Topsy-Turvy - Auf den Kopf gestellt

Biopic | Großbritannien 1999 | 154 Minuten

Regie: Mike Leigh

Ein Blick hinter die Kulissen des Musiktheaters: 1884 kommt es zum schweren Konflikt zwischen dem Komponisten Arthur Sullivan und seinem Librettisten William Gilbert, die mit ihren Singspielen die Londoner Theater dominierten. Nachdem sie sich über eine ernste Oper entzweiten, stellt sich mit einer japanisch inspirierten Burleske neuer Erfolg ein. Ein ausgesprochen moderner Historienfilm über das Theater am Theater, der nicht nur die Entstehung eines Bühnenwerks beschreibt, sondern auch bittere zwischenmenschliche Erfahrungen thematisiert. Durch den humanen Blick des Regisseurs entsteht keine Distanz zu den Figuren, sondern der Zuschauer wird im Gegenteil an die Menschen und ihre Beweggründe heran geführt. - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
TOPSY-TURVY
Produktionsland
Großbritannien
Produktionsjahr
1999
Produktionsfirma
Thin Man Films/The Greenlight Fund
Regie
Mike Leigh
Buch
Mike Leigh
Kamera
Dick Pope
Musik
Carl Davis
Schnitt
Robin Sales
Darsteller
Jim Broadbent (William Schwenk Gilbert) · Allan Corduner (Arthur Sullivan) · Lesley Manville (Lucy Gilbert) · Eleanor David (Fanny Ronalds) · Ron Cook (Richard D'Oyly Carte)
Länge
154 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 0
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Biopic | Musikfilm
Externe Links
IMDb | TMDB

Diskussion
Mike Leighs „Topsy-Turvy“ ist ein Historienfilm, der bei allem Spott und scharfen Sarkasmus vor allem wohl formuliert daherkommt. Der Komponist Arthur Sullivan und der Librettist William Gilbert brachten von 1871 bis 1896 eine Reihe ausgesprochen erfolgreicher Operetten auf Londoner Bühnen. Gilbert & Sullivan waren Könige der leichten, populären Unterhaltung, vielleicht mit dem Musical-König Andrew Lloyd Webber und seinem Texter Tim Rice zu vergleichen. „Topsy-Turvy“ konzentriert sich auf einen Produktionszyklus von Januar 1884 bis März 1885, von der Premiere der „Princess Ida“ bis zu der von „The Mikado“ in ihrem Stammhaus, dem Savoy Theater. Schlechte Kritiken zu „Princess Ida“ lösen bei Sullivan künstlerischen Überdruss und Selbstzweifel aus: Er will nach 20 Jahren Leichtigkeit endlich eine ernste Oper, ein großes Werk schreiben. Der etwas einfältige wirkende Gilbert versteht erst nicht, schreibt eine weitere simple Komödie, die Sullivan brüsk zurückweist. Erst als er zufällig eine Japan-Ausstellung besucht, kommt die Inspiration für etwas Neues. Im zweiten Teil des Films wird nun die Entwicklung des japanischen Stücks „The Mikado“ Schritt für Schritt verfolgt. Der Konflikt zwischen Gilbert und Sullivan tritt zurück, viele Beteiligte kommen ins Spiel, Sullivans Begeisterung steckt an, die Handlung gewinnt an Tempo. Bei den Sprechproben bügelt Gilbert Fehler mit unvergleichlich freundlichem Sarkasmus aus, die Schwierigkeiten der eitlen Schauspieler mit Kleidung und Korsett werden ebenso gemeistert wie die letzten Probleme vor der Premiere. Die Burleske einer Japan-Oper wird zum großen Erfolg. Die Reize des Films sind vielfältig und reichen von den vielen eingängigen Liedern über die üppige Ausstattung bis zu den geschliffenen Dialogen exzellenter Darsteller, die oft schon in anderen Filmen Mike Leighs zu sehen waren. Ein Film über das Theater am Theater ist stets auch eine Reflexion über das Entstehen eines Werkes, sei es Bühne oder Film. Das wird spätestens klar, wenn bei den Bühnen-Proben über „Decoupage“ – also Schnitt – gesprochen wird. Der Film- und Theaterregisseur Leigh verpackt in die Kulissen eine Betrachtung der historischen Epoche, die ausgesprochen modern wirkt. Aus der hübschen Verpackung taucht immer wieder das Leiden an der typisch britischen Zurückhaltung auf. Der Streit zwischen Gilbert und Sullivan eskaliert erst nach vielen hervor gepressten Höflichkeiten. So erscheint auch der Film: Das Bittere sickert langsam durch die Kulissen, die vordergründige Misanthropie aus „Nackt“ (fd 30 631) ist hier verhüllt, denn auch in „Topsy-Turvy“ werden die Menschen bloßgestellt. Leigh wartet bis zur letzten Szene, um Gilberts einsames Leiden in der Ehe zu offenbaren. So entmenschlicht die Härte in Leighs Blick letztlich nicht, sondern führt näher zu den Menschen.
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