Fisimatenten

Komödie | Deutschland 1999 | 97 Minuten

Regie: Jochen Kuhn

Ein junger Mann begibt sich auf den argen Weg der Erkenntnis. Er begegnet einem Galeristen, der Fälschungen verkauft, neureichen Kapitalisten sowie einem melancholischen Pastor und entschließt sich, dem Künstlerleben abzuschwören und Banker zu werden. Ironisch-melancholische Komödie, in der der Regisseur seine eigenen Erfahrungen verdichtet und glossiert. Die Blicke auf die zeitgenössische Kunstszene entbehren nicht eines gewissen Sarkasmus, der durch spielerische Eleganz immer wieder gebrochen wird. Die leise, fröhliche Ernsthaftigkeit erscheint als reizvoller Widerpart zur oberflächlichen Event- und Spaßkultur. - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
1999
Produktionsfirma
Next-Film/Saarländischer Rundfunk/arte
Regie
Jochen Kuhn
Buch
Claudia Messemer · Jochen Kuhn
Kamera
Jörg Schmidt-Reitwein
Schnitt
Sabine Jehnert
Darsteller
Maximilian Schell (Poser) · Edgar Selge (Pastor) · Tonio Arango (Edward) · Alexandra Maria Lara (Hanna) · Nezâ Selbuz (Yvonne)
Länge
97 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Komödie
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Diskussion
Vermutlich wird dieser kleine, feine Film kein großes Publikum finden: Für die Spaßgeneration dürfte er zu nachdenklich sein, für die Event-Kultur zu leise, und er steht in Inhalt und Form wohl auch zu sehr gegen den Zeitgeist. Gerade darum sei er allen empfohlen, die weder auf den schnellen Kick noch die brachiale Oberflächlichkeit erpicht sind: Mit „Fisimatenten“ zieht ein Ton ins deutsche Kino ein, der am ehesten mit dem Begriff heiter-philosophischer Gelassenheit gefasst werden könnte; eine Melange aus französischem Esprit und dem melancholischen Witz eines Herbert Achternbusch, und doch etwas ganz Eigenes, Unverwechselbares.

Jochen Kuhn trat bisher vor allem mit Animationen hervor: Collagen aus Realfilmteilen und Übermalungen. An diese Kunst des Übermalens erinnert auch der Beginn: Kuhn zeigt sein Alter Ego, den Künstler Edward, beim Erschaffen eines Bildes, das nie zum Abschluss gebracht, immer wieder verworfen, verändert, überstrichen wird. So ganz ernst ist dieses Ringen des jungen Mannes um Gestalt und Sinn nicht gemeint: Kuhn erhebt sich durchaus lächelnd über sich selbst, wenn er Edward Sätze sagen lässt wie: „Wenn man signiert, resigniert man“ oder „Wenn ich das jetzt lasse, dann ist es doch fertig, dann ist es doch kaputt. Dann ist es nicht vollendet, sondern verendet“. Damit ist Edward Teil einer Personage, die einen ironischen, bisweilen sarkastischen Blick auf die so genannte Kunstszene freigibt: Der unbekannte Meister, der seine fragile „Freiheit“ nur deshalb behaupten kann, weil eine gutmütige Wirtin ihm nicht nur ein Zimmer kostenlos zur Verfügung stellt, sondern ihn auch mit Essen versorgt, und weil ein befreundeter Galerist ihm hin und wieder größere Geldscheine zusteckt. Diesen Galeristen namens Poser spielt Maximilian Schell mit offensichtlichem Vergnügen. In der Tat ist es höchst abstrus und witzig, welche Karrieresprünge ihm ins Drehbuch geschrieben wurden: Zunächst vermehrt Poser seinen Reichtum, indem er mit Fälschungen handelt - täuschend echt wirkenden Picassos oder Dalís, die er vorzugsweise an neureiche Industrielle verhökert - , dann avanciert er zum Kultusminister und wartet bei öffentlichen Auftritten mit Geistesblitzen auf. Wenig später platzt der Schwindel, und er zieht ins Gefängnis ein. Dort entdeckt er sein wahres Wesen, entwirft Selbstbildnisse und ein gezeichnetes Tagebuch, das ihn, nunmehr als „richtiger“ Künstler, wieder in die Galerien zurück bringen könnte. Schell stattet alle Kapitel dieser Biografie mit freundlicher Abgeklärtheit aus; am Ende spielt er dann Schach, im Garten Eden, neben sich eine Gruppe schöner, singender Frauen am Lagerfeuer.

