Drama | Großbritannien/USA 2001 | 90 Minuten

Regie: Richard Eyre

Literatendrama um die englische Schriftstellerin Iris Murdoch, die nach einer erfolgreichen Karriere an Alzheimer erkrankte. Intelligent, humorvoll und ironisch verquickt der Film die Krankheitsgeschichte mit Rückerinnerung an jene Jugendtage in Oxford, als sie ihren Ehemann John Bayley kennen lernte. In den Hauptrollen glänzend besetzt und dank subtiler Bilder in der Beschreibung der Krankheit durchaus sehenswert, verschenkt das Drehbuch dadurch viel, dass die Verbindung zwischen den Erinnerungen an den Beginn der Beziehung und der Krankheitsgeschichte nicht immer plausibel erscheint. - Ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
IRIS
Produktionsland
Großbritannien/USA
Produktionsjahr
2001
Produktionsfirma
Intermedia Films/Mirage Enterprises/Miramax/BBC
Regie
Richard Eyre
Buch
Richard Eyre · Charles Wood
Kamera
Roger Pratt
Musik
James Horner
Schnitt
Martin Walsh
Darsteller
Judi Dench (Iris Murdoch) · Jim Broadbent (John Bayley) · Kate Winslet (junge Iris) · Hugh Bonneville (junger John) · Penelope Wilton (Janet Stone)
Länge
90 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 6; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Drama
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
Buena Vista (16:9, 1.85:1, DD5.1 engl./dt.)
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Diskussion
„What we need is education, education, education“, sagt Tony Blair, während die berühmte Philosophieprofessorin und Literatin Iris Murdoch (Judi Dench) in ihrem mit Büchern vollgestopften Haus Blairs Rede, die sogenannte Education-Speach, auf dem Fernsehbildschirm verfolgt. Iris wundert sich, warum der Premierminister das Wort „education“ so oft wiederholt. Die bereits an Alzheimer-Demenz erkrankte Autorin hat einen wachen Moment, weshalb ihr Mann John Bayley (Jim Broadbent) ihr liebevoll zu erklären versucht, dass Politiker Worte oft wiederholen, um sich wichtig zu machen. Noch vor kurzem äußerte sie sich selbst in einem Fernsehinterview zur Bedeutung von Sprache, als mitten im Satz ein sprachlicher Blackout die Sendung zum Kippen brachte. Iris vergisst Dinge, sie wiederholt sich, sie verliert den Faden. Neurologische Tests bringen Gewissheit über die Ursache des schleichenden Gedächtnisverlustes. Verschwommene Bilder füllen die Leinwand, so als trübten Tränen den Blick, während die Kamera in einer Rückblende auf eine wilde Fahrradtour des jungen, frisch verliebten Paares überblendet. Nach John Bayleys Büchern „Elegy for Iris“ und „Iris and her Friends“ schrieben die englische Theaterikone Richard Eyre und Co-Autor Charles Wood das Drehbuch. Wie John Bayley in „Elegy for Iris“ koppeln die Drehbuchautoren Bayleys Erinnerungen an die junge, starke und eigenwillige Murdoch an die intensive Lebensphase mit der kindlichen und zunehmend gedächtnislosen Iris. Intelligent, humorvoll und ironisch verdichten sie zwei Ebenen zu einem Handlungsstrang. Iris Murdoch war eine leidenschaftliche und unkonventionelle Frau, die Beziehungen zu Männern und Frauen unterhielt und ihre Erfahrungen in Büchern ironisch verarbeitete. Beispielsweise in ihrem Roman „Flight from the Enchanter“, in dem ihre Beziehung zu dem Schriftsteller Elias Cannetti anklingt. Iris und John Bayley lernen sich 1953 in Oxford kennen. Die 1919 in Dublin geborene Murdoch publiziert 1954 ihren ersten Roman und avanciert zur Philosophieprofessorin, während John als Universitätsdozent und Literaturkritiker Karriere macht. Die Beiden heiraten 1956. Iris ist der stärkere Charakter und die Erfolgreichere. Bis 1996 veröffentlicht sie 26 Romane, in denen sie „über die Natur von Gut und Böse, über Freiheit und über Sexualität und Liebe“ reflektiert. Für die Lebensfreude der jungen Iris stehen Bilder von ausgelassenen Radtouren, vom Dinner mit John und einem von Iris zahlreichen Freunden, Bilder vom Tanzen oder vom Schwimmen des Paares in der Themse mit spektakulären Unterwasseraufnahmen. Das junge Paar nackt, das Paar der 90er Jahre sittsam in ausgeleierten Badeanzügen. Mit dem Bad an der geheimen Stelle an der Themse versucht John der schlotternden Iris etwas Gutes zu tun, doch Iris weigert sich dickköpfig, die Strümpfe auszuziehen. Selten blitzen die Erinnerungen an die ersten Jahre so einleuchtend auf wie hier. Die erkrankte Iris unternimmt immer weniger. So sieht man das ergraute Ehepaar meistens in ihrem unaufgeräumten Haus in Oxfordshire bei der Arbeit am Schreibtisch. John ist rührend hilflos in den Dingen des Alltags und um die Kranke bemüht, während das Haus der kauzigen Literaten schrittweise zu einem bedrückenden Gefängnis verwahrlost. Einmal sitzt Iris mit einem Block und einem Stift in der Hand allein am Strand. Sie reißt einzelne Blätter ab und beschwert sie mit Steinen, damit der Wind sie nicht wegweht. Die Szene rührt, weil man ihr so viel Geistesgegenwart gar nicht mehr zugetraut hätte. Ihre alte Freundin Janet Stone (Penelope Wilton), die das Paar in ihrem Sommerhaus besuchen, hat Iris wenige Augenblicke zuvor nicht mehr erkannt. Als Janet und John sie ermuntern, weiter zu machen, räumt Iris die Kiesel beiseite und lässt – wie aus Wut über ihre eigene Unfähigkeit – die Blätter wieder fliegen. Solche poetischen Momente machen den Film attraktiv. „Iris“ ist mit viel Sinn für kunstvolle Effekte, für ironische Anspielungen und Humor inszeniert. Irritierend wirkt allerdings, dass die Schilderung der Beziehung des jungen Paares keine längere Entwicklung durchläuft. Ihre Liebe und Jugend scheint starr und unbeweglich wie Granit. Getragen wird der Film von den großartigen Leistungen der Schauspieler. Judi Dench übernimmt die körperlichen Eigenschaften ihrer Figur und setzt sie im Verlauf der Handlung immer perfekter in Szene. Kate Winslet verkörpert die in sich selbst ruhende junge Iris bemerkenswert uneitel und völlig konzentriert auf die physische und intellektuelle Energie der Literatin. Jim Broadbent und Hugh Bonneville charakterisieren problemlos durch ihre große Ähnlichkeit den etwas schrägen Typ des Literaturkritikers John Bayley, der sich mehr für Literatur als für Frauen zu interessieren scheint. Ganz am Schluss, wenn Bayley Iris widerstrebend in ein Pflegeheim gibt, weil sie Essen und Trinken verweigert, wird offenbar, wie sehr John in der Beziehung zu der kranken Iris über sich selbst hinauswächst.
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