The Green Mile

- | USA 1999 | 188 Minuten

Regie: Frank Darabont

Die Erinnerung eines früheren Gefängnisaufsehers, der im Zellenblock der Zum-Tode-Verurteilten auf einen scheinbaren Kindesmörder trifft, der über die Kraft verfügt, Krankheiten zu heilen und Lebewesen vor dem Tod zu bewahren. Der extrem breit angelegte Film widersetzt sich zwar erfolgreich der hektischen Dramaturgie des heutigen Hollywoods, versteht die metaphysische Komponente jedoch nicht zu mehr als emotionaler Ergriffenheit zu nutzen. Nach einem Fortsetzungsroman von Stephen King. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
THE GREEN MILE
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
1999
Produktionsfirma
Paramount
Regie
Frank Darabont
Buch
Frank Darabont
Kamera
David Tattersall
Musik
Thomas Newman
Schnitt
Richard Francis-Bruce
Darsteller
Tom Hanks (Paul Edgecomb) · David Morse (Brutus "Brutal" Howell) · Bonnie Hunt (Janice Edgecomb) · Michael Clarke Duncan (John Coffey) · James Cromwell (Hal Moores)
Länge
188 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Externe Links
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Heimkino

Die Standard Edition (DVD) enthält keine bemerkenswerten Extras. Die Special Edition (2 DVDs, identisch mit der Premium Edition) enthält indes u.a. ein Feature mit zwei im Film nicht verwendeten Szenen (4 Min.), einen immens informativen Audiokommentar von Regisseur Frank Darabont sowie die abendfüllende Dokumentation: „Der Hauch des Mysteriösen - Die Entstehung von The Green Mile“ (102 Min.). Die Special Edition ist mit dem Silberling 2006 ausgezeichnet; sie ist vergleichbar mit der Standard BD Edition von 2008. Die BD "15th Anniversary Edition" enthält zu den besagten Extras noch die erhellende Dokumentation: "Walk The Mile" (96 Min.). Diese BD Edition ist mit dem Silberling 2014 ausgezeichnet.

Verleih DVD
Warner (16:9, 1.85:1, DD5.1 engl./dt.)
Verleih Blu-ray
Warner (16:9, 1.78:1, TrueHD engl., DD5.1 dt.)
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Diskussion
Frank Darabonts Film „Die Verurteilten“ (fd 31 221) erfreut sich heute, fünf Jahre nach seiner Entstehung, in den USA eines geradezu singulären Kult-Status. Der Regisseur, der so viel Feingefühl im Umgang mit der Vorlage des hauptsächlich für seine Horror-Storys bekannten Schriftstellers Stephen King bewiesen hatte, lehnte in der Folgezeit alle Filmangebote ab. Er habe sich nicht mit „Stirb langsam“-Stoffen prostituieren wollen, sagt er. Als jedoch Kings 1996 in Fortsetzungen veröffentlichter Roman „The Green Mile“ auf ihn zu kam, machte sich Darabont gleich an die Arbeit. In wenigen Wochen kondensierte er die sechs Teile des Romans zu einem Drehbuch, das er sodann im Studio mit der gleichen Behutsamkeit und Gemächlichkeit auf Film umsetzte, mit denen er bereits „Die Verurteilten“ auf die Leinwand gebracht hatte. Die Mehrzahl der amerikanischen Zuschauer und Kritiker stöhnte unter dem Gewicht und der Langsamkeit des Films. Kenneth Turan fasste die Reaktionen in der „Los Angeles Times“ in dem Satz zusammen: „Der Film bewegt sich mit der erstickenden Bedächtigkeit eines Stroms von Melasse.“ Frank Darabonts „The Green Mile“ bringt es in der Tat auf eine Vorführdauer von 188 Minuten. Dabei erzählt er eine Geschichte, deren Fakten sich mühelos in der Hälfte der Zeit übermitteln ließen. Doch wie schon bei „Die Verurteilten“ ist Darabont weniger an den Ereignissen interessiert als an den Reaktionen der Menschen. Diese allerdings lassen sich mit der hektischen Dramaturgie heutiger Hollywood-Filme kaum noch glaubwürdig artikulieren. Bei ihm bekommen sie Zeit, sich allmählich zu entfalten. Und mit einem Hauptdarsteller wie Tom Hanks ist es durchaus vorstellbar, dass sich auf Darabonts insistierende Art ungeahnte Perspektiven erschließen könnten.

