Die List der Frauen - Keïd Ensa

- | Marokko/Tunesien/Schweiz/Frankreich 1999 | 90 Minuten

Regie: Farida Benlyazid

Die stimmungsvolle Verfilmung eines maurischen Volksmärchens, in dem die kluge Tochter eines reichen Teppichhändlers den hochmütigen Sohn des Sultans in seine Schranken verweist und bändigt. Ein Hohelied auf die Kraft, Klugheit und den Ideenreichtum der Frauen, das die Stellung der Frau in orientalischen Ländern selbstbewusst herausstellt. Auch die erlesene, schauprächtige Inszenierung trägt zum Filmgenuss bei. (O.m.d.U.) - Sehenswert ab 12.
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Filmdaten

Originaltitel
KEID ENSA
Produktionsland
Marokko/Tunesien/Schweiz/Frankreich
Produktionsjahr
1999
Produktionsfirma
Tingitania/Waka Films/Touza Prod./Céphéide Prod.
Regie
Farida Benlyazid
Buch
Farida Benlyazid
Kamera
Serge Palatsi
Musik
Cherrif Mohamed
Schnitt
Kahéna Attia
Darsteller
Samira Akariou (Lalla Aïcha) · Rachid El Quali (der Prinz) · Fatma Ben Saïdane (Dada Mbarka) · Abderrahim Bayga (Bilal)
Länge
90 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 0; f (Originalf.)
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 12.
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Diskussion
Was sich neckt, das liebt sich, sagt der Volksmund. Doch zwischen Aïcha, der ebenso schönen wie klugen Tochter eines reichen Tuchhändlers und Hoflieferanten, und dem hochmütigen Sohn des Sultans wächst sich das anfangs harmlose Geplänkel über die Einzäunung ihrer benachbarten Häuser hinweg zu einem hartnäckigen Kräftemessen mit Folgen aus: Was ist stärker, die List der Frauen oder die der Männer, lautet ihre Streitfrage, worauf der Filmtitel bereits die Antwort gibt. Als der Prinz Aïcha durch eine geschickte Täuschung einen Kuss raubt, will sie ihm mit einem gewagten Streich beweisen, wozu das weibliche Geschlecht fähig ist. Unterstützt von ihrer treuen Dienerin Dada, verkleidet sie sich als schwarze Sklavin aus dem Sudan. Dem obligatorischen sexuellen Verfügen des Prinzen über die Frauen aus Harem und Dienerschaft kommt Aïcha durch ein Schlafmittel in seinen Abendtrank zuvor – und trifft den Bewusstlosen aufs Empfindlichste, als sie ihm den Bart abschneidet, die Zierde seiner Männlichkeit. Im Gegenzug spielt der düpierte Prinz seine gesellschaftliche Machtposition aus. Er macht Aïcha zu einer weiteren seiner Frauen und sperrt sie in ein Verlies ein, bis sie gefügig bereit ist, die Überlegenheit des Mannes im Allgemeinen und des Prinzen im Besonderen anzuerkennen. Doch hat er Aïchas Gewitztheit und Beharrlichkeit gewaltig unterschätzt. Ohne dass er weiß, wie ihm geschieht, macht sie ihn mit List zum dreifachen Vater.

Mit ihrer stimmungsvollen Verfilmung des Märchens von der pfiffigen Händlerstochter Lalla Aïcha, das schon den spanischen Dichter Federico García Lorca begeisterte, entführt die marokkanische Filmemacherin Farida Benylazid ins mittelalterliche Andalusien unter maurischer Herrschaft. Dabei gelingt ihr eine schwierige Gratwanderung. Zum einen befriedigt „Die List der Frauen“ die Schaulust und die Sehnsucht nach einer orientalischen Märchenwelt, entsprungen wie aus Tausendundeiner Nacht, voller schöner Menschen und beeindruckender Landschaften, reich an erlesenen Kostümen, sinnlichen Tänze und anmutigen Gesängen. Der Faszination dieser Inszenierung kann man sich kaum entziehen, und sie überbrückt auch größere, sich herkömmlicher Dramaturgie entziehende Sprünge in der Handlung, die nicht durch Inserts geglättet werden. Zum anderen steht diese Ebene nicht der erzählten Emanzipations- und Selbstbehauptungsgeschichte im Wege, sondern entpuppt sich sogar kluge Verpackung, die den Filmgenuss verdoppelt. Denn am Parabelcharakter von „List der Frauen“ lässt die 1948 in Tanger geborene, in Paris ausgebildete Regisseurin keinen Zweifel. Mittels einer hinzugefügten Rahmenhandlung schlägt sie den Bogen in die Gegenwart und lässt eine im heutigen Marokko lebende Mutter ihrer pubertierenden Tochter die Geschichte von Lalla Aïcha erzählen, die Benylazid selbst als Kind von ihrer Stiefmutter hörte: „List ist für mich eine Form der Intelligenz. In einer patriarchalen Gesellschaft wie der arabischen ist sie oft die einzige Möglichkeit für Frauen, ihre Wünsche und Ziele zu erreichen. Über die Jahrhunderte hinweg entwickelten und bewahrten die Frauen so eine eigene Kultur, die mündlich weitergegeben wurde: Erzählungen, Lieder, Tänze. Diese Kultur der Frauen zeige ich.“ Die Kraft, Klugheit und der Ideenreichtum, aber auch die schließliche Versöhnlichkeit von Lalla Aïcha werden zum Vorbild erhoben für den Umgang mit dem vermeintlich stärkeren Geschlecht. Die Frauen, so im Kern die Botschaft der moralischen Erzählung, sollen sich auf ihre genuinen Stärken besinnen statt männlichem Verhalten nachzueifern. Gleichzeitig geht es darum, ein anderes Bild der so genannten Drit-te-Welt-Länder jenseits von Armut und Elend zu zeigen. So situiert die Regisseurin die Rahmenhandlung in einem modern eingerichteten marokkanischen Jugendzimmer mit Computer auf dem Schreibtisch und Postern von Teenie-Idolen an der Wand. Man kann ihr dies sowie die keineswegs klischeefreie Inszenierung der märchenhaften Orientwelt als Anbiederung an westlichen Geschmack und Erwartungen vorwerfen; vielleicht aber gehört das ja auch zur geforderten List der Frauen.
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