Leben (1998)

Dokumentarfilm | Deutschland 1998/99 | 84 Minuten

Regie: Heide Breitel

Um den Brückenschlag zwischen Leben und Tod zu thematisieren, hat die Filmemacherin ein Sterbehospiz und ein Geburtshaus besucht. Unkommentiert und unhinterfragt stellt sie die Aussagen der Betroffenen - Sterbende, Gebärende, Leiter - vor. Das Ergebnis ist eine pädagogische Dokumentation auf dem Niveau eines Schulfilms, der zur optischen Verklammerung der beiden Ebenen idyllische Naturmetaphern benutzt. Da sich der Film ausschließlich auf einen christlichen Hintergrund bezieht, entsteht ein Missionierungseffekt, der einen durchaus ausschließenden Charakter offenbart, weil er alle anderen Personengruppen ihrem "Schicksal" überlässt.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
1998/99
Produktionsfirma
Provobis/Heide Breitel Filmproduktion
Regie
Heide Breitel
Buch
Heide Breitel
Kamera
Ralf Klingelhöfer
Musik
Uwe Klapdor
Schnitt
Heide Breitel
Länge
84 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 6; f
Genre
Dokumentarfilm

Diskussion
Es ist sicherlich kein falscher Ansatz, den Brückenschlag zwischen Geburt und Tod zu thematisieren. Dies sind immerhin die Eckdaten, die unser aller Leben bestimmen, gleich, wie verschlungen die Verweilwege auf Erden auch sein mögen. Um dieses Spannungsfeld darzustellen, dokumentiert die Filmemacherin Heide Breitel den Alltag in einem Hospiz in der Nähe von Lohmar, in dem hoffnungslos Krebskranke auf ihrem letzten Weg begleitet werden, und stellt diesem ein Geburtshaus in Gießen gegenüber, wo die ersten Schritte ins Leben eingeleitet werden.

Idyllen, so weit das Auge reicht. Scheinbar bemüht man sich in Lohmar nach bestem Wissen und Gewissen, dem Tod seinen Stachel zu nehmen, die Schutzbefohlenen auf ihren letzten Weg vorzubereiten, das Loslassen zu üben und sie anzuleiten, Abschied zu nehmen von ihren Angehörigen. Im Geburtshaus, so scheint es, herrscht eine durchstrukturierte Ideologie. Man will sich, da die Geburt ja ein natürlicher Vorgang ist, gegen „kranke Häuser“ abgrenzen, rechnet die Zahl der Haus- und Geburtshaus-Geburten gegen die der Autogeburten hoch - und bleibt im Defizit. Während auf der einen Seite die Menschen sterben, bereiten sie sich auf der anderen auf den schönsten Augenblick ihres Lebens vor - wobei die sich parallel entwickelnden Lebensabschnitte durch eine eher schlichte Parallelmontage in Zusammenhang gebracht werden. Die visuelle Verklammerung bilden naturidyllische Bildmetaphern, deren Aussagekraft über das Niveau des Schulfilms nicht hinaus reichen.

Gewiss, Heide Breitels Film will helfen, Ängste zu nehmen; doch da sie Idealfälle wählt, die Ausnahme zeigt und nicht die Regel, die Sorge zwar, aber nicht die Not, schönt sie eine Welt, die für die meisten Zuschauer des Films ihre Schattenseiten längst nicht verlieren dürfte. Der krebskranke Obdachlose, der in Lohmar wieder zu Kräften kommt und Aufnahme in einer Familie findet, ist beileibe nicht die Tagesordnung; und die bald vierköpfige Familie, deren Ernährer im Alter von 33 Jahren einen Herzinfarkt erlitt und dennoch voller Gottvertrauen in die Zukunft blickt, ist auch nicht der Regelfall. In diesen Momenten wird dann auch das eigentliche Problemumfeld des formal mehr als biederen Dokumentarfilms deutlich, der nicht mehr als „sprechende Köpfe“ zu bieten hat und sich nach einer anfänglich eher esoterischen Haltung, die nichts, niemanden und keine Aussage hinterfragt, sondern Missionierungsaufgaben übernimmt. Mir ist kein aktueller Film vertraut, der so häufig das Wort „Gott“ ins Feld führt, um von seiner Sendung zu überzeugen. Alle sechs Protagonisten finden, wenn auch über Umwegen, den Weg zu Gott, was ihnen auf ihre jeweils individuelle Art ganz gewiss unbenommen ist; doch der Film missioniert dabei so ungeschickt-plakativ, dass eher ein Umkehreffekt zu befürchten ist. Und wenn das erste und letzte Gebet einer Krebspatientin, die zeit ihres Lebens von Zweifeln geplagt war, auf Filmmaterial gebannt wird, dann zeugt dies nicht unbedingt von Pietät, sondern nähert sich bedenklich Grenzen, die keine Privatheit und kein letztes Geheimnis mehr zulassen.

Auf der anderen Seite wirkt „Leben“ auch insofern kontraproduktiv gegenüber seinen Themen, als er von keiner anderen Lebenshaltung als der „Des-in-Gott-gebettet-Seins“ ausgeht und dadurch bestimmte Zuschauergruppen ausschließt und ihnen den Zugang zum Film unnötig schwer macht. Aber bevor diese bitteren Gedanken greifen können, fliegt schon wieder ein Pfauenauge durchs Bild, lenkt den Blick auf die Schönheit der Schöpfung und den ewigen Kreislauf des Lebens, so zumindest hofft die Regisseurin. Wenn aber ein Mensch stirbt, dann ist dieser Kreislauf - zumindest für Betroffene - erst einmal unterbrochen; und wenn ein Mensch geboren wird, dann findet das Wunder zunächst unter zwei/drei Menschen statt. Für den Überbau und den spirituellen Halt muss, darf und kann jeder selbst sorgen, da braucht es keinen pädagogischen Dokumentarfilm, der vorgibt, die Richtung zu weisen.
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