Das Versprechen (2001)

Literaturverfilmung | USA 2001 | 123 Minuten

Regie: Sean Penn

Ein alternder Polizist verbeißt sich kurz vor seiner Pensionierung in einen Fall von besonderer Grausamkeit: Ein kleines Mädchen wurde brutal ermordet, und er verspricht der verzweifelten Mutter bei seinem Seelenheil, den Täter zu überführen. Doch je länger die Suche dauert, um so mehr rückt der Fahnder selbst als Opfer in den Mittelpunkt seiner eigenen seelischen Verstrickungen. In der Hauptrolle hervorragend gespielte, vor allem jenseits der konventionellen Kriminalhandlung intensiv und vielschichtig inszenierte Schuld-und-Sühne-Geschichte um einen Mann, der an der Last eines uneinlösbaren Versprechens zerbricht. (Kinotipp der katholischen Filmkritik) - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
THE PLEDGE
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
2001
Produktionsfirma
Franchise Pictures/Clyde Is Hungry Films
Regie
Sean Penn
Buch
Jerzy Kromolowski · Mary Olsen-Kromolowski
Kamera
Chris Menges
Musik
Hans Zimmer · Klaus Badelt
Schnitt
Jay Cassidy
Darsteller
Jack Nicholson (Jerry Black) · Robin Wright Penn (Lori) · Pauline Roberts (Chrissy) · Aaron Eckhart (Stan Krolak) · Sam Shepard (Eric Pollack)
Länge
123 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Literaturverfilmung | Thriller
Externe Links
IMDb | TMDB

Heimkino

Verleih DVD
Warner
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Diskussion
Bereits die ersten Szenen definieren die Fallhöhe dessen, wie weit ein Mensch aus dem Gefüge seiner normalen Befindlichkeit herausfallen kann: Da torkelt ein Mann in flirrender Hitze durch öde Einsamkeit, Vögel kreisen wie Aasgeier über ihm, während er mit sich selbst diskutiert und schwadroniert. Nach einer Überblendung scheinen sich die Konturen zunächst in einer flächigen Schneelandschaft aufzulösen, bevor eine einsame Hütte das Ziel der Kamera wird. Die Hände eines Mannes, die einen Fisch fangen und eine Whiskyflasche aus einem Regal nehmen, ein Blick auf die Uhr – Zeit wird zum entscheidenden Kriterium der gesamten Handlung: Zeit, die einem gealterten Menschen noch auf Erden bleibt, die Zeit, die es bedarf, um ein Verbrechen zu lösen, Zeit, die gegen oder für den Menschen arbeitet. Der Mann in beiden Szenen ist Police Detective Jerry Black, der nach seinem kontemplativen Eisangeln auf einem zugefrorenen See irgendwo in Nevada in die Stadt zurückkehrt, um die letzten Stunden seiner Arbeit aufzunehmen. Jerry steht unmittelbar vor seiner Pensionierung, die Kollegen verabschieden ihn mit einem Fest, schenken ihm eine Reise nach Mexiko, damit er seinen Traum vom Hochseefischen verwirklichen kann. Doch noch während man feiert, sieht man in einer parallelen Handlung das Resultat eines grausigen Verbrechens, das Jerrys Leben schicksalhaft beeinflusst: Die „Unschuld“ der Schneelandschaft wird durch die grässlich zugerichtete Leiche eines kleinen Mädchens zerstört. Und so verlässt der angehende Pensionär, der ohnehin nur zurück-, nicht aber nach vorne in einen neuen Lebensabschnitt blicken vermag, erneut die Großstadt, zunächst nur als Begleiter des ermittelnden Kollegen. Doch dann muss er den Eltern des ermordeten Kindes die grauenvolle Botschaft übermitteln und wird von der schockierten Mutter in eine geradezu „heilige“ Pflicht genommen: Bei seinem Seelenheil muss Jerry ihr versprechen, dass er den Mörder finden wird. Er nimmt das, was auf den ersten Blick nur die abwiegelnde Reaktion auf den Wunsch einer verzweifelten Frau ist, ernst: Sein Versprechen bindet ihn, weit über den Polizeidienst hinaus. Sein Leben ist fortan ein Kreuzzug, wobei Jerrys eigene fragile seelische Befindlichkeit immer mehr ins Zentrum rückt: Auch er ist ein Opfer, für das es keine Ruhe, keinen Frieden geben wird. Friedrich Dürrenmatts 1958 erschienener Kriminalroman war die präzisierte und vertiefte Fassung eines Drehbuchs, das der Dramatiker für den Heinz-Rühmann-Film „Es geschah am hellichten Tag“ (fd 7206) verfasst hatte: kein trivialer „Roman zum Film“, sondern ein außergewöhnliches geistiges Kunstgebilde, mit kühler Schärfe als Reflexion über die menschliche Befindlichkeit entwickelt. Der Mord und seine Aufklärung werden zum Prüfstein für eine menschliche Existenz, die zerbricht, weil ihr die rational greifbaren Kriterien entzogen werden und weil sie ihre eigenen geistigen Zweifel und Ängste nicht meistert. Sean Penns Adaption folgt weitgehend dem Handlungsverlauf, beschreibt episodenhaft die Ermittlungen des Polizisten, der auf einen psychisch kranken Serientäter schließt, sich ins provinzielle Landleben zurückzieht, wo er Besitzer einer heruntergekommenen Tankstelle wird, um den potenziellen Täter aufspüren zu können. Dass er eine junge Frau und deren kleine Tochter aufnimmt und das Glück einer kleinen Familie aufs Spiel setzt, indem er das Mädchen am Ende als Lockvogel missbraucht, macht ihn endgültig zur tragischen, Schuld beladenen Gestalt. Virtuos vermittelt Jack Nicholson diese sich permanent steigernden Wahrnehmungsverschiebungen des Polizisten, der das Vakuum seines Daseins nicht dauerhaft zu füllen weiß, weil er an der Last des Versprechens zerbricht. Sean Penn operiert jenseits der (nicht immer überzeugend und stilsicher entwickelten) Krimihandlung mit wuchtigen, geradezu archaischen Erzähltopoi, wobei er faszinierende Stimmungs- und Naturbilder einer Welt im Wechsel der Jahreszeiten einfängt, die ihrem eigenen Rhythmus und ihren eigenen Vorstellungen von Zeit folgt. Vor allem dieses raffinierte Spiel mit der Zeit, bei dem Penn Szenen qualvoll zerdehnt und im nächsten Moment wieder rafft, spiegelt intensivst den philosophischen Hintergrund dieser Schuld-und-Sühne-Fabel: Da rührt einer jenseits des im Prinzip unzureichenden menschlichen Werte- und Ordnungsgefüges an „göttliche“ Werte und wird mit aller Wucht auf seine eigene Unzulänglichkeit zurückgeworfen. So bleibt am Ende ein Verlassener und Ausgestoßener, einer, der nur noch sich selbst die „Wahrheit“ zu erklären vermag, weil ihm längst keiner mehr zuhört.

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