Bread and Roses

- | Großbritannien/Spanien/Frankreich/Deutschland/Schweiz 2000 | 110 Minuten

Regie: Ken Loach

Eine von Schleppern in die USA eingeschmuggelte Mexikanerin findet bei der Familie ihrer Schwester in Los Angeles Unterschlupf und einen Job in einer Reinigungsfirma. Dort schließt sie sich einem jungen Gewerkschaftler an und hilft, die ausbeuterischen Arbeitsbedingungen abzuschaffen, ehe sie wegen eines Diebstahls abgeschoben wird. Eine in dokumentarischem Handkamera-Stil gedrehte hoffnungsvolle Utopie über die Kraft des Einzelnen und die Solidarität mit Entrechteten, authentisch gespielt von professionellen wie von Laiendarstellern. Auf den ersten Blick "altmodisch", trifft der Film genau die Balance zwischen engagiertem Thesenstück und unterhaltsamem Politkino. - Sehenswert ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
BREAD AND ROSES
Produktionsland
Großbritannien/Spanien/Frankreich/Deutschland/Schweiz
Produktionsjahr
2000
Produktionsfirma
Parallax Pictures/Road Movies/Tornasol Gilms/Alta Films
Regie
Ken Loach
Buch
Paul Laverty
Kamera
Barry Ackroyd
Musik
George Fenton
Schnitt
Jonathan Morris
Darsteller
Pilar Padilla (Maya) · Adrien Brody (Sam) · Elpidia Carrillo (Rosa) · Jack McGee (Bert) · Monica Rivas (Simona)
Länge
110 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Externe Links
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Heimkino

Die Erstauflage der DVD (2005) ist nur innerhalb der Box "Ken Loach Sammler Edition" erschienen.

Verleih DVD
epix (16:9, 1.66:1, DD5.1engl., DD2.0 dt.)
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Diskussion
Seit über 30 Jahren legt Ken Loach nun schon mit engagierter Beharrlichkeit seinen Finger in die sozialen „Wunden“ unserer Gesellschaft, ergreift mit seinen Filmen Partei für die Entrechteten dieser Welt. Nach zwei Ausflügen in die große Politik, in denen er den Bürgerkrieg in Spanien („Land and Freedom“, fd 31 553) und Nicaragua („Carlas Song“, fd 32 739) thematisierte, ist er nun zu seinem Lieblingsthema zurückgekehrt: dem Kampf der Arbeiterklasse um ihre elementarsten Rechte. Dennoch betritt er mit „Bread and Roses“ filmisches Neuland, drehte zum ersten Mal in den USA und bekam gleich die Macht des Kapitals zu spüren: Als er in Los Angeles mit Genehmigung der Behörden eine Straßendemonstration inszenierte, versuchten leitende Angestellte umliegender Büro-Hochhäuser, die Dreharbeiten zu stören und drohten einem kooperativen Kollegen mit der „Schwarzen Liste“. „Bread and Roses“ basiert auf einer tatsächlichen Begebenheit und erzählt vom Kampf des meistens aus lateinamerikanischen Einwanderern bestehenden Reinigungspersonals für gerechte Löhne und soziale Absicherung. Die Situation der Arbeiter hatte sich seit 1982 drastisch verschlechtert. Bekamen sie damals noch 8,5 Dollar Stundenlohn plus Krankenversicherung, Urlaubs- und Krankengeld, fiel der Lohn bis 1999 auf 5,75 Dollar ohne soziale Leistungen. Schamlos hatten die Arbeitgeber den oft illegalen Status ihrer Beschäftigten ausgenutzt. Ein „Kavaliersdelikt“ im reichsten Land der Erde, in dem 40 Mio. Menschen nicht krankenversichert sind. Loach verknüpft den authentischen Hintergrund mit einer emotional anrührenden Handlung: Die junge Maya lässt sich über die mexikanische Grenze schleusen, entgeht knapp einer Vergewaltigung durch die Menschenschmuggler und landet in der Familie ihrer Schwester Rosa, die schon seit Jahren in Los Angeles lebt und mit einem arbeitslosen, weißen Diabetiker verheiratet ist. Ohne ihren Job bei einer Reinigungsfirma könnten sie ihre beiden Kinder kaum ernähren, geschweige denn die teure Medizin bezahlen. Rosa besorgt Maya eine Anstellung in ihrer Firma, wo sie sich mit Ruben anfreundet, der seinen Verdienst für die Einschreibgebühren an der Universität spart. Auch der Gewerkschafter Sam fasziniert sie, der die Belegschaft agitiert, sich gegen die unzumutbaren Arbeitsbedingungen zu wehren. Doch Rosa verrät ihre Kollegen und provoziert so auch die Entlassung Unbeteiligter wie Ruben. Die ebenfalls gefeuerte Maya raubt daraufhin eine Tankstelle aus, damit Ruben seinen Studienplatz nicht verliert und schließt sich den Streikenden an. Von der Polizei in Gewahrsam genommen, erfahren die Arbeiter im Gefängnis, dass die Bosse ihre Forderungen akzeptiert haben. Für Maya gibt es kein Happy End: Sie wird des Raubes überführt und abgeschoben. Der dokumentarische Blick, mit dem Loach die Zuschauer gleich zu Beginn in die Handlung hineinzieht, indem er mit wackliger Handkamera Maya bei ihrem illegalen Grenzübergang begleitet, fasziniert während des ganzen Films. Immer bleibt die Kamera nahe an den Personen, liest in ihren Gesichtern und vermittelt Emotionen, denen man sich nicht entziehen kann: die hilflosen Versuche einer wegen Zuspätkommens entlassenen Arbeiterin, ihren Vorgesetzten doch noch umzustimmen, das Schweigen ihrer daneben stehenden Kollegen oder die Genugtuung, als Sam einem Rechtsanwalt den „goldenen Truthahn“ für sein ausbeuterisches Handeln überreicht. „Bread and Roses“ wirkt auch deshalb so authentisch, weil Loach erneut die Rollen sowohl mit professionellen als auch mit Laiendarstellern besetzt hat und es ihm durch seine sensible Schauspielerführung gelingt, die Unterschiede zu nivellieren. Seine langjährigen Mitarbeiter Barry Ackroyd (Kamera), Jonathan Morris (Schnitt) und George Fenton (Musik) verstehen sich dabei blind mit ihrem ihm. Kein Bild ist überflüssig, alles dem Thema und den Protagonisten untergeordnet. Der Schnitt treibt die Geschichte dynamisch, aber ohne Hektik voran, kann aber auch ruhigen Momenten emotionale Spannkraft verleihen, so, wie der zurückgenommene Soundtrack keine Dramatisierung betreibt. Pilar Padilla und Elpida Carillo geben mit ihrem emotionsgeladenen Spiel ein wunderbares Schwesterpaar zwischen geschwisterlicher Zuneigung und politischen Differenzen. Berührend jener Moment, in dem Rosa ihrer „naiven“ Schwester klarmacht, warum sie den Job als Putzfrau bekommen und wie sie das Geld für ihren Grenzübertritt „verdient“ hat. Auch die clowneske Chupze, mit der Adrien Brady den enthusiastischen Gewerkschafter spielt, bewahrt Loachs etwas altmodisch, aber hoffnungsvoll daherkommende Utopie vor verkrampfter Ideologisierung. „Bread and Roses“ erinnert daran, dass es jenseits der Spaßgesellschaft noch ein (Film-)Leben gibt, bei dem es sich lohnt, näher Hinzuschauen.
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