Samsara - Geist und Leidenschaft

- | Deutschland/Schweiz/Italien/Frankreich 2001 | 145 Minuten

Regie: Pan Nalin

Wieder ins Leben in einem buddhistischen Kloster integriert, entwickelt ein junger Eremit sexuelle Begierden und kehrt dem Leben als Mönch den Rücken. Doch auch an der Seite seiner begehrenswerten jungen Frau findet er kein Glück, sondern beschwört eine Katastrophe herauf. Zwar reißt der Film Fragen nach Glück, spirituellem Leben und einem Einklang mit der Umwelt an, vermag letztlich aber nur wenig mehr als den farbenfrohen Bilderbogen einer fremden Welt zu skizzieren, in dem schöne Menschen in schönen Bildern stilisiert werden. - Ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
SAMSARA
Produktionsland
Deutschland/Schweiz/Italien/Frankreich
Produktionsjahr
2001
Produktionsfirma
Pandora
Regie
Pan Nalin
Buch
Pan Nalin · Tim Baker
Kamera
Rali Raltschew
Musik
Cyril Morin
Schnitt
Isabel Meier
Darsteller
Shawn Ku (Tashi) · Christy Chung (Pema) · Neelesha BaVora (Sujata) · Tenzin Tashi (Karma) · Jamayang Jinpa (Sonam)
Länge
145 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
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Heimkino

Verleih DVD
Arthaus
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Diskussion
Männer in den roten Gewändern buddhistischer Mönche wandern lange durch Steppen und Gebirge, bis sie zu einer Höhle kommen, in der einer der ihren haust. Die Ausmaße von Bartwuchs, Haaren und Fingernägeln sowie seine regungslose Haltung im Lotussitz zeigen, dass der Mann seit Jahren in einsamer Stille und Meditation verharrt haben muss. Nun ist es an den Mönchen, ihn ins Leben zurück zu holen, ins heimische Kloster zu tragen, zu pflegen und zu nähren. Nach und nach kommt dabei ein junger Mann zum Vorschein, der sich zwar wieder ins Klosterleben integriert und wegen seiner langen Einkehr befördert wird, der aber auch sexuelle Begierden entwickelt. Während eines Besuchs im Dorf verliebt sich Tashi in die schöne Pema, woraufhin er dem Priesterdasein den Rücken kehrt, um mit der Frau ein weltliches Leben zu teilen. Doch Tashis Glück als Ehegatte und Getreidebauer währt nicht lange. Zuerst setzt er sich – als erster im Tal – gegen die betrügerischen Preise des wichtigsten Getreideabnehmers zur Wehr, was ihm seine Nachbarn übel nehmen, weil der Mann ihnen die Lebensgrundlage sichert. Dann häufen sich die Streitigkeiten mit Pema. Er sucht sich eine Geliebte. Schließlich kommt es zu einer Katastrophe, die dazu führt, dass Tashi seine Entscheidung überdenkt.

Die Geschichte wirkt vordergründig wie eine religiöse Parabel über eine Grundfrage des spirituellen Lebens. Kann ein Mensch in der völligen Hingabe an geistliches Leben glücklich werden, oder soll er, wenn ihn Zweifel überkommen, in das Alltagsleben der Welt eintreten, und, wenn ihm auch das nicht gefällt, soll er dann wieder zurückkehren? Vielleicht ist der Gleichnischarakter des Films ein Grund dafür, dass sich die Figuren, auch Tashi, manchmal wie in einem Schwebezustand zwischen Typus und Charakter befinden, zwischen Beispiel und Individuum. Die Hauptfigur will es Siddharta, dem Begründer des Buddhismus, gleichtun, indem er die Welten wechselt, um Erleuchtung zu suchen. Allerdings geschieht dies hier auf umgekehrtem Weg, von der geistlichen Sphäre zur weltlichen. Der Film zeigt, dass es in beiden Welten schwierig ist, womit er implizit seine Grundfrage beantwortet. Was Tashi im Alltäglichen findet, ist sowohl Mühsal und Streit, aber auch Liebe und Schönheit. Der Film meditiert geradezu über die Gedanken vom Einklang der Gegensätze und von der Zerrissenheit des Einzelnen, weshalb er Tashi immer wieder zweifelnd zeigt und unfähig, in der einen oder der anderen Welt glücklich zu werden.

Wie nahezu jeder Film über die Himalaya-Regionen und ihre Religionen nimmt auch „Samsara“ mitunter den Charakter eines farbenfrohen Bilderbogens an, der eine fremde Welt mit seltsamen Ritualen vorstellt. Obwohl der Film nicht in Tibet, sondern im nordindischen Ladakh, am Fuße des Himalaya, spielt und dort auch gedreht wurde, unter schwierigen klimatischen und politischen Bedingungen, erinnert seine Ästhetik manchmal an Werke wie Scorseses „Kundun“ (fd 33 031) oder Annauds „Sieben Jahre in Tibet“ (fd 32 838). Hier wie dort erfährt man etwas über die Sitten innerhalb und außerhalb der Klostermauern, doch der dokumentarische Aspekt wirkt manchmal wie schmückendes Beiwerk für die zentrale Geschichte. Auch „Samsara“ kann sich davon nicht ganz frei machen. Bei Pan Nalin, dem jungen, erfahrenen indischen Fernsehregisseur, lässt sich ein ähnliches Phänomen wie bei seiner Landsfrau Mira Nair beobachten. Nach ihrem wunderbaren halbdokumentarischen „Salaam Bombay“ (fd 27 528), der viel mit dem Leben in Indien und wenig mit westlichem Kino zu tun hatte, schwenkte die Regisseurin – etwa in „Kama Sutra“ (fd 32 523) – nahezu vollständig auf westliche Sehgewohnheiten um, bevor sie mit „Monsoon Wedding“ (35 355) wieder zum indischen Kino zurückkehrte. Von Pan Nalin war im vergangenen Jahr der großartige Dokumentarfilm „Ayurveda“ (fd 35 040) in den deutschen Kinos zu sehen, der selbst den Skeptikern die Wunder fernöstlicher Lebens- und Heilmethoden plausibel machte. Dabei ging es Nalin vor allem um die Vielfältigkeit des Ayurveda und die in seiner Heimat weit verstreuten Meister ihres Fachs. Mit „Samsara“ hingegen möchte er vor allem gefallen. Am Anfang, wenn der Film so detailliert die Verwandlung von der Meditation zur wachen Teilnahme am Leben zeigt, verspricht er noch, sich ansatzweise in die Tradition von „Ayurveda“ zu stellen. Danach zeigt die Kamera aber zu oft zu schöne, glatte Bilder von der bis zu 5000 Meter hoch gelegenen Landschaft, von der prächtigen Ausstattung und von schönen Menschen, die sich lieben. Auch wenn Pan Nalin dabei die Symbiose von Körper und Geist im Sinn hatte, die den Buddhismus kennzeichnet, wirken solche Bilder doch allzu stilisiert. Die grundlegende Frage löst der Film dabei wohl im Sinne des Buddhismus: indem er sie nicht löst.
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