Carmen (1926)

- | Frankreich 1926 | 160 Minuten

Regie: Jacques Feyder

Stummfilm nach der gleichnamigen Novelle von Prosper Mérimées, die Jacques Feyder 1926 mit der Sängerin Raquel Meller in der Hauptrolle inszenierte. Im Zentrum steht die "Amour fou" zweier stolzer, vom Schicksal geschlagener Menschen, wobei die Landschaft Andalusiens einen nahezu gleichgewichtigen Part im eher unspektakulären Melodram spielt, in dem der Liebhaber nicht nur alle Rivalen, sondern am Ende auch seine Geliebte tötet. Restaurierte Fassung, in der die Zigeunerin Carmen als stigmatisiertes Opfer einer bösen Männerwelt erscheint, die ihren Willen zur Unabhängigkeit als Verrat an der Liebe interpretiert und drakonisch bestraft. - Ab 14.
Zur Filmkritik

Filmdaten

Originaltitel
CARMEN
Produktionsland
Frankreich
Produktionsjahr
1926
Produktionsfirma
Les Films Albatros
Regie
Jacques Feyder
Buch
Jacques Feyder
Kamera
Maurice Desfassiaux · Paul Parguel
Musik
Ernesto Halffter-Escriche
Schnitt
Jacques Feyder · Henriette Caire
Darsteller
Raquel Meller (Carmen) · Louis Kerch (Don José Lizzarabengoa) · Victor Vina (Doncairo) · Gaston Modot (Garcia, genannt der Einäugige) · Charles Barrois (Lillas Pastia)
Länge
160 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.

Diskussion
Elizondo, im nordspanischen Navarra. Don José Lizzarrabengoa hat bei einer Schlägerei einen Mitspieler getötet. Der hübsche Jüngling flüchtet Richtung Süden und wird dort als Dragoner angeworben. Beauftragt, die rassige Zigeunerin Carmen ins Gefängnis zu bringen, ermöglicht er deren Flucht und wird degradiert. Aus Leidenschaft für die Schöne schließt sich Don José Schmugglern an. Nach der Vertreibung aus dem Bergversteck bringt er Carmens Mann, den einäugigen Garcia, um. Doch die Temperamente der beiden Liebenden sind zu unterschiedlich. Von Eifersucht zerfressen, sieht der Vogelfreie einen bekannten Torero als Konkurrenten. Doch selbst nach dessen Tod in der Arena schlägt die Zigeunerin ein gemeinsames Leben in der Fremde aus. Don José ersticht seine große Liebe und stellt sich den Behörden. Prosper Mérimées 1845 erschienene Novelle „Carmen“ hatte Produzenten wie Künstler seit der Frühzeit der Kinematographie angeregt. Bekanntere Verfilmungen stammen von Albert Calmettes (Frankreich 1909), Raoul Walsh (USA 1915 und 1927), Cecil B. DeMille (USA 1915), Ernst Lubitsch (Deutschland 1918), Christian-Jaque (Frankreich 1943), Otto Preminger (USA 1953), Carlos Saura (Spanien 1983) und Francesco Rosi (Frankreich/Italien 1983). Die eng an der literarischen Vorlage orientierte Version des in Belgien geborenen Regisseurs Jacques Feyder ist weniger bekannt und gilt auch als nicht sehr erfolgreich. Die Produktion mit der seinerzeit renommierten Schauspielerin und Sängerin Raquel Meller in der Titelrolle wurde als Missgriff bezeichnet, wiewohl der leidgeprüfte Regisseur meinte: „Die hochtalentierte spanische Künstlerin war für die Interpretation der Carmen geradezu prädestiniert.“ Sie vermochte jedoch weder durch einen besonders verführerischen Charme noch durch überdurchschnittliche schauspielerische Leistungen die erforderlichen Akzente zu setzen. „Carmen“ ist eine amour fou um zwei stolze, vom Schicksal geschlagene 1Menschen. Der autoritäre Charakter und die maßlose Eifersucht des psychopathisch veranlagten Helden lösen in der vom Freiheitsdrang bestimmten Zigeunerin nur Abneigung und Angst aus. So sucht der Film immer wieder stimmige Atmosphären, den aussichtslosen Kampf des unglücklichen Soldaten und mehrfachen Mörders aus Liebe einzufangen. Die Landschaften Andalusiens, das flirrende, sonnendurchflutete Hinterland der Sierra, das Leben in den schmucken Landstädtchen, die Welt der Schmuggler, das Ritual des Stierkampfs: sie fungieren als gleichberechtigte Darsteller in diesem ansonsten eher unspektakulären Melodram. Diese Kontraste werden durch die braun-gelben und nachtblauen Viragen gut herausgearbeitet. Im Kosmos der Outlaws, des Militärs und der bürgerlichen (Stadt-)Kultur treten Frauen nur als Arbeiterinnen in der Tabakmanufaktur oder in Nachtlokalen als Flamencotänzerinnen auf. Carmen, die jene traditionelle Rollenzuteilung durchbricht, ist bei Feyder das stigmatisierte Opfer einer bösen Männerwelt: Don José, ihr Gatte und der ritterliche Torero sind für die Deformation der Frau verantwortlich. Ihr Wille zur Unabhängigkeit und Verrat an der Liebe reißen die Verehrer und am Ende sie selbst in den Abgrund. arte zeigt das im November 1926 uraufgeführte Gefühlsdrama als deutsch-französische Erstausstrahlung in einer von der Cinémathèque française restaurierten Fassung mit einer Länge von 160 Minuten. Die Originalpartitur des Komponisten Ernesto Halffter-Esriche wurde von François Porcile adaptiert und vom Orchestre de Perpignan Languedoc-Roussillon unter der Leitung von Daniel Tosi eingespielt. Die Musik ist konventionell, passend zum Geschehen gehalten und unterstützt dieses mehr als dass sie eigene Interpretationen oder Überraschungen bietet. Formal wirkt Feyders Inszenierung sehr statisch. Kamerabewegungen und Fahrtaufnahmen werden lediglich während der Flucht der Zigeunerin in der Stadt, beim Ritt auf dem Pferd, bei Kutschfahrten und der Flucht des Paares am Ende eingesetzt. Einzelne Bewegungsabläufe erwecken durch mangelnde Variation der Projektionsgeschwindigkeit außerdem einen etwas unnatürlichen Eindruck.
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