Ähnlich geraten auch andere Personen zu komisch-ironischen Zerrspiegeln der Realität. Dabei besetzte Kuhn konsequent nach Typ: Als Fabrikantenpaar holte er den gewichtigen, gemütlichen Horst Krause und die etwas zickige Desirée Nick. Die Bilder, die das Pärchen von Poser kauft, sind für sie lediglich zur Stärkung der Reputation: Aufmerksamkeit ist alles, was man erringen möchte. Wer in der Gesellschaft etwas darstellen will, muss erst einmal in den Zeitungen stehen, und sei es durch Provokationen. Genau das steckt sowohl hinter einer Party, bei der zu Chopin-Musik sadistische Fotos auf einen Flügel geworfen werden, als auch hinter jenem Vorschlag, den der Neureiche dem Maler macht, als er ihn bittet, sein Haus mit dem Spruch zu besprühen: „Ausländer rein, oder Ausländer raus, oder so was“. Auch die Kirche wird in diesem Reigen absonderlicher Zeitgenossen und -umstände nicht verschont. Sie kommt in Gestalt eines Pastors ins Spiel, der sein Gotteshaus verlassen muss, weil es einem Parkhaus weicht: „Kirche rechnet sich nicht mehr. Die Besucherzahlen sind katastrophal. Das war alles nur eine Frage der Zeit.“ Selbst über eine Privatisierung der Institution wird philosophiert: Das sei in Amerika schon längst gang und gäbe.

Ruhig, fast stoisch und niemals lächelnd geht Tonio Arango als Edward durch den Film, und die Odyssee seiner Figur, ihre „falschen Bewegungen“, verleihen „Fisimatenten“ etwas Traum- und Märchenhaftes. In die Welt geworfen wie Hans im Glück, versucht er zu überleben. Die Idee, sein einziges Bild auszustellen, schlägt fehl: In die kleine, schmuddlige Galerie, die er mietet, verirrt sich kaum jemand, nicht zuletzt, weil gegenüber eine Ausstellung mit modisch verfremdeten Teddybären und Gartenzwergen eröffnet. Nach mehreren Anläufen und einem frustrierenden Besuch im Arbeitsamt kommt Edward zu dem Schluss, er müsse endlich etwas Anständiges machen, und wird Bankberater, mit Cabriolet, voller Brieftasche und einer karrierebewussten Geliebten. Kuhn erzählt diesen „Aufstieg“ parallel zu Posers Entdeckung seiner selbst im Gefängnis. Das ist dramaturgisch geschickt und entbehrt nie jener Ironie, die den Film insgesamt auszeichnet. Sehr genau sind auch die animierten Szenen gesetzt: Zu Beginn überwuchern sie gleichsam die Realhandlung; die Leinwand Edwards wird bildfüllend; jene Gemälde, die aus seinen Träumen und Visionen erwachsen, erstehen per Zeitraffer vor den Augen des Zuschauers. Vielleicht ist diese Ouvertüre der schwerfälligste, womöglich aber nur der ungewöhnlichste Teil: Hier entfernt sich Kuhn am weitesten vom narrativen Erzählfluss, setzt ganz auf Künstlichkeit, Entdeckung, Intuition. Nach dem Auszug aus dem Elfenbeinturm verschwinden die Übermalungen weitgehend aus der Handlung und geben den Raum frei für eine eher konventionelle Stationendramaturgie, um erst wiederzukehren, als Edward seinem Bankchef das Sponsoring des Gefängnismalers Poser anträgt. Keine Frage, wo Edward und sein schönes Modell Hanna ankommen: In genau jenem Garten Eden, in dem der Galerist mit dem Pastor Schach spielt. Und man darf sie durchaus metaphorisch nennen, jene Schildkröten mit Kerzen auf ihren Panzern, die Kuhn ganz groß, in voller Schönheit, ins Bild rückt.
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