Ein perfekter Ehemann

Komödie | Großbritannien 1999 | 98 Minuten

Regie: Oliver Parker

London 1895: Ein junger Staatssekretär wird von einer Geschäftsfrau erpresst. Als Gegenleistung für ihr Schweigen über ein lange zurückliegendes Korruptionsvergehen, dem er seinen Wohlstand und politischen Aufstieg verdankt, fordert sie seine parlamentarische Unterstützung für ein fragwürdiges Kanalbauprojekt, in das sie investierte. Sein inneres Ringen im Zwiespalt zwischen Macht- und Moralanspruch entzündet ein komplexes amouröses Intrigenspiel mit vielen Beteiligten. Gelungene, kinogerechte wie zeitgemäße Adaption des gleichnamigen Bühnenstücks von Oscar Wilde, die sowohl dessen einzigartige Sprachkunst (im englischen Original) als auch die zeitlose Gesellschaftskritik transportiert und dabei glänzend unterhält. Hervorragend besetzt und gespielt. - Sehenswert ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
AN IDEAL HUSBAND
Produktionsland
Großbritannien
Produktionsjahr
1999
Produktionsfirma
Fragile Film/Icon Productions/Pathe Pictures/The Arts Council of England/Miramax
Regie
Oliver Parker
Buch
Oliver Parker
Kamera
David Johnson
Musik
Charlie Mole
Schnitt
Guy Bensley
Darsteller
Cate Blanchett (Gertrude Chiltern) · Rupert Everett (Arthur Goring) · Minnie Driver (Mabel Chiltern) · Julianne Moore (Mrs. Cheveley) · Jeremy Northam (Robert Chiltern)
Länge
98 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Genre
Komödie | Literaturverfilmung
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
Kinowelt (16:9, 1.85:1, DD5.1 dt.)
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Diskussion
London, 1895: Zum Höhepunkt der Saison lädt das prominenteste Polit-Pärchen der Stadt, die Frauenrechtlerin Lady Gertrude Chiltern und ihr Ehemann Sir Robert, Staatssekretär im Auswärtigen Amt, zum feierlichen Empfang in ihrem Anwesen. Doch kaum sind die obligatorischen Schmeicheleien und Komplimente ausgetauscht, wird Robert noch vor dem Dinner von der aus Wien angereisten Mrs. Laura Cheveley mit einem ganz und gar unappetitlichen Anliegen erpresst: Sollte er bei seiner Parlamentsrede am nächsten Tag nicht entgegen seiner Überzeugung für das von ihr finanziell unterstützte argentinische Kanalprojekt stimmen, lüfte sie das dunkle Geheimnis um seinen politischen und gesellschaftlichen Aufstieg. Als Robert zunächst empört ablehnt, zaubert sie einen Brief aus der Tasche, der ihn tatsächlich als Verräter eines Kabinettsgeheimnisses an Baron Arnheim, einen privaten Investor beim lange zurückliegenden Suezkanalbau, überführt. Um seine berufliche und private Existenz fürchtend, willigt der bislang für seine besondere Ehrlichkeit und Integrität berühmte Vorzeige-Politiker in den schmutzigen Deal ein – allerdings nur solange, bis er seiner inzwischen über seine Meinungsänderung informierten Ehefrau in die Hände gerät, die ihm mit schwerem moralischen Geschütz zu einer erneuten Kehrtwendung zwingt. Verzweifelt wendet sich Robert an seinen besten Freund Lord Arthur Goring und gesteht ihm die ganze Geschichte. Arthur, der bis auf seinen notorisch über seine Nichtsnutzigkeit nörgelnden Vater Lord Caversham von allen geliebte Vollblut-Dandy, trifft sich daraufhin mit seiner Ex-Verlobten Mrs. Cheverley, die ihm eine Wette vorschlägt: Wenn Robert seinen Prinzipien treu bleibt und das Kanalprojekt im Parlament wie geplant ablehnt, wird sie den diskreditierenden Brief an Arthur zurückgeben – andernfalls muss dieser sie auf der Stelle heiraten.

