L.I.E. - Long Island Expressway

- | USA 2001 | 97 Minuten

Regie: Michael Cuesta

Ein 15-Jähriger lebt am Rande eines Highways in einer trostlosen Mittelstandssiedlung. Seine Mutter ist tot, der Vater versteht ihn ebenso wenig wie seine Freunde. Nur mit einem pädophilen Kriegsveteranen teilt er seine Vorliebe für Poesie. Sensibel erzähltes, deprimierendes Drama einer verlorenen Jugend, die keine materiellen Sorgen hat, aber in einer kulturlosen Umwelt aufwächst. Auch der Umgang mit dem Nebenthema Pädophilie ist kunstvoll und einfühlsam zugleich gestaltet.
Zur Filmkritik

Filmdaten

Originaltitel
L.I.E. | LONG ISLAND EXPRESSWAY
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
2001
Produktionsfirma
Alter Ego/Belladonna
Regie
Michael Cuesta
Buch
Michael Cuesta · Stephen M. Ryder · Gerald Cuesta
Kamera
Romeo Tirone
Musik
Pierre Földes
Schnitt
Eric Carlson · Kane Platt
Darsteller
Paul Franklin Dano (Howie Blitzer) · Bruce Altman (Marty Blitzer) · Brian Cox (Big John Harrigan) · Billy Kay (Gary) · James Costa (Kevin Cole)
Länge
97 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Externe Links
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Heimkino

Die Extras umfassen u.a. einen Audiokommentar des Regisseurs und des Darstellers Brian Cox.

Verleih DVD
Salzgeber (16:9, 1.85:1; DD2.0 engl./dt.)
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Diskussion
Irgendwo am Long Island Expressway in New York gibt es eine Siedlung, die überall in Amerika stehen könnte und die trostloser kaum denkbar ist. In einem der standardisierten Mittelklasse-Häuser lebt der 15-jährige Howie und teilt dem Zuschauer mit, dass der Highway geradewegs in die Hölle führe – im Wortsinn, denn seine Mutter ist darauf umgekommen, und im übertragenen, denn Howie muss hier zusammen mit Menschen leben, die ihn nicht verstehen und umgekehrt. Sein Vater hat nur Augen für seine vollbusige neue Geliebte und für das FBI, das ihm auf den Fersen ist. Seine Kumpels sind ignorante Herumtreiber, die mit Howies Liebe zur Poesie nichts anfangen können. Sein bester Freund ist ein Strichjunge, der ihn zu Einbrüchen anstiftet und die gemeinsame Flucht nach Kalifornien nur verspricht. Auf einer ihrer Diebestouren landen die Jungen im Haus von Big John, einem Vietnam-Veteranen, der bald dahinter kommt, wer in seinem Keller war. Ausgerechnet mit diesem grantigen älteren Herrn teilt Howie seine ungewöhnlichen Interessen, und es entsteht ganz langsam eine warmherzige, freundschaftliche Beziehung. Doch es geht nicht nur um Freundschaft, auch um Pädophilie, und gerade angesichts dessen ist es interessant zu sehen, wie kunstvoll Regisseur und Co-Autor Michael Cuesta den Charakter von Big John entwickelt: vom scheinbar brutalen Waffenliebhaber, der sich für die Körper Heranwachsender interessiert, über den gebildeten älteren Herrn, dem genau wie Howie jemand für ein vernünftiges Gespräch fehlt, bis zum Opfer seiner Gelüste, die ihn in dem spießigen Vorort zum Geächteten machen. Aber Cuesta, ein New Yorker Fotograf, der in seinem Kinodebüt einen bedächtigen, deprimierenden, aber nie groben Realismus an den Tag legt, bewertet nichts und nimmt niemanden in Schutz. Er zeigt im Grunde ein Leben am Rande, jenseits des Fokus einer Öffentlichkeit, die selbst millionenfach in solchen Siedlungen haust. Hier gibt es keine Hoffnungen und Auswege, keine Lebenslust und keinen Sinn, außer den, einfach da zu sein. Das hat nichts mit sozialem Status zu tun. Geld steht zur Verfügung, nur führt dies nicht per se zu Zufriedenheit und Glück. Woran es genau liegt, dass man an Orten wie diesem nicht wirklich leben kann, sagt Cuesta nur implizit, genau so, wie der genaue Schauplatz nur durch den Titel vorgegeben ist. Der Film scheint an ein Grundübel zu rühren, das eine Gesellschaft beschleicht, die gerade dann nicht weiter weiß, wenn sie keine materiellen Sorgen hat. Denn auf dem Weg dorthin hat sie den Sinn für alles Kulturelle verloren und damit im Grunde alle Kultur. Da bleiben Dinge wie Sinngebung oder Poesie auf der Strecke – ebenso wie die Menschen, die sich für Derartiges interessieren. Big John und Howie sind ungleiche Verbündete, ohne Aussicht auf eine wirkliche Freundschaft. Genau diese schwierige Beziehung vermitteln die beiden Hauptdarsteller sehr eindrucksvoll: der junge Paul Franklin Dano als Howie ebenso wie Brian Cox, ein Veteran der Nebenrolle.
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