Shall we dance?

- | Japan 1997 | 119 Minuten

Regie: Masayuki Suo

Ein japanischer Beamter und Familienvater bricht aus seinem Alltagstrott aus und tritt heimlich in eine Tanzschule ein. Nach zahlreichen Verwicklungen mündet das Versteckspiel in ein großes harmonisches Finale. Parabel über die Möglichkeit des einzelnen Menschen, durch das Öffnen seiner Seele und seines Herzens den Kordon der Einsamkeit zu durchbrechen. Der Film gestattet weitgehend souverän ironische Einblicke in japanische Vorstellungen von Moral und Sitte. Aus gesellschaftlichen und persönlichen Verklemmungen des Helden werden heitere Situationen gefiltert, die sich trotz Längen und kabarettistischer Überzeichnungen zu einer unterhaltsamen, zugleich durchaus nachdenklichen Musikkomödie verdichten. (Remake: "Darf ich bitten?", USA 2004) - Sehenswert ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
SHALL WE DANCE?
Produktionsland
Japan
Produktionsjahr
1997
Produktionsfirma
Daiei Co./NipponTelevision/Altamira Pictures
Regie
Masayuki Suo
Buch
Masayuki Suo
Kamera
Naoki Kayano
Musik
Yoshikazu Suo
Schnitt
Kiyoshi Yoneyama · Junichi Kikuchi
Darsteller
Kôji Yakusho (Shohei Sugiyama) · Tamiyo Kusakari (Mai Kishikawa) · Naoto Takenaka (Tomio Aoki) · Eriko Watanabe (Toyoko Takahashi) · Yu Tokui (Tokichi Hattori)
Länge
119 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Externe Links
IMDb | TMDB

Diskussion
Herr Sugiyama ist ein braver Mann. Pünktlich und korrekt versieht er seinen Bürodienst und wartet geduldig auf die Beförderung. Nach Feierabend fährt er in sein vorstädtisches Reihenhaus zu Frau und Tochter zurück – Tag für Tag, Jahr für Jahr. Dabei ist Sugiyamas Gesicht meist unbewegt; kaum ein Schimmer Seele dringt nach außen, alles deutet auf Gewöhnung hin, nichts auf Sehnsüchte. Doch dann geschieht etwas Unfaßbares: Der Mann geht den Schritt zur Seite, weg vom Pfad des Üblichen. Er bricht zu neuen Ufern auf, ohne zu wissen, was dort auf ihn wartet.

So beginnt der Film, der sich von einem alten Film-Musical mit Fred Astaire und Ginger Rogers den Titel und über weite Strecken auch die Leichtigkeit des Erzählens geliehen hat. Der Weg des Helden führt dabei nicht ins Lotterbett einer Geliebten oder gar ins Bordell. Dennoch ist es für japanische Verhältnisse schlimm genug, was Herr Sugiyama treibt: Er schreibt sich, von einer unbekannten, traurigen Frau am hell erleuchteten Fenster magisch angezogen, in eine Tanzschule ein – was im Land des Lächelns als hochgradig unmoralisch gilt. Einmal liest der Held eine Broschüre über den Wiener Walzer. Als die Tochter durch die Tür schaut, versteckt er das Heft, als ob es eine Porno-Illustrierte wäre. Walzer, Foxtrott oder Cha-Cha-Cha, noch dazu mit wechselnden Partnern, sind nun einmal wider alle Tradition. So nimmt das Versteckspiel seinen Lauf: Zu Hause erklärt Herr Sugiyama, länger als sonst arbeiten zu müssen; und als ausgerechnet ein Kollege aus der Firma auch im Tanzkurs auftaucht, erschrecken beide abgrundtief und verpflichten sich dann zum Schweigen. Natürlich labt sich der Film an entsprechenden Gags: Wenn die neuen Freunde zum Beispiel auf der Betriebstoilette Tanzschritte üben und von anderen dabei überrascht werden, schlägt die Situationskomik Kobolz.

„Shall We Dance?“ verfügt bei allem Spaß aber über einen durchaus ernsten Hintergrund. Er provoziert das Nachdenken über die Erlösung aus einer Midlife-Krise. Mehr noch: Er zeigt das Überwinden jener Einsamkeit, in der jede der handelnden Figuren zunächst gefangen zu sein scheint. Fast alle wichtigen Gestalten des Films tragen intime Geheimnisse mit sich herum, die erst nach und nach enthüllt werden. Die Maxime „Darüber spricht man nicht“, die in Japan, aber auch in anderen modernen Leistungsgesellschaften weitverbreitet ist, wird ironisch-kritisch befragt. „Shall We Dance?“ drängt geradezu zur Erkenntnis, daß sich nur durch Offenheit auch die Möglichkeit für zwischenmenschliche Solidarität ergibt. So fädelt der Film, zwischen Tragik und Komik balancierend, Schicksale gleichsam „von nebenan“ auf die dramaturgische Leine: Einem dicken Mitschüler wurde das Tanzen vom Arzt verordnet, eine Mittänzerin bricht zusammen, weil sie tagsüber schwer schuften muß und am Abend, statt einsam zu Hause zu sitzen, nach Erfüllung sucht. Auch um die bezaubernde, niemals lächelnde Tanzlehrerin ist etwas Besonderes, Unerklärliches. Der Tanz öffnet peu à peu ihrer aller Herzen und Lippen. Er macht selbstbewußt, frei und schön – auch wenn man nicht wie Adonis oder Aphrodite aussieht. Dieses Credo, das Entfalten der inneren Schönheit jedes einzelnen Menschen, wenn er denn zu seinen Sehnsüchten und Träumen steht, läßt „Shall We Dance?“ trotz Längen und kabarettistischer Überzeichnungen zu einem cinéastischen Kleinod werden. Manchmal, vor allem im Mittelteil, holpert der Film ziemlich dahin, hat Längen und Redundanzen; am Ende aber münden die Verwicklungen in ein opulentes, harmonisches Finale. Sogar die Familie des Helden ist nun glücklich über seine Ambitionen – und wird nie wieder einen Privatdetektiv engagieren, wenn Herr Sugiyama abends später nach Hause kommt. Koji Yakusho bewegt sich in der Hauptrolle durch zahlreiche komische Situationen, die sich aus gesellschaftlichen wie persönlichen Verklemmungen ergeben. Herr Sugiyama steckt eben nicht nur in der Zwangsjacke eines konformen Beamten und Familienvaters, sondern ist auch noch reichlich schüchtern und ungelenk. Er stolpert über die eigenen Beine, weiß mit den Armen nicht wohin, und wenn seine Oberschenkel beim Tango die der Partnerin berühren, dann brechen ihm Hektoliter Schweiß aus. Aber der Film hält auch jene Szene für Koji Yakusho bereit, in der er in strömendem Regen unter den Bahngleisen das Tanzen üben darf. In solchen Momenten ist Fred Astaire ganz nah.
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