Schiffsmeldungen

Drama | USA 2001 | 111 Minuten

Regie: Lasse Hallström

Ein unsicherer Einzelgänger flüchtet nach dem Scheitern seiner Ehe in die Heimat seiner Vorfahren ins frostige, entlegene Neufundland. In dieser Welt voller Legenden und Mysterien kommt er den Geheimnissen des Lebens und der Realität seiner Existenz langsam näher. Eine mit atmosphärischer Eindringlichkeit und beiläufigem Humor inszenierte Romanverfilmung, die den im Mittelpunkt stehenden seltsamen Einzelgänger aus der stimmungsvollen Beschreibung der Umwelt heraus anlegt. Die ebenso poetischen wie symbolischen Bilder einer in ewiger Winterlichkeit erstarrten Hemisphäre führen in ein faszinierendes Zwischenreich von Mysterien und Realität, das mehr zur Erklärung der Charaktere beiträgt als die eher unglückliche Besetzung der Hauptrolle mit einem allzu vertrauten Filmstar. (Kinotipp der katholischen Filmkritik) - Sehenswert ab 14.
Zur Filmkritik

Filmdaten

Originaltitel
THE SHIPPING NEWS
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
2001
Produktionsfirma
Columbia/Miramax/TriStar
Regie
Lasse Hallström
Buch
Robert Nelson Jacobs
Kamera
Oliver Stapleton
Musik
Christopher Young
Schnitt
Andrew Mondshein
Darsteller
Kevin Spacey (Quoyle) · Julianne Moore (Wavey Prowse) · Judi Dench (Agnis Hamm) · Cate Blanchett (Petal Bear) · Pete Postlethwaite (Tert X. Card)
Länge
111 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Genre
Drama | Literaturverfilmung
Externe Links
IMDb | TMDB | JustWatch

Heimkino

Die Extras umfassen u.a. einen Audiokommentar des Regisseurs.