Stephen Kings Roman ist voll von solchen Perspektiven. Abermals spielt fast die ganze Geschichte hinter Zuchthausmauern. Paul Edgecomb erzählt sie als wortwörtlich uralter Mann. Der Film fängt die schmerzlichen Erinnerungen des einstigen Gefängnisaufsehers in einer ausladenden Rückblende ein. Es war im Jahre 1935, als Paul in Louisianas „Cold Mountain Penitentiary“ die Aufsicht über jene Zellenflucht führte, die man „The Green Mile“ nannte. Doch erwarteten die Zum-Tode-Verurteilten ihre Hinrichtung auf dem Elektrischen Stuhl. Wie man in mehreren Szenen des Films zu sehen bekommt, entsprach die Einrichtung, mit der die Verurteilten damals vom Leben zum Tod befördert wurden, noch keineswegs den „humanen“ Minimalvoraussetzungen späterer Jahre. Es war eine grauenhafte, entwürdigende und schmerzhafte Prozedur, der sich die Todeskandidaten unterziehen mussten - nicht nur dann, wenn ein sadistischer Wärter den zuvor minuziös eingeübten Ablauf vorsätzlich störte. Einziges Symbol einer vor den Mauern zurückgelassenen Menschlichkeit ist bezeichnenderweise eine kleine Maus, die einer der Gefangenen auf Zirkusfertigkeit zu dressieren vermochte. Da wird eines Tages ein gigantischer Schwarzer in den Todesblock überstellt, der wegen der scheinbaren Vergewaltigung und Ermordung zweier Kinder verurteilt ist: ein in sich gekehrter Hüne, selbst mit dem treuherzigen Blick eines Kindes und der Scheu und Ängstlichkeit einer lebenslang geschundenen Kreatur. Mit dessen Gegenwart gewinnt die Story allmählich den Einstieg in eine andere Dimension. John Coffey - so heißt der Schwarze - besitzt die Qualitäten eines Heilers. Zuerst umspannen seine riesigen, kräftigen Hände Pauls von schmerzhaften Infektionen heimgesuchten Unterleib - mit dem Ergebnis, dass Paul seine Frau in der folgenden Nacht gleich viermal über die lange Enthaltsamkeit hinwegtrösten kann. Dann erweckt Coffey die von dem sadistischen Gefängniswärter totgetretene Maus zu neuem Leben. Und schließlich befreit er die Frau des Direktors von einem inoperablen Gehirntumor.

Stephen King hat sich viel vorgenommen mit dieser Geschichte. Rassismus, Justizirrtum und Todesstrafe reichen ihm als Thema allein nicht aus. Wie so oft in seinen Romanen kommen bald Existenz und Wirken des Bösen sowie der Glaube an Wunder hinzu. Man muss Frank Darabont bestätigen, dass er einer der wenigen Regisseure ist, denen es gelingt, hinter Kings Effekthascherei zu leuchten und aus der Mixtur von Klischee und Anspruch jene Charakteristika herauszufiltern, die Kings mit Millionenerfolgen belohnte Eigenheit ausmachen. Darabonts Hang zu langsamen, schrittweisen Entwicklungen prädestiniert ihn dazu, die spirituelle Seite der Story ins rechte Licht zu rücken. Er greift dabei auf, was King vorgegeben hat: von der offensichtlichen Christus-Symbolik, die schon in den Initialen des mysteriösen Schwarzen grundgelegt ist, bis zu dem Ritual der Austreibung alles Kranken und Bösen, dessen optische Realisierung allerdings ein bisschen zu sehr nach „Die Mumie“ (fd 33 691) aussieht. Was Darabont bei seiner Adaption des Romans jedoch vernachlässigt hat, sind die Hintergründe, die King den Figuren beizugeben verstand. Dieser Mangel verhindert es, dass sich aus den Prototypen des landläufigen Zuchthausfilms individuellere Charaktere entwickeln könnten und dass die metaphysische Komponente, die zum Schluss der Rahmenhandlung noch einmal besonders dick aufgetragen wird, mehr als ein zu Herzen gehender Effekt wäre. Letztlich gewinnt „The Green Mile“ deshalb auch für jene Zuschauer, die sich auf die breite Erzählweise des Films einzulassen vermögen, nicht die Bedeutung und Aussagekraft, die sie vielleicht erhoffen. Ergriffenheit im Publikum kann man dem Film wohl attestieren, doch dem Anspruch, den Darabont mit jeder Einstellung und jedem Dialog deutlich macht, wird er nicht gerecht.
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