Raumpatrouille Orion - Rücksturz ins Kino

4K UHD. | Deutschland 1966/2003 | 92 Minuten

Regie: Michael Braun

Ein fürs Kino erstellter Zusammenschnitt einer bundesdeutschen Science-Fiction-Fernsehserie aus dem Jahr 1966. Ein Weltraum-Kommandeur wird mit seiner Crew in den Patrouillendienst strafversetzt, kann sich nach einiger Zeit aber an den weiblichen Sicherheitsoffizier annähern, die feindseligen "Frogs" bekämpfen und die Erde retten. Eine geschickt montierte Kurzfassung mit einigen nachinszenierten Teilen, deren naiver Charme für nostalgische Unterhaltung sorgt. Während die Bildqualität auch im Kino überzeugt, lässt der digital aufbereitete Ton mitunter allerdings zu wünschen übrig. - Ab 12.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
1966/2003
Produktionsfirma
Bavaria
Regie
Michael Braun · Theo Mezger · Stephan Reichenberger
Buch
Rolf Honald · W.G. Larsen
Kamera
Kurt Hasse · Wolfgang-Peter Hassenstein
Musik
Peter Thomas
Schnitt
Anneliese Schönnenbeck · Hannes Nickel · Martin Brandl
Darsteller
Dietmar Schönherr (Commander Cliff Allister McLane) · Eva Pflug (Leutnant Tamara Jagellovsk) · Wolfgang Völz (Leutnant Mario de Monti) · Claus Holm (Leutnant Hasso Sigbjörnson) · Friedrich Georg Beckhaus (Leutnant Atan Shubashi)
Länge
92 Minuten
Kinostart
14.12.2023
Fsk
ab 6; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 12.
Genre
4K UHD. | Science-Fiction
Externe Links
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Heimkino

Die 2005 erschienene "Kult Kollektion" (3 DVDs) vereint die Filmversion "Raumpatrouille Orion - Rücksturz ins Kino" mit der siebenteiligen Originalserie von 1966.

Verleih DVD
EuroVideo (FF, DD5.1 dt.)
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Ein fürs Kino erstellter Zusammenschnitt einer bundesdeutschen Science-Fiction-Fernsehserie aus dem Jahr 1966.

Diskussion

Als „Raumpatrouille Orion“ im Jahr 1966 mit der Erstausstrahlung ihrer 14 Folgen den (Fernseh-)Dienst aufnahm, lagen die Themen „Weltraum“ und „Science Fiction“ in der Luft. Fast zeitgleich startete in den USA „Raumschiff Enterprise“ (mit zunächst weit weniger Publikumszuspruch als sein deutsches Pendant); das von Präsident John F. Kennedy initiierte Mondlandungsprogramm war bereits einige Jahre alt, und wenig später kam mit Stanley Kubriks „2001: Odyssee im Weltraum“ der bis heute wohl beste und tiefsinnigste filmische Beitrag zum Sujet ins Kino.

„Was heute noch wie ein Märchen klingt, kann morgen Wirklichkeit sein. Hier ist ein Märchen von übermorgen.“ Dieser Satz zu Beginn jeder „Orion“-Folge ist repräsentativ: Nie wieder war der Zukunftsoptimismus so ausgeprägt wie damals. Zu seiner Entstehungszeit war „Raumpatrouille Orion“ zwar ein mutiges Projekt, aber durchaus auch „Mainstream“. Also keineswegs ein stiefmütterlich behandeltes Nebenprodukt oder gar „Trash“, sondern einfach das, was mit den Mitteln des Fernsehens zu jener Zeit möglich war. Mit 3,4 Millionen Mark Produktionskosten war die Serie für damalige Verhältnisse durchaus teuer und entwickelte sich zum „Straßenfeger“. Eine angekündigte Fortsetzung wurde allerdings nie gedreht.

Der „Orion“-Sound in Nachtlokalen

Mitte der 1980er-Jahre erlebte die „Orion“ ihr erstes Comeback, als der Sputnik-Filmverleih sie in Programmkinos zeigte. Kurz darauf kaufte der private Fernsehsender SAT 1 die Ausstrahlungsrechte und versuchte, vom wachsenden Kult etwas für sein Image abzuzweigen, aber auch ökonomisch durch den Verkauf diverser Merchandising-Produkte zu profitieren. Seit dem „Easy-Listening“-Revival Mitte der 1990er-Jahre wurde der Soundtrack von Peter Thomas zum weltweiten Erfolg. Nach wie vor hört man ihn in Nachtlokalen; die Trash-Mode der letzten Jahre sicherte der „Raumpatrouille Orion“ das Überleben.

