Wilbur wants to kill himself

- | Dänemark/Schweden/Großbritannien/Frankreich 2002 | 109 Minuten

Regie: Lone Scherfig

Ein von unstillbarer Todessehnsucht getriebener Mittdreißiger zieht nach zahlreichen Selbstmordversuchen zu seinem älteren Bruder. Als er sich in die Frau des an Krebs Erkrankten verliebt, lernt er trotz einiger Rückfälle das Leben zu lieben. Ein Film, der dem Themenkomplex um Leben, Liebe, Tod, Glück und Unglück mit einem Schuss englischen Humors auf den Grund zu gehen versucht, wobei er formal zu neuen Ufern aufbricht. Unterstützt von einem starken Schauspieler-Ensemble, verdichtet sich die bittersüße Tragikomödie zur humorvoll-nachdenklichen Studie über die "erträgliche Schwere des Seins". - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
WILBUR WANTS TO KILL HIMSELF | WILBUR | WILBUR BEGAR SELVMORD
Produktionsland
Dänemark/Schweden/Großbritannien/Frankreich
Produktionsjahr
2002
Produktionsfirma
Zentropa/Wilbur/Biograf/TV 2 Danmark/STV/Nordisk Film/Det Danske Filminstitut/Scottish Screen/Les Films du Losange/The Glasgow Film Fund
Regie
Lone Scherfig
Buch
Anders Thomas Jensen · Lone Scherfig
Kamera
Jørgen Johansson
Musik
Joachim Holbek
Schnitt
Gerd Tjur
Darsteller
Jamie Sives (Wilbur) · Adrian Rawlins (Harbour) · Shirley Henderson (Alice) · Julia Davis (Moira) · Mads Mikkelsen (Horst)
Länge
109 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
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Verleih DVD
Kinowelt
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Diskussion
„Hast du ein riesiges, weißes Licht gesehen?“, fragt Harbour seinen Bruder, der gerade wieder einmal versucht hat, sich das Leben zu nehmen. „Da ist nichts“, antwortet Wilbur, „nur Schwärze und völliges Schweigen. Es ist ein bisschen so wie in Wales zu sein.“ In diesem Dialog ist die tragikomische Stimmung des Films auf den Punkt gebracht, der die schon in Lone Scherfigs letztem Film („Italienisch für Anfänger“, fd 35 244) angesprochenen Probleme um Leben, Liebe und Tod auf bittersüße Weise vertieft. Der von einer scheinbar unstillbaren Todessehnsucht getriebene Wilbur versucht, mit allen möglichen Selbstmordmethoden dem Leben zu entrinnen. Doch ob er nun den Gashahn aufdreht, sich einen Strick um den Hals legt oder die Pulsadern aufschneidet – immer wieder wird er in letzter Sekunde gerettet. Da sich Wilbur gegen jede Art von Beratung als resistent erweist, wirft ihn der zynische Therapeut Dr. Horst aus seiner Patientengruppe. Da ihm außerdem auch sein Vermieter die Wohnung gekündigt hat, nimmt ihn sein Bruder bei sich auf. Harbour, der das elterliche Antiquariat weiterführt, hat sich gerade in die arbeitslose Alice verliebt, die mit ihrer Tochter Mary ebenfalls bei ihm einzieht. So kann sie sich um die Buchhandlung und um den Lebensmüden kümmern, der weiter seiner „Passion“ frönt. Wilbur, der eine seltsame Anziehungskraft auf Frauen ausübt, weist zwar die Avancen von Alices Kolleginnen Moira und Sophie durchaus nicht zurück, fühlt sich aber immer mehr zur Frau seines Bruders hingezogen. Als Harbour erfährt, dass er an Bauchspeicheldrüsenkrebs erkrankt ist, nimmt die Handlung eine makabre Wende: Wilbur spürt, dass die Liebe das Leben aller Mühe wert macht, während Harbour, der so gerne leben möchte, dem Tod ins Auge sieht.

Scherfig drehte diese Tragikomödie vornehmlich mit britischen Darstellern in Schottland und in englischer Sprache, um ihre Chancen auf dem internationalen Markt zu verbessern. Obwohl der Film erneut digital aufgenommen wurde, hat sie den „Dogma“-Regeln weitgehend abgeschworen und in kinoträchtigem CinemaScope- Format gedreht. Die ruhigen, nur von wenigen langsamen Kamerafahrten und Kranaufnahmen strukturierten Bilder sind sorgfältig kadriert und halten den Zuschauer eher auf Distanz. Die sprichwörtliche Authentizität und Nähe des „Dogma“- Stils muss man sich hier erarbeiten, wobei das Spiel der überzeugenden Schauspieler dem Zuschauer entgegenkommt. Jamie Sives und Adrian Rawlings statten ihr ungleiches Brüderpaar trotz der tragischen Grundkonstellation genau mit jenem Schuss Komik aus, der die Balance zur Tragik hält. Und Shirley Henderson spielt die schüchterne Alice mit so viel Verletzlichkeit und Wahrhaftigkeit, dass trotz allen Leids auch das Glück der neuen Liebe nachvollziehbar wird, ohne dass ihre Zuneigung zu Harbour in Frage gestellt wäre.

Scherfig und ihr Co-Autor Anders Thomas Jensen, der auch die Drehbücher zu „Mifune“ (fd 33 696) und „Open Hearts“ (fd 35 737) verfasste, gehen ihr ungewöhnliches Thema mit einer Selbstverständlichkeit an, die makaber-morbide Klippen ihrer schwarz-romantischen Tragikomödie zu meiden hilft. So, wie manche Dialoge erst während der Zusammenarbeit mit den Schauspielern ihre endgültige Form erhalten, wirkt auch der Umgang mit dem Tod weniger als „Kopfgeburt“, sondern scheint sich im Zusammenspiel der Protagonisten entwickelt zu haben. So natürlich verquickt hat man die Liebe, das Leben und den Tod im Kino selten gesehen. Auch hält die Eigendynamik der Handlung wie der Charaktere den Film in einer seltsamen Schwebe: einerseits versteht man die Gefühle der Protagonisten, andererseits wird man von ihnen nicht überwältigt – obwohl Joachim Holbeks Soundtrack gerade das versucht und dem Film so eine unnötige Schwere verleiht.

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