Nach der Liebe

Drama | Frankreich 1992 | 105 Minuten

Regie: Diane Kurys

Eine 35jährige Schriftstellerin, mit einem verheirateten Architekten liiert, läßt sich auf eine leidenschaftliche Beziehung mit einem ebenfalls verheirateten jungen Musiker ein, bis das komplizierte Geflecht allmählich Risse bekommt. Ein charmant entwickeltes, hervorragend gespieltes Porträt von Menschen, deren "offenes" Lebens- und Liebesmodell auf die Bewährungsprobe gestellt wird. Gelegentlich an der Grenze zur Unverbindlichkeit, setzt der Film die Bereitschaft voraus, sich auf die Gefühle der Personen einzulassen.
Zur Filmkritik

Filmdaten

Originaltitel
APRES L'AMOUR
Produktionsland
Frankreich
Produktionsjahr
1992
Produktionsfirma
Alexandre Films/TF 1/Prodève
Regie
Diane Kurys
Buch
Diane Kurys · Antoine Lacomblez
Kamera
Fabio Conversi
Musik
Yves Simon
Schnitt
Hervé Schneid
Darsteller
Isabelle Huppert (Lola) · Bernard Giraudeau (David) · Hippolyte Girardot (Tom) · Lio (Marianne) · Yvan Attal (Romain)
Länge
105 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Genre
Drama
Externe Links
IMDb | TMDB

Diskussion
"Ich müßte mein Leben erfinden statt es zu erzählen." So notiert es Lola als Anmerkung für ihren neuen autobiografischen Roman. Die 35jährige Schriftstellerin, die bereits auf einige literarische Erfolge zurückblicken kann, tut sich schwer mit der Geburt ihres jüngsten Werkes, nicht zuletzt weil sie sich derzeit auch mit ihrem Leben schwertut. Schon seit vielen Jahren ist sie mit David, einem vielbeschäftigten Architekten, liiert, der freilich mit einer anderen, mit Marianne, verheiratet ist und mit ihr zwei Kinder hat. Lola fühlt eine tiefe Zuneigung zu David und lebt mit ihm in stillschweigender Übereinkunft, die weder großer Worte noch Blicke noch Taten bedarf. Doch in den Schubladen des so eingerichteten Lebens mit David findet die Leidenschaft keinen Platz mehr. Die sucht Lola in einer Liaison mit dem Musiker Tom, der ihr als ebenso geheimnisvoller wie "poetisch-melancholischer" Liebhaber ein zweites, paralleles Leben bietet -obendrein mit der "Garantie", daß ihre Beziehung nicht allzu verbindlich wird, denn auch Tom ist verheiratet und Vater. So ist alles arrangiert: ein ausbalanciertes (Lebens-)Modell, das nichts mehr mit den überlieferten Konstellationen von Liebe, Ehe und Familie zu tun hat und von der Selbstbestimmung der Beteiligten getragen zu werden scheint. Doch so leidenschaftlich Lolas geheimes Liebesleben auch ist: allmählich tun sich Risse auf. Die beteiligten Männer und Frauen empfinden Defizite und stellen fest, daß ihre Empfindungen doch nicht so sind, wie es die Arrangements widerspiegeln.

Ganz allmählich formulieren die Personen -mehr indirekt als direkt - ihre Anprüche ans Leben und durchbrechen die von ihnen selbst festgelegten Lebenskonstruktionen. Lügen, Verdrängungen, Unerbittlichkeiten, seelische Verletzungen sind die Folge und spiegeln die Diskrepanz von Liebe und Leidenschaft in einer Welt, in der einerseits alles möglich und offen ist, andererseits gefühlsmäßige Orientierungen und Verläßlichkeiten schwierig geworden sind. Mit großer Zuneigung begegnet Diane Kurys "ihren" Figuren, die sie, unterstützt von hervorragenden Darstellern, vielschichtig und in ihren Fehlem und Unzulänglichkeiten ebenso warmherzig und charmant entwickelt wie in ihren Stärken. Inszenatorisch elegant verzahnt sie die vielfältigen Episoden des multiperspektivischen Liebesreigens, wobei sich zunehmend eine Frage stellt: Bleibt der Film letztlich unverbindlich - und wäre damit belanglos -, oder liegt gerade in der respektvollen Offenheit gegenüber den Personen und ihren Unzulänglichkeiten die bemerkenswerte Toleranz, ihre Trauer und ihr Glück, ihre falschen wie richtigen Ansprüche und Entscheidungen zu respektieren? Die Antwort hängt wohl nicht zuletzt von der Offenheit des Zuschauers selbst ab, der sich auf den Film einlassen und zum Verbündeten der Personen werden muß. Erst dann auch offenbaren sich Sinn und Logik der Mischung aus Melodramatik und leiser Komik, die auf den ersten Blick larmoyant, auf den zweiten aber durchaus einfühlsam erscheint. Unübersehbar ist der autobiografische Einschlag des Films, und wie Diane Kurys ihr alter ego Lola immer wieder einmal zur reflektorischen Distanz und (selbst-) kritischen Rücknahme anhält, ist ein reizvoller Kunstgriff, der diese empfindsam-kluge, aber auch einsame und suchende Frau eindrucksvoll nahebringt. Wieviel Diane Kurys von dem, was sie erzählt, erfindet und wieviel davon tatsächlich das "Dokument einer Generation" ist, sei dahingestellt; immerhin vermittelt sie auf bemerkenswerte Weise viel von den seelischen Ansprüchen, Bedürfnissen und Verwirrungen der Menschen, ohne sie zu diskreditieren.
Kommentar verfassen

Kommentieren