Italienisch für Anfänger

Komödie | Dänemark 2000 | 108 Minuten

Regie: Lone Scherfig

In einer Kopenhagener Vorstadt wird ein Italienisch-Kurs zum Hoffnungsschimmer: Das unspektakuläre Leben der Teilnehmer - ein Pastor, ein Hotelportier, eine Bäckereiverkäuferin, eine Friseurin, ein Kellner und eine italienische Kellnerin - gerät in Bewegung. Fünf Todesfälle, zwei Trauerfeiern und eine Diskussion über Verluste spielen eine Rolle. Dabei profitiert die verschachtelte Dramaturgie weniger von den "Dogma"-Regeln als vom natürlichen Spiel der Schauspieler und einfallsreichen Improvisationen. Subtil kreist die melodramatische Komödie um die Themen Glaube, Glück und Versöhnung und überzeugt durch leisen, feinen Humor, psychologische Dichte sowie den Mut, Alltagsmenschen mit ihren Macken ernst zu nehmen. (Kinotipp der katholischen Filmkritik) - Sehenswert ab 14.
Zur Filmkritik

Filmdaten

Originaltitel
ITALIENSK FOR BEGYNDERE (DOGMA 12)
Produktionsland
Dänemark
Produktionsjahr
2000
Produktionsfirma
Danish Film Institute/DANMERKS Radio/Zentropa Entertainments
Regie
Lone Scherfig
Buch
Lone Scherfig
Kamera
Jørgen Johansson
Schnitt
Gerd Tjur
Darsteller
Anders W. Berthelsen (Andreas) · Anette Støvelbæk (Olympia) · Peter Gantzler (Jørgen Mortenson) · Lars Kaalund (Hal-Finn) · Sara Indrio Jensen (Giulia)
Länge
108 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 6; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Genre
Komödie
Externe Links
IMDb | TMDB | JustWatch

Heimkino

Die Extras umfassen u.a. ein Feature mit nicht verwendeten Szenen (11 Min.).

