Die sieben besten Jahre

Tragikomödie | USA 1992 | 107 Minuten

Regie: Bill Duke

Drei Witwen treffen sich regelmäßig auf dem Friedhof, um mit ihren verstorbenen Männern Zwiegespräche zu führen und sich über Trauer und Einsamkeit hinwegzuhelfen. Als eine von ihnen sich verliebt, wird die Freundschaft auf eine Zerreißprobe gestellt. Von ausgezeichneten Schauspielern getragener Versuch, das Leben älterer Menschen in Form einer Tragikomödie ernst zu nehmen. Zwar krankt der Film an der Rücksichtnahme auf filmische Klischees und Tabus, dennoch bleibt zwischen den musikalisch stimmungsvoll untermalten, detailverliebten Bildern noch genug Raum zum Nachdenken. - Ab 14 möglich.
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Filmdaten

Originaltitel
THE CEMETERY CLUB
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
1992
Produktionsfirma
Touchstone
Regie
Bill Duke
Buch
Ivan Menchell
Kamera
Steven Poster
Musik
Elmer Bernstein
Schnitt
John Carter
Darsteller
Ellen Burstyn (Esther) · Olympia Dukakis (Doris) · Diane Ladd (Lucille) · Danny Aiello (Ben Katz) · Lainie Kazan (Selma)
Länge
107 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 6; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14 möglich.
Genre
Tragikomödie | Literaturverfilmung
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Diskussion
Die Mittfünfziger Esther, Doris und Lucilie sind mit ihren ebenfalls schon älteren Ehepartnern wieder einmal Gäste bei der soundsovielten Hochzeit ihrer lebenslustigen, heiratswütigen Freundin Selma. Der schon etwas senil wirkende Bräutigam bringt zwar gerade noch das "Ich will" über die Lippen, als er aber nach altem jüdischen Brauch das Glas zertreten soll, versagen ihm die morschen Knochen den Dienst. Schnitt. Nacheinander tragen Doris, Lucilie und Esther ihre Männer zu Grabe, und fortan trifft sich der "Cemetery Club" -wie der Film im Original viel schöner und beziehungsreicher heißt - regelmäßig auf dem Friedhof, um mit den Verstorbenen Zwiegespräche zu führen und sich über die Trauer hinwegzuhelfen. Doris ist am wenigsten mit dem Tod ihres Mannes zurechtgekommen, wehrt sich geradezu, dem Leben wieder Freude abzugewinnen. Lucile versteckt ihre Einsamkeit hinter einem auffälligen Äußeren und losen Reden, denen sie aber keine Taten folgen läßt. Halt und Abwechslung bieten ihnen nur die jüdische Gemeinde und die sich mit schöner Regelmäßigkeit wiederholenden Hochzeiten von Selma. Nur Esther, deren Tochter und Enkelin sie wenig stützen, reagiert "normal", läßt sich nach dem obligatorischen Trauerjahr auf eine Liebesbeziehung mit dem eigentlich nicht standesgemäßen Ex-Cop und momentanen Taxi-Fahrer Ben ein, den sie am Grab seiner Frau kennenlernt. Die Freundinnen wollen sie partout vor diesem "Fehltritt" bewahren, und auch Ben findet nicht immer den richtigen "Ton" bei seinen Annäherungsversuchen. Aber schließlich, nach Doris Tod, und als Lucile ihr gesteht, daß sie die Verstorbene mehr als eine Freundin geliebt habe, gibt sie seinem beharrlichen Werben nach und wagt einen Neuanfang.

Daß Hollywood sich der Probleme älterer Menschen annehmen und damit dem Kino längst verloren geglaubte Zuschauerschichten zurückgewinnen kann, hat es mit Filmen wie "Cocoon" (fd 25 296), "Grüne Tomaten" (fd 29 781) und "Die Herbstzeitlosen" (fd 30 144) bewiesen. Daß die Unterhaltung im Vordergrund steht, mag man den Filmen eigentlich nicht vorwerfen, ließ sie zwischen den Bildern doch noch genug Raum für die angesprochene Problematik. Wenn sich allerdings die Disney Studios mit ihrem fatalen Hang zum Film für alle zwischen "8 und 80" dem Problem des Alterns annehmen, ist Vorsicht geboten. Tatsächlich geriet ihnen die Verfilmung des Broadway-Erfolgsstückes "The Cemetery Club" zu einer etwas unausgegorenen Mischung aus Drama und Komödie. Bewußt sucht man in den flapsigen Dialogen die Nähe zu den "Golden Girls", während man in den kritischen Momenten penibel darauf bedacht ist, nicht allzusehr in die Tiefe zu gehen und schon gar nicht Bilder "sprechen" zu lassen. Der Liebesakt zwischen Esther und Ben, den Hollywood mit jugendlichen Stars so gerne exzessiv vorführt, wird dem Zuschauer vorenthalten. Das Recht älterer Menschen auf Sexualität, das man verbal so gagreich formuliert, führt man so letzten Endes ad absurdum. Dabei wären gerade Ellen Burstyn mit ihrer sinnlich-verletzlichen Ausstrahlung und der alle Facetten zwischen sensibel bis polternd beherrschende Danny Aiello die Garanten dafür gewesen, daß eine solche Szene von großer Zärtlichkeit getragen worden wäre. So bleibt die Inszenierung in einer nder), Kevin Dunn (Alan Reed), Ving Rhames (Duane Stevensen), Ben Kingsley (Vize-Präsident Nance). Ca. 120 Min.

