- | Deutschland 2003 | 135 Minuten

Regie: Margarethe von Trotta

Im Februar 1943 versammelten sich Hunderte Männer und Frauen in der Rosenstraße in Berlin, um nach der Verhaftung ihrer jüdischen Ehepartner deren Freilassung zu erzwingen. Der Film bettet das historisch außergewöhnliche Geschehen in eine Rahmenhandlung ein, die zwischen der Gegenwart in New York und Berlin und der Zeit im Dritten Reich changiert. Die damit angestrebte, auch psychologische Komplexität mündet allerdings eher in dramaturgische Kompliziertheit. Als Irrtum erweisen sich zudem einige auf Schauwert zielende Szenen, die den zur Kargheit drängenden Stoff unnötig aufblasen und seinen im Grunde kammerspielartigen Ton vermeintlich großen Bildern opfern. - Ab 14.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2003
Produktionsfirma
Get Reel/Studio Hamburg/Tele-München
Regie
Margarethe von Trotta
Buch
Pamela Katz · Margarethe von Trotta
Kamera
Franz Rath
Musik
Loek Dikker
Schnitt
Corina Dietz
Darsteller
Katja Riemann (Lena Fischer) · Maria Schrader (Hannah Weinstein) · Jürgen Vogel (Arthur von Eschenbach) · Martin Feifel (Fabian Fischer) · Hans Peter Hallwachs (Baron von Eschenbach)
Länge
135 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Externe Links
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Heimkino

Die Extras umfassen u.a. einen Audiokommentar der Regisseurin.

Verleih DVD
Concorde/EuroVideo (16:9, 2.35:1, DD5.1 dt.)
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Diskussion
Ende Februar 1943 wurden in Berlin über 5.000 Bürger jüdischer Herkunft verhaftet. Wie die Betroffenen waren auch ihre „arischen“ Partner von der Aktion vollkommen überrascht. Tagelang suchten sie verzweifelt nach Spuren, bis zu dem Zeitpunkt, als sie vor der ehemaligen Behörde für Wohlfahrtswesen und Jugendfürsorge der Berliner Jüdischen Gemeinde auf ein Zeichen stießen. Dort, in dem Haus in der Rosenstraße unweit des Alexanderplatzes, waren die Verschleppten zusammengepfercht. Bald fanden sich Frauen, Männer und Kinder ein, die ihren Angehörigen beistehen wollten – erst wenige, dann, als die Nachricht im Flüsterton weitergetragen wurde, immer mehr. Keiner von ihnen wusste, was das Regime vorgesehen hatte, vielleicht wussten es die Machthaber selbst nicht genau. Sollten die Festgenommenen als Arbeitssklaven eingesetzt werden? Warteten auf sie Deportation und Tod? Einen Plan, um dies zu verhindern, gab es nicht. Wie sollte er auch aussehen – die Terrormechanismen der Nazis galten ja als all zu „effizient“. Dass viele der Inhaftierten schließlich doch frei kamen, nachdem die Verwandten rund eine Woche, Tag und Nacht, vor dem Haus ausgeharrt hatten und sich auch von aufmarschierenden Polizisten nicht einschüchtern ließen, schien damals eine Art Wunder zu sein.

Bis zum Mai 1945 wurde darüber der Mantel der Schweigens gebreitet. Später passte der Vorgang kaum ins bequeme Bild von der Unmöglichkeit des Widerstands gegen die Nazis, das sich viele Deutsche zur Selbstberuhigung zurecht gelegt hatten, sofern sie überhaupt über ein Unrechtsbewusstsein verfügten. Das außerordentliche Geschehen wurde nicht publik, ähnlich wie die merkwürdige Ambivalenz des Industriellen und Judenretters Oskar Schindler ja auch lange nicht zur Sprache kam. Erst in den frühen 1990er-Jahren erfuhr eine größere Öffentlichkeit durch einen Dokumentarfilm von Daniela Schmidt über den „Widerstand in der Rosenstraße, Berlin 1943“.

Volker Schlöndorff, damals Geschäftsführer der Studio Babelsberg GmbH und auf der Suche nach erregenden Stoffen, die in „seinen“ Ateliers inszeniert werden könnten, machte Margarethe von Trotta auf den Vorfall aufmerksam. Bereits im Sommer 1994 entstanden erste Drehbuchentwürfe; doch weil die erwarteten Förderungen ausblieben, wurde das Spielfilmprojekt „Rosenstraße“ im Winter 1996 begraben. Erst drei Jahr später reaktivierte von Trotta den Stoff, angeregt durch den Fernsehredakteur Martin Wiebel: „Er dachte, dass die Zeit für die ‚Rosenstraße‘ jetzt vielleicht günstiger wäre als zuvor in der deutschen ‚Komödien- Zeit‘. Außerdem glaubte er, nach dem Regierungswechsel 1998 einen erkennbaren Wandel im Umgang mit der NS-Vergangenheit festzustellen. Das machte auch mir Mut“ (von Trotta).

