Claire - Se souvenir des belles choses

Drama | Frankreich 2001 | 110 Minuten

Regie: Zabou Breitman

Die 32-jährige Claire beginnt, an Gedächtnisschwund zu leiden, um kommt in eine Klinik. Hier verliebt sie sich in Philippe, der sein Erinnerungsvermögen nach einem Unfall verloren hat, bei dem sein Sohn ums Leben kam. Während Philippe nicht zuletzt durch die von Claire vermittelte Wärme und Geborgenheit wieder gesundet, driftet die Frau immer mehr ins Vergessen ab. Der Debütfilm einer Schauspielerin, ausgezeichnet gespielt und vor allem in der zweiten Hälfte dicht inszeniert, plädiert dafür, glückliche Momente mit allen Sinnen zu genießen. Eine berührende, zeitlos gültige Liebesgeschichte. - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
SE SOUVENIR DES BELLES CHOSES
Produktionsland
Frankreich
Produktionsjahr
2001
Produktionsfirma
France 3 Cinéma/Hugo Films/Les Films de la Colombe/Les Productions de la Guéville
Regie
Zabou Breitman
Buch
Zabou Breitman · Jean-Claude Deret
Kamera
Dominique Chapuis
Musik
Ferenc Javori
Schnitt
Bernard Sasia
Darsteller
Isabelle Carré (Claire Poussin) · Bernard Campan (Philippe) · Bernard Le Coq (Christian Licht) · Zabou Breitman (Marie Bjorg) · Anne Le Ny (Nathalie Poussin)
Länge
110 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Drama | Liebesfilm
Externe Links
IMDb | TMDB

Diskussion
In ihrer ersten Regiearbeit erzählt die Schauspielerin Zabou Breitman von einer außerordentlichen amour fou. Hauptfigur ist die 32-jährige Claire, die nach einem Spaziergang in heftigem Gewitter an Gedächtnisschwäche zu leiden beginnt. In einer Klinik lernt sie Philippe kennen, verliebt sich in ihn, holt ihn, dessen Sohn bei einem von ihm verursachten Verkehrsunfall ums Leben kam, aus dem Tal desVergessens und der Dunkelheit zurück – um zunehmend selbst darin zu versinken. „Eine Liebesgeschichte, die von der Dringlichkeit des Glücks handelt“, nennt die Regisseurin ihr Werk. Sie plädiert dafür, Träumen und Zärtlichsein nicht in irgend eine Zukunft zu verschieben, weil dafür dann vielleicht keine Zeit mehr vorhanden ist. Vor allem in der zweiten Hälfte des Films, als Claire und Philippe die Klinik verlassen und sich in der Stadt eine eigene Wohnung einrichten, erreicht der Film jene Dichte und Intensität, die völlig vergessen macht, dass es sich um ein Debüt handelt: Meisterlich werden Situationen gezeichnet, in denen das Paar füreinander da ist, sich gegenseitig Kraft zu geben versucht und das Glück doch nicht auf Dauer festhalten kann. Isabelle Carré skizziert den Verfall ihrer Figur durch genaue Details: das Ringen um ein Wort, ja manchmal nur um einen Buchstaben; oder das Zucken des Kopfes, mit dem sie Claires Angst signalisiert, ebenso an Alzheimer zu erkranken wie ihre Mutter. Dieser faszinierenden schauspielerischen Leistung steht Bernard Campan als Philippe in keiner Weise nach: In seinen Augen spiegelt sich die Verzweiflung beim Erkennen der Wahrheit, der Geliebten nicht mehr helfen zu können. Während sie ihm Geborgenheit vermittelte, als er tagsüber in Depressionen versank oder nachts aus Albträumen erwachte, und ihm so zur Genesung verhalf, kann er ihr das Leben, das aus ihr flieht, nur noch in Maßen erleichtern: durch Berührungen, Worte und kleine Zettel, die überall in der Wohnung angebracht sind, als Wegweiser durch den immer komplizierter zu bewältigenden Alltag. Zabou Breitman fand starke optische Metaphern: so, wenn sie das Paar hinter einer Glasscheibe fotografiert, auf die Regentropfen fallen. Die Körper der Liebenden sind nicht mehr in ihrer Ganzheit, sondern nur noch als Partikel sichtbar; es ist, als verflüchtigten sie sich in einen anderen Zustand. Berührend auch jene Szene am Ende des Films, die mit subjektiver Kamera aus der Perspektive Claires aufgenommen wurde: Sie, die längst die Worte verloren hat, scheint plötzlich wieder klar zu artikulieren, während es nun Philippe ist, der lallt und zischt. In der „objektiven Realität“ ist das natürlich umgekehrt; und wenn die Regisseurin aus der subjektiven Perspektive wieder in die „objektive“ übergeht, wird das so völlige Anderssein der Liebenden, der Verlust einer wie immer gearteten Brücke zwischen ihnen, um so eindrucksvoller transparent. Auf dieser Höhe bewegt sich der Film freilich nicht über seine gesamte Laufzeit; erst mit dem Auszug der beiden aus der Klinik findet er wirklich zu sich selbst. Davor krankt er mitunter an Äußerlichkeiten und dramaturgischen Hilfskonstruktionen. Zum Beispiel funktioniert die Montage gelegentlich nach einer Stichwortdramaturgie: Vom Wort „Männerflügel“ wird dann eben auf das „Flügelspiel“ beim Fußball umgeschnitten. Auch das Bestreben, anhand der Klinikinsassen möglichst viele Varianten von Gedächtnis- und Sprachverlust zu belegen, treibt den Film anfangs in eine Richtung, die ihm nicht unbedingt gut tut: Die „Schrulligkeit“ der Patienten hat etwas Possierliches an sich; Lacher an falscher Stelle sind nicht ausgeschlossen. Auch dass sich Claire und Philippe bei Klezmer-Musik zum ersten Mal während eines Regengusses im Park lieben und Zabou Breitman anschließend auf eine Statue schneidet, die ihren Finger auf den Mund legt und Schweigen gebietet, ist des Guten etwas zu viel. Man darf solche Szenen durchaus Kitsch nennen – kann sie aber in der ungleich stärkeren zweiten Filmhälfte getrost wieder vergessen.
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