Seit dem Entwurf der „Star Wars“-Mythologie bestand deren Schöpfer George Lucas darauf, dass es sich bei den bereits gezeigten drei Teilen um Sequels, also um die Fortsetzungen einer noch zu erzählenden Vorgeschichte handelt. Demzufolge waren die Teile I, II und III („Krieg der Sterne“, fd 20 658; „Das Imperium schlägt zurück“, fd 22 701; „Die Rückkehr der Jedi-Ritter“, fd 24 283) in Wahrheit die Teile IV, V und VI, denen sogar noch drei weitere folgen sollen. Nachdem Lucas die Teile V und VI an andere Regisseure delegiert hatte und sich derweil seinen Hitech-Firmen, insbesondere Industrial Light & Magic, widmete, machte er nunmehr die Episode I, den Auftakt zur neuerlichen Trilogie, erneut zur Chefsache. Ein raffiniertes Spiel: Sequels leiden fast grundsätzlich darunter, dass ihnen irgendwann die Ideen ausgehen. Prequels hingegen nehmen für sich in Anspruch, Pionierarbeit zu leisten und unverzichtbar zu sein für das Verständnis dessen, was man schon verstanden zu haben glaubte. Lucas’ Aufklärungsarbeit war zumindest in den USA das meisterwartete Kinoereignis des Jahres, nicht nur für die Aficionados. Nach den ersten Spieltagen waren alle zufrieden: das Studio trotz nicht ganz rekordträchtiger Anfangseinnahmen und die Zuschauer trotz eines eher enttäuschenden Films.Genau eine Generation früher als Teil IV setzt dieser erste Teil ein. Annakin Skywalker, der Vater von Luke, ist noch ein netter kleiner Junge, der nichts von seinem Schicksal ahnt, einmal der böse Darth Vader zu werden. Auf die außergewöhnlichen Fähigkeiten des Jungen stoßen per Zufall zwei Jedi-Ritter: Qui-Gon Jinn, der Meister, und Obi-Wan Kenobi, der hier noch sein Schüler ist. Die beiden sind auf Friedensmission unterwegs, um eine Blockade aufzuheben, die den Planeten Coruscant umgibt und die in einen Krieg zu münden droht. Aber sie müssen auf dem Wüstenplaneten Tatooine notlanden, wo sie sich Ersatzteile besorgen wollen. Dies aber erweist sich als extrem schwierig. Der Schrotthändler will Bargeld, was die Ritter nicht haben, aber sein kleiner Helfer im Laden verspricht, ein Raumgleiterrennen zu gewinnen und damit das Geld für die Reparatur. Da der Junge den Rittern ans Herz wächst und Qui-Gon Jinn überzeugt ist, einen potenziellen Jedi-Ritter vor sich zu haben (Ewan McGregor als Obi-Wan hat fast nichts zu sagen), wird der Junge gleich mit in den Jackpot geworfen.Bis hierher ist erst ein kleiner Teil der Handlung, aber ein großer Teil des Films vergangen. Dieser Teil scheint mehrere Funktionen erfüllen zu müssen. Erstens, das Publikum durch Wiederholungen an einige der Motive aus „Krieg der Sterne“ (sprich IV) zu erinnern, besonders diejenigen Zuschauer, die nicht die geschickterweise vor zwei Jahren lancierten, technisch überarbeiteten Versionen der alten „Star Wars“-Filme gesehen haben: an Motive wie den Wüstenplaneten, die vielgestaltigen Aliens, die ihn bewohnen (wie es heißt, handelt es sich überwiegend um Ausgestoßene, die sich also in einer Art Weltraum-Casablanca befinden), sowie die unfreiwillige Konfrontation zwischen Eingeweihten und Auserwählten; der Angriff auf einen Todesstern folgt nicht viel später; zweitens, den kleinen blonden Jungen, der der Auserwählte sein soll, und seine allein erziehende Mutter mittels einer rührenden und ausgedehnten Familiengeschichte dem Publikum nahe zu bringen; drittens, die Fähigkeiten des neunjährigen Jungen in Sachen Steuern eines Kriegsschiffs spielerisch anzudeuten, um sie später im Film im entscheidenden Moment einsetzen zu können; viertens, durch das lange Rennen nicht nur „Ben Hur“ (fd 9589/fd 23 363) ins Digitalzeitalter zu holen, sondern auch den Zuschauern das zeitgleich in die Läden gekommene Videospiel schmackhaft zu machen; fünftens, um dem Ganzen durch die Andeutung einer jungfräulichen Geburt eine alberne religiöse Dimension zu geben. Und schließlich, um einige rassische Stereotypen als komische Elemente ins Spiel zu bringen, mit denen ja auch Disney immer wieder aufwartet. Hier sind es ein schlacksiger, tänzelnder, wulstlippiger, extrem locker, aber in Pidgin-Englisch (oder in schlechtem Deutsch) daherredender Alien, ein „Bilderbuch-Neger“ also, und ein krummnasiger, die Augen zu Schlitzen verschließender, geldgieriger Kauz – wenn man es gut meint, ein Shylock in noch altertümlicherer Interpretation.Qui-Gon Jinn besteht darauf, den Jungen zum Jedi-Ritter zu erziehen, was ihm der Jedi-Rat zunächst verweigert, weil dieser „eine große Furcht fühlt, die zu Hass werden kann“. Gleichzeitig ist die Königin auf Friedensmission unterwegs, bei der sie sich gegen Intrigen und übel meinende Angebote zur Wehr setzen muss, aber auch auf den Jungen trifft. Zwischen den beiden entwickelt sich eine sonderbare Beziehung, derweil die Bösen einen Nahkämpfer auf die Ritter angesetzt haben, den finsteren Sith-Lord Darth Maul, der schwarz-rot angemalt und mit Hörnern ausgestattet ist. Lucas war schon immer ein Freund der unzweideutigen Metaphorik, ebenso wie der illustrativen Details. Was dem Film folglich nicht fehlt, ist eine verschwenderische Ausstattung von Innenräumen und Planetenoberflächen, die sich bei der Antike ebenso wie bei Utopien der Moderne bedient, oft nur sekundenlang zu sehen ist, und der man nur manchmal anmerkt, dass sie weitgehend im Computer generiert wurde. Auch das bewährte naive Konglomerat aus Märchen, Western und Rittermythos, das die „Star Wars“-Filme zu ihren grandiosen Erfolgen geführt hat, erfährt eine Auferstehung. Was dem Film aber fehlt, sind der Charme früherer Teile, schon weil griffige Charaktere wie ein Han Solo nicht vorgesehen sind, ebenso wenig wie jeder Anflug von Humor; auch eine Liebesgeschichte oder sonstige emotionale Spannungsbögen wurden der permanenten Aktion geopfert. Der Kinomythos wird mehr denn je seinem Titel gerecht: ein Kriegsfilm mit grob an der Weltgeschichte orientierten Szenarien, voller endloser Schießereien und Fechtereien – wenn dabei auch kein Blut fließt und überwiegend Roboter zerteilt werden. Science-Fiction ist eine ernste Sache geworden, seit damit in Hollywood das meiste Geld verdient wird.