Soweit zur Genesis des Films, der – und das ist aller Ehren wert – an ein unerhörtes Kapitel von Mut und Kraft, an einen konkreten Widerstreit von Tod und Liebe, Gewalt und Hoffnung erinnert. Leider überzeugt „Rosenstraße“ dann aber nur in Maßen. In den langen Phasen des Nachdenkens, Einreichens, Überarbeitens, Abschied- und Wiederaufnehmens ist aus der Geschichte eines spontanen „Aufstands“ ein partiell bleiernes, mit Motiven, Themen und Schauplätzen überfülltes Konstrukt geworden. Die Schwerfälligkeit des Films resultiert vor allem aus der in der Gegenwart platzierten Rahmenhandlung und deren umständlicher Exposition. Angeregt durch die dramaturgische Anlage ihres vorhergehenden Fernsehmehrteilers „Jahrestage“ (2000), lässt Margarethe von Trotta auch ihr neues Werk in New York beginnen, wo eine Frau (Jutta Lampe) zu Hause ist, die damals als kleines Mädchen in der Rosenstraße ihre Mutter verlor. Deren Tochter Hannah (Maria Schrader) wiederum ist nach dem Tod ihres Vaters durch das Verhalten der Mutter so irritiert, dass sie nach den Wurzeln, nach dem Vergessenen und Verdrängten in deren Biografie zu forschen beginnt. Während die Handlung zwischen den USA, dem Berlin der Gegenwart und dem der Nazi-Vergangenheit changiert, rücken irgendwann auch die Ereignisse von 1943 ins Bild, zunächst bruchstückund schemenhaft, dann in immer längeren Szenen. Doch ehe man sich zurechtfindet, geht der Faden – auch der emotionale – mehrfach verloren. Statt der angestrebten Komplexität, deren Notwendigkeit vor Drehbeginn noch einmal dringend zu befragen gewesen wäre, ist die Dramaturgie des Films unnötig kompliziert.

Ein zweiter, mehr als ästhetischer Irrtum ist die in die Handlung eingebrachte Ebene der „Schönen und Reichen“. Zu den Frauen, die vor den Toren des ehemaligen jüdischen Amtes ausharren, zählt nämlich auch Lena Fischer, eine Tochter aus preußischem Adelshaus. Diese Herkunft eröffnet dem Film zwar die Perspektive, das graue Ambiente der bedrohten, aus der Normalität abgedrängten „Mischehen“ zu verlassen und das Panorama damaliger Zustände zu erweitern. Doch die Inszenierung sieht dabei fatal nach einer Produktion von „Schauwerten“ aus. Wäre es in diesem Zusammenhang nicht unangebracht, müsste man die Entertainment- und Spaßeinlagen, den schwarzen Jazz und den Auftritt Lena Fischers bei Goebbels, vor dem sie das Marlene- Dietrich-Lied „Ich weiß nicht, zu wem ich gehöre“ singt (1943 – sic!), als Rückkehr zum „Ufa-Kino“ bezeichnen. Der zur Kargheit drängende Stoff wird unnötig aufgeblasen, sein kammerspielartiger Ton für vermeintlich große Bilder geopfert.

Wie dicht und beeindruckend sind dagegen einige stille Szenen und knapp umrissene, genau konturierte und gespielte Nebenfiguren! Stark etwa der Moment, in dem einer der verschleppten Männer an einem Fenster erscheint, die unten Stehenden ihn entdecken und mit ihrem verzweifelten Rufen beginnen. Großartig Jutta Wachowiak in der kleinen Nebenrolle einer Wartenden, die immer wieder Mut zu geben vermag. Oder der Polizist, der sich zum Mittler zwischen draußen und drinnen machen lässt, so lange ihm das möglich ist. Stark auch Doris Schade als gealterte Lena Fischer, die das Geheimnis ihrer Lebensgeschichte tief in sich verborgen hat. Katja Riemann und Martin Feifel als deren jüdischer Ehemann spiegeln die Liebe und Leidenschaft füreinander in beeindruckenden Momenten. Maria Schrader, die Suchende, dringt dagegen nur selten in die Tiefen ihrer Figur vor: Deren Brüche bereiten ihr sichtlich Schwierigkeiten; für psychologische Subtilität ist ihr forciertes, teils extrovertiertes Spiel kaum geeignet; mitunter wirkt sie unglaubwürdig, wenn sie etwa aus der Ferne ihren südamerikanischen Verlobten telefonisch abkanzelt – was nicht nur an der Schauspielerin liegen muss, sondern auch im Drehbuch verankert gewesen sein kann, das Dialogsätze bereithält, die kein Mensch sagen würde, etwa: „Ihr Anruf hat einen Sturm von Erinnerungen in mir ausgelöst“.

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