Verleih DVD
Concorde (16:9, 2.35:1, DD5.1 engl./dt., DTS dt.)
DVD kaufen

Diskussion
„Schiffsmeldungen“ ist ein eigenartiger Film – zumindest für eine Hollywood-Produktion; eigenartig wie einige der frühen Filme seines Regisseurs Lasse Hallström („Mein Leben als Hund“, fd 26 433, „Gilbert Grape – Irgendwo in Iowa“, fd 30 735) und eigenartig wie die Landschaft, in der die Geschichte spielt. Neufundland hat mehr Ähnlichkeit mit Skandinavien als mit Amerika; Kälte und Neben gehören ebenso zum Alltag wie gelegentlich vorbei treibende Eisberge. In dieser kargen Gegend trotzt ein Jahrzehnte altes Haus den Stürmen, im Boden verankert mit langen Kabeln, die Dach und Wände vor dem Zugriff von Unwettern bewahren. Einst soll das Haus von einer benachbarten Insel quer über das zugefrorene Meer an Seilen zu seinem jetzigen Standort gezogen worden sein. Niemand weiß so recht, was an dieser und anderen Geschichten, die im Ort erzählt werden, Legende und was Wahrheit ist. Genau der richtige Nährboden für einen Regisseur wie Hallström, der sich zu Hause fühlt in dem Zwischenreich von Mysterien und Realität. Von Anfang an fand er sich hingezogen zu dem Projekt, E. Annie Proulx’ 1994 mit dem „Pulitzer Preis“ ausgezeichneten Roman zu verfilmen. Das war vor acht Jahren. Seitdem haben so viele Produzenten, Regisseure, Autoren und Darsteller an dem Vorhaben herum laboriert, dass man sich wundern muss, wie schließlich überhaupt ein Film zustandekommen konnte. „Schiffsmeldungen“ ist ein Kompromiss – zwischen einer Vorlage, die Hallström selbst als „provozierend undramatisch“ bezeichnet hat und den Erfordernissen eines breitenwirksamen Films, zwischen der Exzentrik eines reichlich unattraktiven Helden und einer Rolle für Kevin Spacey, den man für das Vorhaben gewonnen hatte. Quoyle, der Mann, um dessen Leben es hier geht, ist ein von schlimmen Kindheitserinnerungen und Albträumen geplagter Simpel, unansehnlich in seinem Äußeren und gehemmt in seiner Kommunikation mit der Umwelt. Quoyle verdient seinen Lebensunterhalt in einer Druckerei und heiratet eine Prostituierte, die sein Zuhause als Gelegenheitsquartier benutzt, bevor sie bei einem Autounfall ums Leben kommt. Die gemeinsame Tochter hat sie an eine Adoptionsagentur verkauft, von der Quoyle sie nach dem Tod der Mutter zurück erhält. Eine Tante taucht auf und erzählt ihm zum ersten Mal von seinen Vorfahren, die in Neufundland lebten. Unentschlossen und zu jeder eigenen Entscheidung unfähig, lässt sich Quoyle überreden, mitsamt dem Kind die Reise in eine ungewisse Zukunft im hohen Norden anzutreten. Schritt für Schritt wird die neue Heimat für Quoyle zu einer Art Selbstfindung. Die wortkargen Menschen in dem Dorf seiner Vorväter akzeptieren ihn mit gelassener Selbstverständlichkeit, geben ihm sogar Arbeit bei der örtlichen Lokalzeitung. Ausgerechnet über Autounfälle soll er berichten, und über die täglich aus- und einlaufenden Schiffe. Langsam setzt sich für Quoyle das rätselhafte Puzzle seiner Existenz zusammen: Er erfährt das Lebensgeheimnis seiner Tante, das ihn selbst auf belastende, aber auch erleichternde Art betrifft; er hört von der legendären Vergangenheit seiner Familie, die einst zu den gefürchteten und gehassten Piraten der Gegend gehört haben soll; und er findet zögernd und unsicher Kontakt zu einer Witwe, deren Leben ebenso aus Geheimnissen und bitteren Erfahrungen besteht wie das seine. Hallström hat diese Geschichte eines seltsamen Einzelgängers auf die einzige Weise inszeniert, die sie verständlich und nachempfindbar machen kann, nämlich ganz aus der Beschreibung der Umwelt heraus. Er widmet ausführliche Szenen dem ungleichen Team in der kuriosen Redaktionsstube, und er verbringt viel Zeit damit, das mysteriöse Haus, in das Quoyle und die Tante einziehen, zu einem Hauptdarsteller eigener Art aufzubauen. Es ist Quoyle, der die Gerüchte über seine Vorfahren erfährt, aber es ist sein Töchterchen, das deren gespenstige Anwesenheit im Schlaf fühlt. Das alles hätte leicht einen drögen, pessimistischen Film ergeben können, wäre es Hallström und seinem Autor nicht gelungen, der Geschichte auch eine gute Portion beiläufigen Humors abzugewinnen, der oft ganz überraschend in die Schicksalhaftigkeit der Erzählung einbricht. Wesentlich auch, dass Hallström seinen Kameramann gewähren lässt, dessen ebenso poetische wie symbolische Bilder einer in ewiger Winterlichkeit erstarrten Hemisphäre mehr zur Erklärung der Charaktere beitragen als die Kunst der Darsteller. Mit der Darstellung ist denn auch ein Schwachpunkt des Films angesprochen: Wie weit der Zuschauer an Quoyles Schicksal Anteil nehmen kann, hängt vornehmlich davon ab, ob er die Figur zu akzeptieren und ihre Entwicklung mit Sympathie zu begleiten vermag. Dieser Quoyle aber ist alles andere als der Traum eines Schauspielers, weil man ihm kaum auf die Spur kommen kann. Ein Mensch ohne Selbstbewusstsein, dem jede eigene Aktivität schwer fällt, der das Leben auf sich zukommen lässt und sich jedem Schicksalsschlag mit stoischer Opferbereitschaft unterwirft, ist vor allem in der Verkörperung durch einen Schauspieler, den jeder im Parkett genauestens kennt, ein fast hoffnungsloses Unterfangen. Wenn man daran denkt, dass im Frühstadium des Projekts John Travolta an der Rolle interessiert war, nimmt man allerdings gern mit Kevin Spacey vorlieb, obwohl dessen erkennbar intellektuelle Konzeption der Figur über weite Teile des Films nur unzureichend funktioniert. Immer wieder sind es die Augen, die sich am wenigsten verstellen können und deren Blick die Intelligenz des Darstellers hinter dem angenommenen Habitus verrät. Ein Glück, dass Quoyle zwischen den markanten Typen der Redaktionsstube und den beiden starken Frauenfiguren wie ein Fremdling erscheinen darf und dadurch die Konstruiertheit der Figur weniger auffällt. Doch die letzte Überzeugungskraft, die das zugrunde liegende Buch auf geradezu traumwandlerisch sichere Weise vermittelt, geht dem Film durch Hollywoods Insistenz, einen Star in der Hauptrolle herauszustellen, weitgehend verloren.
Kommentar verfassen

Kommentieren