Der Schatz (1923)

- | Deutschland 1923 | 80 Minuten

Regie: Georg Wilhelm Pabst

Modernes Anti-Märchen um einen Glockengießer, der mit einem Gesellen in den Gemäuern seines Hauses nach einem alten Schatz sucht. Konkurrenz bekommen sie von einem jungen Goldschmied, der sich in die Tochter des Hauses verliebt und im Gegensatz zu den beiden seine Suche mit wissenschaftlichen Mitteln betreibt. Ein lange Zeit unterschätztes Melodram von G. W. Pabst, das in seiner restaurierten, mit der Originalmusik eingespielten Fassung durch ambitionierten Kunstanspruch überzeugt. Einer der großen deutschen Kammerspielfilme, zugleich eines der letzten Werke des Expressionismus. - Sehenswert ab 14.
Zur Filmkritik

Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
1923
Produktionsfirma
Froelich Film
Regie
Georg Wilhelm Pabst
Buch
Willy Hennings · Georg Wilhelm Pabst
Kamera
Otto Tober
Musik
Max Deutsch
Darsteller
Albert Steinrück (Svetocar Badalic) · Lucie Mannheim (Beate) · Ilka Grüning (Anna) · Werner Krauß (Svetelenz) · Hans Brausewetter (Arno)
Länge
80 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 6
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Externe Links
IMDb | TMDB

Heimkino

Bemerkenswert ist die DVD vor allem wegen der restaurierten Fassung des Films mit der Premie-ren-Musik von Max Deutsch, wegen des Audiokommentars von Hermann Kappelhoff und Marek Bringezu sowie des Features mit dem Dirigenten der Neueinspielung (24 Min.) und der Dokumentation "Die Schatzsucher" (30 Min.). Die Edition ist mit dem Silberling 2007 ausgezeichnet.

Verleih DVD
Kinowelt (FF, DD2.0 dt.)
DVD kaufen

Diskussion
Wer beim Festival in Karlsbad 1999 der Uraufführung der restaurierten Fassung von Pabsts Erstlingsfilm „Der Schatz“ erlebte, erfuhr den in der Beschäftigung mit Filmgeschichte seltenen, aber ungemein anregenden Moment einer kollektiven Neubewertung. Die Begeisterung, die sich über Pabsts bislang einhellig als Nebenwerk eingestuftes Kammerspiel entlud, konnte nicht allein durch die nunmehr zu 90 Prozent perfekte Bildqualität der vom Tschechischen Filmarchiv betreuten Restaurierung stimuliert worden sein. Zwar geben die nuancierten Grauabstufungen der viragierten Prager Nitrokopie ein in doppeltem Sinne nuancierteres Bild dessen wieder, was in den harten Schatten der bisher zirkulierenden Kopie als rauer Spätexpressionismus angesehen werden mochte, aber die Musik des nur in Fachkreisen bekannten Schönberg-Schülers Max Deutsch än derte das Bild des Films vollkommen. „Der Schatz“ ist jetzt ein anderer, weit reicherer und differenzierterer Film als ihn Siegfried Kracauer („dieses langweilige und unpersönliche Produkt!“) und Lotte Eisner (die lediglich die expressionistischen Gestaltungsmittel rühmt) gesehen haben. Schon in der Stummfilmzeit war es alles andere als obligatorisch, die wenigen kostspielig in Auftrag gegebenen Originalmusiken auch tatsächlich zu hören, wenn man nicht gerade eines der Premierenkinos besuchte. So ist man heute in der privilegierten Situation, den Film unter Bedingungen kennen zu lernen, die selbst für Zeitgnossen außergewöhnlich waren.

Werner Krauß spielt in dem bitteren modernen Märchen einen Glockengießer, der in seiner höhlenhaft-mysterienträchtigen Behausung (Bauten vom expressionistischen Duo Herlth und Röhrig) nach einem dort im Jahr 1684 versteckten Schatz sucht. Die Hilfsmittel seiner Recherche sind mittelalterlich-mythisch: Alte Bücher und eine Wünschelrute sollen ihm den Weg weisen. Ein junger Goldschmied, der mit seiner Tochter angebändelt hat, ist ebenfalls auf der Suche nach dem ominösen Schatz, doch er lässt sich ganz von der Logik leiten: Statik und Mathematik und die vernunftbedingte Erkenntnis, dass nur die gebäudetragenden, mittelalterlichen Mauern als Versteck in Frage kommen können, lassen ihn fündig werden. Doch da hat sein Arbeitgeber, der gemeinsam mit dem Gesellen gräbt, seine Tochter schon gegen des sen Anteil verschachert. Grund genug für das wahre Liebespaar, die Flucht zu ergreifen, zumal das Haus samt Schatz in Schutt und Asche versinkt. Schon aus der Geschichte wird der Gleichnischarakter dieses Anti-Märchens deutlich – materieller Besitz ist ein erstrebenswertes, aber ersetzbares Gut, denn es ist in erster Linie das Denken, die Logik, die ein Überleben durch das Überwinden überkommener Mythen ermöglicht. Klaus Kreimeier interpretierte die märchenhafte Ausgangsidee und den expressionistischen Stil als zu überwindende Altlast, derer sich Pabst mit seinem modernen, von Hans Brausewetter verkörperten Helden konsequent entledigt. Dieses Modell erklärt das Unvergnügen, das der Film jenen Kritikern bereitete, die nur das Expressionistische in ihm sehen wollten, weist aber auch konsequent auf Pabsts spätere Entwicklung zum führenden Meister der filmischen Neuen Sachlichkeit hin. Die wieder gefundene, als nahezu einzige historische Originalmusik in der ursprünglichen Instrumenierung erhaltene Partitur macht diesen Sachverhalt um einiges komplexer. Max Deutsch komponierte in Kenntnis der Moderne eine vormodernistische Musik; er behandelt tradierte Elemente wie Volksmusikthemen in einer dekonstruktiven Weise, die diese einerseits in ihren tradierten Kontext verweist und ihnen ihre emotionsstiftende Aura erhält, sie andererseits aber als Spielmaterial einer sich ihrer bemächtigenden Moderne verfügbar macht. Dabei beantwortet er durchaus das emotionale Potential in einer weit über die Dogmen der Neuen Musik hinausgehenden Weise. Ob man dies als Beleg für die modernistische, mythenfeindliche Lesart des Films wahrnehmen möchte oder aber als positive Verstärkung eines ernst gemeinten Expressionismus, ist letzlich gleichgültig: In jedem Fall bereichert die farbige, in ihrer reichen, durch Klavier und Perkussion den sinfonischen Klangkörper immer wieder aufbrechenden, schillernden Instrumentierung den psychologischen Konflikt des in seinem Kunstanspruch imponierenden Films. „Der Schatz“ ist einer der großen deutschen Kammerspielfilme; durch die einzigartige Begleitmusik – nur Erdmanns „Nosferatu“-Sinfonie ist als vergleichbares Werk erhalten – gibt er ein einmaliges Zeugnis vom ambitionierten Kunstanspruch dieser die 20er-Jahre zwar nicht ökonomisch, aber künstlerisch prägenden Spielart des deutschen Films.
Kommentar verfassen

Kommentieren