Nun also der „Rücksturz ins Kino“ als „Producer’s Cut“. Die alten Fernsehfolgen wurden dafür zu einer 92-minütigen Spielfilmhandlung zusammengestrickt, deren Dramaturgie der Serie folgt. Major Cliff Allister McLane (Dietmar Schönherr), Commander der „Orion“, wird vom obersten Raumfahrtkommando in den Patrouillendienst strafversetzt. Zur Aufsicht wird ihm und seiner mit ihm in geradezu nibelungentreuer Kameradschaft verbundenen Besatzung der weibliche Offizier Leutnant Tamara Jagellovsk (Eva Pflug) vom Galaktischen Sicherheitsdienst (GSD) – ein im Zeitalter zwischen Mauerbau und neuer Deutschlandpolitik nicht zufälliger russischer Name – zur Aufsicht zugeteilt.

Eva Pflug spielt sie mit sprödem Domina-Charme. Zwischen McLane und Jagellovsk herrscht anfangs Kalter Krieg. Dann kommt es zeitgemäß zum Wandel durch Annäherung. Nebenbei kämpft die Besatzung gegen die feindseligen „Frogs“, die wie Papierflieger aussehen, erfüllt am Ende „Plan BX 17: Rettet die Erde“ und tut, wenn auch mit brachialen Mitteln, einiges für die Völkerverständigung.

Alles wird galaktisch gut

Die Übergänge zwischen den Folgen sind geschmeidig und für alle, der die Fernsehfolgen nicht kennt, kaum spürbar. Nur gelegentlich knarrt es im Story-Gebälk. Um solche Brüche und Verkürzungen zu überbrücken, haben sich die Produzenten kurze Folgen einer „Sternenschau“ im damaligen Design einfallen lassen, in der Elke Heidenreich als Sprecherin (die Texte stammen von Claudius Seidl) die Nachrichten verkündet und diese mit dem ceterum censeo „Alles wird galaktisch gut“ enden lässt. Technisch wurden die Bilder restauriert, Ton und Originalsoundtrack in Dolby-Digital-Sound überarbeitet, zudem wurde der Soundtrack ergänzt. Gleichwohl vermag der Ton nicht restlos überzeugen; stellenweise klingt er dumpf, dann wieder hallt es übertrieben, und der vom modernen Tonsystem erzeugte räumliche Effekt steht in merkwürdigem Kontrast zu den einst auf 35mm-Schwarz-Weiß-Film gedrehten Bildern. Diese hielten der Vergrößerung vom Bildschirmformat zur metergroßen Leinwand erstaunlich gut stand.

Das Rezept klingt einfach. Vielleicht zu einfach. Die „Raumpatrouille“ war ein Fernsehformat und ist dies auch in der Kinofassung geblieben – ein rechter Spannungsbogen will sich nicht einstellen; zu kurzatmig und gleichförmig ist die Dramaturgie, die mit wenigen Höhepunkten dahinplätschert. Der eigentliche Reiz und das Erfolgsgeheimnis der Serie liegen aber gerade in ihrer heute offensichtlichen Naivität, in der „Unschuld“ der Zukunftsdarstellung. Mithilfe von Bügeleisen, einem riesigen Bleistiftspitzer und Duscharmaturen, schlichtesten Bildertricks und sehr fantasievollen, oft im besten Sinne albernen Einfällen wird eine märchenhafte Zukunft herbeigezaubert, die sich nie ernst nimmt. So war der Erfolg auch schon in den 1960er-Jahren nicht mit Weltflucht erklärbar, sondern eher mit offenkundiger, jedoch nie subversiver Ironie. Bis heute wirkt dieses einmalige Design nahezu ungebrochen.

Die Serie ist zudem gut fotografiert. Beim Wiedersehen im Kino merkt man auch, wie gut Schwarz-Weiß-Filmformate nach wie vor funktionieren. Und im Zeitalter perfekter CGI-Wirklichkeitssimulation begeistern die archaischen Spezial-Effekte. Doch gerade in dieser Hinsicht verrät der „Rücksturz ins Kino“ sein Vorbild, indem die Kompilation zwar auf die Naivität der alten Tricks und des absurden Designs setzt, zugleich aber die neu hinzugefügten Szenen mit ebenso perfektem Ernst computeranimiert – von Selbstironie ist da keine Spur! Die Naivität ist lediglich marktgerechte Pose aus der Retorte.

Ohne Insubordination geht es nicht

Was bleibt, ist ein nostalgischer Science-Fiction-Film, der den Geist der Zeit kurz vor der Studentenrevolte und der mit ihr einhergehenden Kulturrevolution atmet. „Ohne Insubordination geht es nicht“, lautet die Message; das haben McLane und die Helden von „08/15“ gemeinsam. Das heutige Publikum darf 92 Minuten lang ohne Reue oder Schamgefühl über nicht mehr ganz zeitgemäße Scherze lachen, so wie beim Familienabend, bei dem der Opa alte Urlaubsdias zeigt: Sixties reloaded!

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