Amerikanische Wirtschaftswissenschaftler haben die fast dreijährige Rezession im Lande mit der Depressionszeit der 30er Jahre verglichen; das Volk, frustriert und erschreckt durch die Folgen des unvermuteten Absturzes aus den bequemen Höhen ökonomischer Saturiertheit, hat das Vertrauen in die etablierten Parteien und in Politiker generell verloren. Die fast 20 Millionen Stimmen, die der texanische Außenseiter Ross Perot in den letzten Präsidentschaftswahlen auf sich vereinen konnte und das stete Anwachsen der von ihm initiierten Volksbewegung auch nach den Wahlen sind symptomatische Kenntnisse einer Stimmungslage, wie sie Frank Capra 1939 in seinem Film "Mr. Smith geht nach Washington" beschrieben hat. Den Finger am Puls der Volksmeinung, hält Hollywoods Filmindustrie die Zeit für reif, den längst für eine historische Figur gehaltenen Mr. Smith wiederzubeleben. Nach einem untauglichen Versuch mit "Ein ehrenwerter Gentleman" (fd 30 140) trifft Ivan Reitmans "Dave" die Situation besser und unterhaltsamer.

Der Mr. Smith der 90er Jahre ist natürlich kein Boy Scout vom Lande mehr, sondern ein gutherziger Stellen Vermittler (!), er muß auch nicht des langen und breiten patriotische Gefühle demonstrieren wie weiland sein Vorgänger aus der Provinz, und es gibt auch nicht mehr das Capra-Wunder am Ende, unpassend in der nüchternen Realität des Computer-Zeitalters. Doch charakterlich besitzt Dave Kovic alle Ähnlichkeit mit seinem von James Stewart so unvergeßlich profilierten Ahnen. Dave gleicht dem Präsidenten der Vereinigten Staaten aufs Haar und hat der Verblüffung seiner Umwelt schon manches herzhafte Gelächter abgewinnen können. Als der Präsident bei einem nächtlichen Seitensprung (Kennedy und Marilyn Monroe lassen grüßen) von einem Schlaganfall ereilt wird, geht der ehrgeizige Chief of Staff auf die Suche nach einem kurzzeitigen Doppelgänger für den Staatschef, den er in der Öffentlichkeit so lange vorzeigen kann, bis die Knoten für die eigene Karriere geknüpft sind. Dave, auf den die Wahl fällt, steigt jedoch bald aus der Rolle des Popanzes aus und beginnt, des bösen Berufspolitikers Pläne zu durchkreuzen. Kaum daß er auch noch Sympathie und Beistand der First Lady gewinnt, sorgt er mit einem glänzenden Schachzug dafür, daß der integre Vizepräsident (natürlich ein Mann aus dem Volk) seine Nachfolge antreten kann.

Das patemalistische Modell des politisch abstinenten Aristokraten, der das Farmland verläßt, um der Republik in der Stunde der Not zu dienen, ist seit Jahrhunderten tief in der amerikanischen Nation verwurzelt, spätestens seit Andrew Jackson auch in einer demokratisierten Version, auf die schon Capra anspielte: der einfache Bürger, der Verantwortung übernimmt. Nach Vietnam, Watergate und der kaum noch nachrechenbaren Staatsverschuldung hat die Nation jedoch nicht nur ihren Glauben an Washington, sondern auch ihre Naivität verloren. Gary Ross, dessen geschicktes Drehbuch für den Tom-Hanks-Film "Big" (fd 27 097) bereits aufmerken ließ, reflektiert diese Wandlung in "Dave". So geriet der Film glücklicherweise nicht zur bloßen Imitation des "Mr. Smith"-Vorbilds, sondern zeigt gerade in den Abweichungen eine sehr bewußte Wahrnehmung gesellschaftlicher Veränderungen auf. Dazu gehört - neben der schon erwähnten Abwesenheit des Capra-Wunders -die ganz andere Installation des Helden in die politische Sphäre. Während Capra den finsteren Plot im Hintergrund als ausreichenden Mechanismus nutzen konnte, um den Boy Scout vom Lande als Senator in Washington einzuführen, gestattet die Realität der 90er Jahre nur noch ein Doppelgänger-Spiel, das im Kontext der märchenhaften Handlung Gegenstand zahlreicher Spekulationen wird, die freilich in ihrer ironischen Pointiertheit im Ausland kaum recht begriffen werden können, da sie an einer Vielzahl von Kurzauftritten amerikanischer Politiker und Fernsehmoderatoren festgemacht sind, die außerhalb der USA keine Popularität besitzen. Ivan Reitman ("Ghostbusters", fd 24 905, "Twins - Zwillinge", fd 27 465) leistet gute Arbeit, indem er seine Stars die skeptische Version der politischen Wunschtraum-Geschichte wie eine kultivierte Soap Opera spielen läßt. Der Verlust an Naivität schlägt in seiner Inszenierung in das Vergnügen an der Illusion um. An ihr läßt der Film keinen Zweifel. Die Situationen sind - wie in jeder guten Komödie - so zugespitzt, daß die offenkundige Irrealität schon wieder bezeichnende Rückschlüsse auf die Realität zuläßt. Schönes Beispiel: Da Dave keine Ahnung hat, wie und wo er die Staatsausgaben kürzen könnte, ruft er seinen verblüfften Steuerberater aus früheren Tagen ins Weiße Haus, der ihm ohne viel Mühe über Nacht ein sonnenklares Programm entwirft.
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