften Liebesglück mit Tony zu entdecken. Da werden die Oralsex-Lektionen bei einer Hure zur peinlichen Tortur, und selbst die Hochzeit droht an bohrenden Selbstzweifeln zu scheitern.

Es liegt ein deutlich melancholischer Touch über Allens 27. Film. Immer wieder fühlt man sich an jene tragikomischen Beziehungsgeschichten erinnert, mit denen der Regisseur in den 70er Jahren seinen Ruhm begründete. Nicht nur die schwarz-weiße Fotografie, viel mehr noch die Besetzung der Hauptrolle mit Kenneth Branagh scheint für diese Grundstimmung verantwortlich. Waren die meistens vom Regisseur selbst gespielten „Helden“ im Lauf der Jahre kontinuierlich mit ihm gealtert (und wenn schon nicht glücklicher, so doch ein wenig gelassener geworden), so gehört Branaghs Figur einer jüngeren Generation an und rückt (auch) vom Alter her in die Nähe von Figuren wie Isaac Davis in „Manhattan“ (fd 22 160) oder Sandy Bates in „Stardust Memories“ (fd 22 756). Als wolle er diesen Eindruck noch unterstreichen, macht sich Branagh ein (durchaus virtuos gestaltetes) Vergnügen daraus, in Mimik, Gestik und Sprechweise den typischen Stil des Schauspielers Woody Allen zu imitieren. Das titelgebende Thema der „Berühmtheit“ tritt auf der dramaturgischen Ebene hinter die Charakterstudien der beiden Hauptfiguren zurück, ist aber ständig präsent. Allen wählt keinen analytischen Zugang, sondern wirft Schlaglichter auf die verschiedensten Aspekte des (mehr oder weniger kurzfristigen) Daseins im Scheinwerferlicht. Berühmtheit kann zum Lebensinhalt werden (wie beim Filmstar Nicole Olivier), zur erträumten Anerkennung für künstlerische Potenz (wie im Falle Lees); sie kann aber auch als Mittel zum Zweck herhalten, wobei die Zwecke wiederum im schnellen Genuß (Leonardo DiCaprio in einem Kurzauftritt als auf Sex und Drogen versessener Jungstar) oder in der Unterstützung einer weitverzweigten Familie (wie bei Tony Gardella) liegen können. Nicht zuletzt erhascht man schon deswegen einen Augenblick des Ruhms als Talkshow-Teilnehmer, bloß weil man Skinhead oder eben Rabbiner ist (und dabei am Buffet hinter den Kulissen ganz selbstverständlich miteinander umgeht). Auch wenn in Tony Gardellas Familie einmal die Frage auftaucht, was man denn für seine Berühmtheit eigentlich leisten müsse, wenn schon ein Entführungsopfer nationale Bekanntheit genieße, hütet sich Allen vor wertenden Pauschalisierungen. Wer sich über Helmut Dietls dumpf-verkrampfte Satire „Late Show“ (fd 33 552) geärgert hat, wird diese verspielte Leichtigkeit zu schätzen wissen.

Vor allem aber ist „Celebrity“ durch und durch ein wunderbarer Schauspielerfilm. Dienten die „großen Namen“ in Allens „Harry außer sich“ (fd 33 132) eher als Köder, so läßt der Regisseur ihnen hier Raum für teils kurze, aber äußerst prägnante Auftritte. Wie DiCaprio darf auch Winona Ryder als „ femme fatale“ gegen ihr ansonsten braves Image anspielen; Joe Mantegna ist der Inbegriff des stoisch-integren und verläßlichen (dabei niemals langweiligen) Mannes, und Judy Davis brilliert in ungewohnt zurückhaltender Manier zunächst als verlassene und verstörte Ehefrau. Ihre „Rückkehr ins Leben“ braucht dann doch keine Schönheitsoperation, die eine Veränderung signalisieren würde, die noch nicht stattgefunden hat – als es soweit ist, färbt sich Davis alias Robin schlichtweg die Haare.
Kommentar verfassen

Kommentieren