- | Deutschland/USA/Schweiz 2001 | 122 Minuten

Regie: Hartmut Bitomsky

Dokumentarfilm über Entwicklung, Geschichte und Einsätze des legendären amerikanischen B-52-Langstreckenbombers, der seit 1947 im Einsatz ist und seine Hoch-Zeit während des Vietnam-Krieges erlebte. Dabei verdichtet sich der Film zur Darstellung eines pervertierten amerikanischen Traums, ohne die US-Politik permanent an den Pranger zu stellen. Eine eindringliche, bildgewaltige Studie, die, wenn auch nicht ganz frei von einigen Redundanzen, den militärischen Mythos des Flugzeuges nachhaltig in Frage stellt. - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
B-52
Produktionsland
Deutschland/USA/Schweiz
Produktionsjahr
2001
Produktionsfirma
Cofilm/Bigsky Film/Dschoint Ventschr/WDR/SRG/SFB/arte
Regie
Hartmut Bitomsky
Buch
Hartmut Bitomsky
Kamera
Volker Langhoff · Hugo Kroiss
Schnitt
Theo Bromin
Länge
122 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
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Diskussion
In den späten 60er-Jahren des 20. Jahrhunderts kannte diesen US-Bomber in Deutschland fast jedes Kind, aber zumindest jene Schüler, die ihre Langeweile regelmäßig mit Flugzeug- Quartetts vertrieben. Denn bei dem Spiel mit dem Ziel, den Mitspielern durch das Abfragen von technischen Daten möglichst viele Karten abzuluchsen, war die Boeing B-52 Stratofortress so etwas wie das Trumpf- As. Wer die B-52 hatte, brauchte sich um den Ausgang des Spiels kaum noch Sorgen zu machen. Die Daten dieses Flugzeuges muten auch heute noch imposant an: 55 Meter Spannweite, 46 Meter Länge, 13.429 km Reichweite und eine Höchstgeschwindigkeit von 1020 km/h. Aber fraglos wären diese Details kein Grund, einen 122 Minuten langen Dokumentarfilm über das legendäre Flugzeug der USLuftwaffe zu drehen. Selbst der Umstand, dass der Bomber bereits 1947 entwickelt wurde und heute noch immer im Einsatz ist, dürfte allenfalls für Militärhistoriker von Interesse sein. So erzählt der Film zwar vordergründig die Geschichte eines Flugzeugtyps, hinter der jedoch das Objekt des Interesses im Kontext der (Kultur-) Geschichte der USA und ihres Hegemonial-Anspruchs zunehmend mythische Qualitäten gewinnt. Dabei referiert Bitomsky durchweg nüchtern die Historie der B-52 von ihrer Entwicklung als Bomber für Atomwaffen im Kalten Krieg bis zu ihren Einsätzen auf dem Balkan. Zu Bildern von einem amerikanischen Fliegerhorst, auf dem Soldaten Flugzeuge für den Start vorbereiten, klingt der Off-Kommentar fast lapidar: „Manche Probleme können nur mit einem großen Knall gelöst werden, heißt es. Die B-52 ist mit der Lösung solcher Probleme beauftragt.“ Während im Kalten Krieg der ganz große Knall ausblieb – eine B-52 hat nie eine Atombombe abgeworfen –, war das Flugzeug ab 1966 bei den Flächenbombardements im Vietnamkrieg praktisch im Dauereinsatz. Den emotionslos referierten Erinnerungen von US-Piloten über Zahl und Umfang ihrer Einsätze stellt der Film zu Archivbildern aus jenen Tagen Aussagen von Nordvietnamesen gegenüber, die 1972 dem Bombenhagel auf Hanoi nur knapp entkamen. Neben solchen historischen Sequenzen stehen hier jedoch gleichwertig Passagen, die den Umgang der Amerikaner mit ihrer jüngeren Geschichte, materialisiert in jenem Bomber, thematisieren. So lässt sich Bitomsky in mehreren US-Museen wie Reliquien präsentierte B-52-Erinnerungsstücke vorführen, von einem Maler, der Kampfjets in Öl porträtiert, erklären, dass seine Bilder „nicht den Krieg, sondern den Frieden verherrlichen“ oder von einem Händler in die Kunst der „Nose Art“ (jene Bilder, mit denen die Nasen der Flugzeuge vielfach dekoriert sind) einweihen. Zwei andere Künstler und Ausstellungsmacher, die sich mit den komplexen Facetten der B-52 beschäftigen, räsonieren über den Zusammenhang zwischen dem Bomber und der Freiheit in amerikanischen Supermärkten, zwischen 40 Cornflakes- Sorten wählen zu können. „Wenn die Leute nicht verstehen, dass eine Militärpräsenz das ermöglicht, ist das ein Problem“, sagt einer von ihnen. Demnach wäre die B-52 nicht die Kehrseite, sondern das unverzichtbare Pendant zu McDonalds, Disneyland und Coca Cola. Diese These vom inhärenten Gewaltzusammenhang entwickelter Kulturen ist fraglos weder neu noch sonderlich originell. Doch Bitomsky macht sie sich auch nicht zu eigen, sondern überlässt die Frage nach dem moralischen Wert von 40 Sorten Cornflakes dem Zuschauer. Eine Haltung des scheinbar neutralen Chronisten, die der Autor bis auf die Vietnam-Passagen, wo er mit vergleichsweise eindeutigen Dichotomisierungen arbeitet, konsequent durchhält. Ihm einen Mangel an Kritikfähigkeit vorzuwerfen, weil er in seinen knappen Off-Kommentaren nicht mit erhobenem Zeigefinger permanent den Krieg an sich und die US-Politik im Besonderen an den Pranger stellt, wäre dennoch geradezu albern.

Die Faszination des Films resultiert nicht zuletzt aus Bildern, die eine seltsame Ungleichzeitigkeit von High Tech und Archaik vermitteln. So etwa jene Sequenzen eines gigantischen Flugzeug-Parkplatzes in der Wüste von Arizona, wo über 2.000 Militärflugzeuge in Reih und Glied auf ihre Wiederverwendung oder Verschrottung warten. Wenn ein Bagger die Flügel vom Rumpf einer B- 52 trennt, indem er eine Stahlplatte auf die Maschine sausen lässt, wird ein Mythos in absurd, bisweilen sogar lächerlich anmutenden Aktionen wieder in schlichte Materialität zurückverwandelt. Der Film bleibt über seine Länge nicht ohne Redundanzen, und die Bildteilungen beim Thema „Golfkrieg“ muten eher neckisch an. Dennoch liefert „B-52“ anhand der Produktgeschichte eines Flugzeugs eine überaus interessante Facette des „amerikanischen Traums“, von dem es zum Alptraum ja nie sonderlich weit war.
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