Sammlerglück & Mehrwegflaschen

Dokumentarfilm | Schweiz/Deutschland 1999 | 90 Minuten

Regie: Armin Biehler

Beobachtungen über drei Flaschensammler in Basel, die mit dem Pfandgeld von gefundenen Mehrwegflaschen mehr oder weniger ihren Lebensunterhalt bestreiten. Ein warmherziger Dokumentarfilm voller feinsinnigem Humor, der von der Sympathie für seine Protagonisten getragen wird und sie nicht dem Voyeurismus preis gibt. Der mitfühlende Blick auf das Leben am Rand der Gesellschaft formuliert zugleich eine dezidierte Kritik an der Überflussgesellschaft und ihren Kreisläufen. (O.m.d.U.) - Sehenswert ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
SAMMLERGLÜCK & MEHRWEGFLASCHEN
Produktionsland
Schweiz/Deutschland
Produktionsjahr
1999
Produktionsfirma
biehler.film
Regie
Armin Biehler
Buch
Armin Biehler
Kamera
Thomas Isler
Musik
Thomas Isler
Schnitt
Armin Biehler · Georg Janett
Länge
90 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Genre
Dokumentarfilm
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IMDb

Diskussion
Wer kennt nicht jene häufig etwas abgerissen wirkenden Gestalten, die einen Blick in öffentliche Mülltonnen werfen und mit Plastiktüten voller Pfandflaschen durch die Straßen ziehen? Und wem schießen bei diesem Anblick nicht Worte wie „Penner“ oder „Asi“ durch den Kopf? Der Basler Dokumentarfilmer Armin Biehler hat drei dieser „Gestalten“ mehrere Jahre lang begleitet und sie und ihre Arbeit - denn „Arbeit“ ist ihre Tätigkeit in der Tat, fürs sie, wie der Film im Folgenden belegt - in seinem Werk gewürdigt. Es ist die Normalität im Alltag der Flaschenfischer, die den Filmemacher interessiert; er zeigt Existenzen am Rande der Gesellschaft, die eben von den Abfällen dieser Gesellschaft leben. Den arbeitslos gewordenen Lagerarbeiter, der seine Familie mit dem Pfandgeld durchbringt, und seine Frau, die fast voller Stolz behauptet, sie brauche eigentlich kein Bargeld mehr; oder die Frau aus dem Elsass, die ihre Witwenrente mit dem Flaschengeld aufbessert und darauf besteht, dass sie eine Dame ist; und immer wieder Gottfried von Gunten, ein Original, der Abgerissenste, aber auch Interessante, der von seinem bewegten Leben erzählt und sich nicht nur von dem Flaschengeld ernährt, sondern das Sammeln zur Philosophie gemacht hat. Im Keller einer Bekannten, die ihm Unterschlupf gewährt und mit der er sich auch einen Urlaub am Meer gönnt, hat er ein gewaltiges Flaschenlager zusammen getragen, einen Schatz penibel gesäuberter Flaschen. Dass er sich nie von diesen Flaschen trennen würde, scheint gewiss - ein echter Sammler eben.

Doch diese pittoreske Szene bildet die Ausnahme. Biehler ist nicht am voyeuristischen Aspekt seiner Beobachtungen interessiert, sondern an der Normalität. Er begleitet seine Protagonisten zu den Sammelstellen quer durch die Stadt, sucht mit ihnen Annahmestellen auf, lässt sie über ihr Leben reflektieren und verbindet die Szenen mit feinsinnigem Humor und einer einfühlsamen Montage zu einer stimmigen Einheit, die einen kleinen Kosmos beschreibt. Da kommen auch die Rivalitäten untereinander zur Sprache, schließlich ist jeder Sammler der Konkurrent des anderen, und die Reviere sind nicht abgesteckt. Die größere Konkurrenz stellen allerdings die städtischen Entsorgungsunternehmen dar, schließlich mindert jeder zu spät aufgesuchte Container das Sammlerglück. Immer wieder schneidet Biehler den normalen Weg des Altglases in seinen Film, zeigt gewaltige Scherbenberge, das Zerschreddern von Glas, das Schmelzen. Kurz: den offiziellen „Warenkreislauf“, dem die drei Sammler ein Schnippchen zu schlagen hoffen. Politik von oben und Politik von unten sozusagen. So verdichtet sich sein Film zur komplexen Darstellung einer kapitalistischen Überflussgesellschaft, in der alles, was aus dem Rahmen fällt, automatisch an den Rand gehört, weil der „Betrieb“ eine Störung der Produktionsabläufe nicht eingeplant hat. Es steht außer Frage, wem die Sympathie des Filmemachers gehört, zumal er seine Protagonisten ernst nimmt und sie nicht dem Gespött preis gibt, sondern mit menschlicher Wärme zeichnet. Ein überaus gelungener Dokumentarfilm, der vom Kleinen aus das Ganze reflektiert, sich jedoch nicht in der Attitüde des Nestbeschmutzers gefällt, sondern den Zuschauer seine Schlüsse ziehen lässt.
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