Im Hause Chiltern ist derweil die Bombe geplatzt: Von ihrer skrupellosen Ex-Schulkameradin Laura über das gesamte grausame Ausmaß der Sünde ihres vermeintlich „idealen“ Mannes unterrichtet, setzt die gestrenge Gertrude ihren Robert kurzerhand vor die Tür und schreibt ihrerseits eine leicht als amouröses Angebot missverständliche Notiz an Arthur, in der sie ihn um ein geheimes Treffen unter vier Augen bittet. Doch bevor es dazu kommt, wird der „Liebesbrief“ von der erneut Morgenluft witternden Mrs. Cheveley gestohlen und an Robert weitergeleitet. Während nun ganz London der Rede des Staatssekretärs am Abend entgegenfiebert, bedarf es Arthurs gesamter Clever- und Coolness, um den ihn umgebenden Intrigendschungel zu lichten und am Ende schließlich auch sein privates Liebesglück an der Seite der ihm seelenverwandten Schwester Roberts, Miss Mabel, zu finden.

Das am 3. Januar 1895 am Londoner Royal Theater (Haymarket) mit großem Erfolg uraufgeführte Stück „An Ideal Husband“ gilt nicht nur aufgrund der offensichtlichen Anspielungen auf die bis heute nicht restlos aufgeklärten finanzpolitischen Beziehungen zwischen dem englischen Premierminister Benjamin Disraeli und dem Baron Lionel de Rothschild beim Ankauf der Suezkanalaktien im Jahr 1875 als politischste unter Wildes Gesellschaftskomödien. Vor allem im antibürgerlich-abgeklärten Verhalten und in den ironisch-sarkastischen Kommentaren der schillernden Außenseiter-Figur des radikal individualistischen und freidenkenden Dandy Goring – hier brillant verkörpert von Rupert Everett – wird in Grundzügen immer wieder Wildes Kritik an den politischen und gesellschaftlichen Umständen des viktorianischen Zeitalters, insbesondere an der zunehmenden Verflechtung von Politik und Hochfinanz deutlich, die er 1891 in seinem Essay „The Soul of Man under Socialism“ ausführlich formulierte. In Wildes nach eigenen Aussagen „bestem“ (und wie die Demontage des konservativen Londoner Bürgermeisterkandidaten Lord Archer vor einigen Wochen zeigt, auch heute noch aktuellem) Stück lassen sich auch biografische Hintergründe ausmachen – etwa in der Erpresserproblematik: War Wilde nach seinem späten Coming out in England schon durch den die Homosexualität unter Strafe stellenden Criminal Law Act von 1885 zu einem riskanten Doppelleben gezwungen, so wurde er ab 1893 Opfer von Erpressern, denen einigen seiner Briefe an seinen jungen Liebhaber Lord Alfred „Bosie“ Douglas in die Hände geraten waren.

Dem zweigleisig arbeitenden Film- und Theaterregisseur Oliver Parker, dessen Shakespeare-Adaption „Othello“ (fd 31 853) in erster Linie an einer allzu statischen, theatralischen Inszenierung scheiterte, gelingt hier dank vielfältiger Schauplatzwechsel, einer äußerst agilen Kamera und einer variationsreichen Montage die kinogerechte, moderne Umsetzung eines zweifelsohne nicht einfach zu bewältigenden Bühnenstoffes. Einige Kürzungen resp. Ergänzungen des Originaltextes und inhaltliche Veränderungen – Chilterns flammende Parlamentsrede ist im Film tatsächlich auch zu sehen – sowie die gegenüber dem Stück unterschiedliche Gewichtung einzelner Charaktere – die von Minnie Driver gespielte Mabel Chiltern rückt zugunsten der Liebesgeschichte mit Lord Goring mehr in den Vordergrund – gehen weder zu Lasten der sprachlichen Raffinesse noch der gesellschaftskritischen zeitlosen Botschaft Wildes. Dabei kann Parker auch auf ein bis in die kleinsten Nebenrollen exzellent besetztes und grandios aufspielendes Schauspielerensemble bauen.
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