Die Versuchung des Padre Amaro

Literaturverfilmung | Mexiko/Spanien/Argentinien 2002 | 118 Minuten

Regie: Carlos Carrera

Ein junger Priester zieht in eine mexikanische Landgemeinde, die er später übernehmen soll. Bald erkennt er, dass der amtierende Pfarrer mit den Drogenbaronen zusammenarbeitet und sich auch sonst kaum um Moral schert. Anfangs noch entsetzt, gleicht sich der Priester zunehmend den Umständen an. Romanverfilmung, die mit den Mitteln der Satire, des Melodrams und des Politthrillers auf überzeugende, teilweise aber provozierende Weise die Verflechtung von Kirche, Politik und Verbrechen darstellt, wobei er die Fehlbarkeit von Würdenträgern ebenso wie eine allgemein verbreitete Intoleranz anprangert.
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Filmdaten

Originaltitel
EL CRIMEN DEL PADRE AMARO
Produktionsland
Mexiko/Spanien/Argentinien
Produktionsjahr
2002
Produktionsfirma
Alameda/Artcam/Blu/Cinecolor/Foprocine/Gobierno del Estado de Veracruz/Ibermedia/IMCINE/Videocolor/Wanda Films
Regie
Carlos Carrera
Buch
Vicente Leñero
Kamera
Guillermo Granillo
Musik
Rosino Serrano
Schnitt
Óscar Figueroa
Darsteller
Gael García Bernal (Padre Amaro) · Sancho Gracia (Padre Benito) · Ana Claudia Talancón (Amelia) · Angélica Aragón (Augustina Sanjuanera) · Ernesto Gómez Cruz (Bischof)
Länge
118 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Genre
Literaturverfilmung
Externe Links
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Heimkino

Die Extras umfassen u.a. einen Audiokommentar des Regisseurs und des Darstellers Gael García Bernal.

Verleih DVD
Columbia TriStar Home (16:9, 1.85:1, DD5.1 span./dt.)
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Diskussion
Nach „Die Unbarmherzigen Schwestern“ (fd 35 753) kommt ein weiterer Film in die Kinos, der die katholische Kirche missgestimmt hat. Diesmal wurde nicht nur dem Regisseur der Vorwurf der Blasphemie gemacht. Selbst den Hauptdarstellern drohte man in ihrer mexikanischen Heimat mit der Exkommunikation. Tatsächlich weist „Die Versuchung des Padre Amaro“ einige durchaus provozierende Geschichten und Szenen auf. Dass Regisseur Carlos Carrera versichert, sein Film basiere auf wahren Sachverhalten, macht die Sache aus kirchlicher Sicht kaum besser. Grundlage des Drehbuchs ist ein portugiesischer Roman aus dem Jahr 1875, einer Zeit also, da gerade in Mexiko Kirche und Macht Synonyme waren. Carrera verlegte die Geschichte in die Gegenwart, was sich in der ländlichen Umgebung des Schauplatzes nur an wenigen Details ablesen lässt. Padre Amaro ist ein 24 Jahre junger Priester, der eines Tages in die kleine Gemeinde des Priesters Benito kommt, um sie in nicht allzu ferner Zukunft zu übernehmen. Die Frauen im Dorf sind entzückt angesichts des gut aussehenden Mannes, trotz oder obwohl sie um Amaros Zölibat wissen. Der ist zunächst nur neugierig darauf, wie das Gemeindewesen funktioniert, wobei er allerdings bald erkennt, dass es vorwiegend auf Korruption und auf der Zusammenarbeit mit Drogenbossen beruht. Momentan finanzieren die Kokain-Dealer im Ort den Bau eines Krankenhauses und waschen dadurch ihre Gelder, während Kirche und Gemeinde dankend ein Auge zudrücken. Anfangs ist Amaro entsetzt, doch er ist kein Idealist, kein Kämpfer. Ganz im Gegenteil, scheint er sich dem schlechten Vorbild des Pfarrers doch zusehends anzugleichen. Wie dieser nimmt er sich bald eine Geliebte. Unter dem Vorwand, einem zurückgebliebenen Mädchen den Glauben näher zu bringen, verbringt er in dessen Nachbarzimmer zärtliche Stunden mit der jungen Amalia. Die Darstellung der moralisch wenig gefestigten Zustände allein wären wahrscheinlich die ganze Aufregung noch nicht wert. Aber dass sich Amalia und Amaro bei ihren Liebenspielen kirchlicher Symbole und Ikonografien bedienen, Amaro sich etwa von Amalia in der Pose der Jungfrau Maria erregen lässt, ist eine eindeutige Provokation. Ebenso die Szene, in der eine Katze mit Oblaten gefüttert wird, die für die Kommunion bestimmt sind. Satirische Einschübe wie diese erinnern, ebenso wie der Filmtitel, deutlich an Buñuels schon vor Jahrzehnten vorgetragenen antiklerikalen Spott und sollten schon deshalb niemanden mehr aufregen. Anzumerken ist eher, dass diese Szenen aus dem Rahmen des Dramas herausfallen. Carreras wirft einen weitaus subtileren, kritischen Blick auf gesellschaftliche Missstände, die von der Kirche toleriert werden, wobei er sich mitunter der Mittel des Politthrillers bedient. Auch Intoleranz gegenüber abweichenden Meinungen kommt zur Sprache. So wird Amaros Vorbild, ein liberaler Priester, der sich um die Belange der Landarbeiter kümmert, alsbald exkommuniziert. Außerdem zeigt Carrera, wie fehlbar Menschen sind, ob im Priestergewand oder nicht. Padre Amaro ist keineswegs ein lichter Held im Verbrechenssumpf, sondern entwickelt sich sukzessive zum Opportunisten. Und schließlich beschwört der Film, nicht ohne melodramatische Anflüge, die Macht der Liebe über alle kirchlichen und sonstigen Gelöbnisse hinweg. Insofern hätte es die kleinen Provokationen vielleicht gar nicht gebraucht. Buñuel hatte sie vor allem als Zeichen für Bigotterie verwendet. Um die geht es hier aber nicht, denn alle „Sünden“ werden bewusst, offen und skrupellos begangen. Hauptdarsteller Gael García Bernal jedenfalls wird die kirchlichen Schmähungen mit Fassung tragen. Seit er gleich in beiden jüngsten internationalen Erfolgen des mexikanischen Kinos eine Hauptrolle spielte, „Amores Perros“ (fd 35 104) und „Y tu mamá También“ (fd 35 382), reißen sich alle um ihn. „Die Versuchung des Padre Amado“ wird ihn noch populärer machen, denn der Film schlug in Mexiko alle Kassenrekorde einheimischer Produktionen. Bernal verfügt über ein ungewöhnlich breites Spektrum an jugendlichen Ausdrucksmöglichkeiten. Man nimmt ihm den Jung-Macho in „Amores Perros“ ebenso ab wie den frechen, aber unerfahrenen Aufreißer in „Y tu mamá también“. Mit dem zuerst schüchternen, dann aber verschlagenen Priester vereint er beide Aspekte auf überzeugende Weise.
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