Verleih DVD
Kinowelt (FF, DD2.0 dän./dt.)
DVD kaufen

Diskussion
„Vorrei un biglietto per Italia“, sagt Marcello, der kleine übergewichtige Italienisch-Lehrer. „E tu, anche tu vorrei un biglietto per Italia?“ Statt einer Antwort bekommt Marcello die Wiederholung seiner Sätze. Die Teilnehmer des Italienisch-Kurses sind Anfänger, allesamt zurückhaltende Dänen, und wenn sich einer von ihnen ein Herz fasst und eine Kurskollegin anspricht, um sich mit ihr zu verabreden, dann wirkt das wie ein Werbungsritual aus einem alten Stummfilm. Doch die Anfänger machen in 108 Filmminuten erstaunliche Fortschritte, nicht nur was die Sprache angeht: Auch die Gefühle geraten mächtig in Bewegung. Der Zuschauer nimmt teil an den Bedürfnissen und Wünschen der Protagonisten, deren unspektakulärer Alltag viele kleine Überraschungen und Wendungen bereit hält. Immer passiert etwas Unvorhergesehenes, oder es kommt zu witzigen Dopplungen, zweiten oder sogar dritten Chancen. Die Protagonisten sind so gewöhnlich wie jene in Robert Altmans „Short Cuts“ (fd 30 588), doch Lone Scherfig geht es nicht um eine pessimistische Bestandsaufnahme der Gesellschaft. Ihr Aufgebot an armen Seelen ist psychologisch gut konturiert; es sind schüchterne Singles, die sich nach Liebe sehnen und nur schwer einen Zugang zu ihren Gefühlen und zu anderen finden. Da ist der junge Pastor Andreas, der neu in der Gemeinde ist und von seinem Vorgänger schlecht behandelt wird. Der zurückhaltende Hotelportier Jörgen Mortensen hat Potenzprobleme und noch dazu den Auftrag, seinem besten Freund, den jähzornigen Kellner Hal-Finn, zu kündigen. Die Friseuse Karen muss sich mit den Problemen ihrer alkoholranken Mutter herumschlagen, während die fahrige Bäckereiverkäuferin Olympia von ihrem kranken und despotischen Vater tyrannisiert wird. Zu guter Letzt ist da noch die Italienerin Giulia, die sich in Jörgen Mortensen verliebt hat. Die Wege des Herrn sind unergründlich und so auch in „Italienisch für Anfänger“, der mehr als Komödie denn als Drama daherkommt. Mehrere Todesfälle und zwei Trauerfeiern spielen eine Rolle, wobei Letztere in der kleinen Gemeindekirche mit ungewöhnlichen Zwischenfällen für Überraschungen sorgen. „Sie wollen der Hirte der anderen sein?“, fragt Ex-Pastor Wredmann seinen Nachfolger, dessen Gottesdienste er mehrfach stört und den er grantig zwischen Tür und Angel abfertigt. „Sie können sich ja noch nicht einmal entscheiden, ob Sie hereinkommen oder draußenbleiben wollen.“ So entwickelt sich auf der Türschwelle des Pfarrhauses ein Diskurs über Verluste. Wie soll er Hirte der anderen sein, wenn er sich selbst so verloren fühlt, argumentiert der verbitterte Wredmann. Beide haben vor kurzem ihre Frau verloren, doch während Wredmann lamentiert, dass Gott ihm seine Frau genommen und er damit seinen Glauben verloren habe, versucht Pastor Andreas im Glauben Trost zu finden. Glaube, Glück und Versöhnung sind die Themen des Films, die auch in den sich anbahnenden Paarkonstellationen eine Rolle spielen. Da findet ein zerstrittenes Paar doch noch zueinander, ein Zweites gelangt auf Umwegen zum Glück, und beim dritten Paar hilft schließlich der Glaube. „Italienisch für Anfänger“ ist der fünfte nach den „Dogma“-Regeln Lars von Triers gedrehte Film. „Dogma“ erlaubt beispielsweise keine Sets und mitgebrachten Requisiten, Ton und Musik nur direkt vom Drehort, ausschließliche Benutzung der Handkamera, keine optischen Spielereien und Filter und keine oberflächliche Action. Der sparsame Einsatz von Musik ist ein Pluspunkt des Films, der den „Dogma“-Regeln geschuldet ist. So wird lediglich in der Kirche gesungen, und beim Happy End spielt ein Pianist Stummfilmmusik in einer italienischen Bar. Wie dogmatisch sie sei, wurde die Dänin auf einer Pressekonferenz gefragt, und ob sie die Regeln nicht als Beschränkung empfunden habe. „Es gibt wirklich wenig, wo wir die Regeln gebrochen haben. Ich wollte nicht im Vordergrund stehen“, sagte Lone Scherfig, „und es hat mir Spaß gemacht, mich zu beschränken, weil ich auch anderes gelernt habe.“ Ihr Film zeigt, dass es nützlich ist, Dogmen, wie alle kulturellen Lehrmeinungen, von Zeit zu Zeit zu überdenken, aber ihre Kernaussagen als Richtschnur beizubehalten. Es wurde viel improvisiert bei den Dreharbeiten, und tatsächlich gewinnt der Film weniger durch unkonventionelle Kameraführung oder Ver- und Gebote des „Dogma“ als durch die dramaturgische Überspitzung und das spontane und natürliche Spiel der Schauspieler. „Die Arbeit jedes Crew-Mitglieds verändert sich drastisch. In dem Maße, in dem man die Filmsprache reduziert, wird die Notwendigkeit eines geistig-moralischen Rüstzeugs, einer geistig-emotionalen Energie augenfällig. Es gibt keine Gnade“, sagt Lone Scherfig über „Dogma 95“. Man merkt ihrem Film an, wie viel Spaß die Dreharbeiten gemacht haben.
Kommentar verfassen

Kommentieren