William Shakespeares Viel Lärm um nichts

Komödie | USA/Großbritannien 1993 | 111 Minuten

Regie: Kenneth Branagh

Zwei Liebespaare finden sich am Hof des Gouverneurs Leonato. Während Claudio und Hero unter einer bösartigen Intrige zu leiden haben, machen sich Beatrice und Benedict mit gegenseitigen Schmähungen und Sticheleien selbst das Leben schwer. Als rasant-übermütige "screwball comedy" konzipierte Shakespeare-Verfilmung, von einem gemischten Ensemble aus Theater- und Kinostars ausgezeichnet gespielt. Das Thema des Geschlechterkampfes steht im Mittelpunkt einer gleichermaßen werkgetreuen wie "populären" Theateradaption, die vor allem von ihrem sprühenden Sprachwitz lebt. (Video- und Fernsehtitel: "Viel Lärm um nichts") - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
MUCH ADO ABOUT NOTHING
Produktionsland
USA/Großbritannien
Produktionsjahr
1993
Produktionsfirma
Renaissance/American Playhouse/BBC (für Samuel Goldwyn Company)
Regie
Kenneth Branagh
Buch
Kenneth Branagh
Kamera
Roger Lanser
Musik
Patrick Doyle
Schnitt
Andrew Marcus
Darsteller
Denzel Washington (Don Pedro) · Kenneth Branagh (Benedikt) · Emma Thompson (Beatrice) · Robert Sean Leonard (Claudio) · Keanu Reeves (Don Juan)
Länge
111 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 6; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Komödie | Liebesfilm | Literaturverfilmung

Heimkino

Verleih DVD
EuroVideo (1.85:1, DD2.0 dt.)
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Diskussion
Ein Landsitz in der Toskana. Während eines sommerlichen Picknicks rezitiert Beatrice, die Nichte des Governeurs Leonato, ein Gedicht über die sprichwörtliche Untreue der Männer. Eine Nachricht verwandelt die heiter-entspannte Atmosphäre urplötzlich in geschäftige Hektik: Don Pedro, der Prinz von Aragon, nähert sich nach überstandener Schlacht mit einer Handvoll Adliger der Residenz. Ein gern gesehener Gast, zumal sich unter seinen Begleitern einige respektable Junggesellen befinden. So "funkt" es denn auch gleich bei der Begrüßung zwischen dem jungen Claudio und Leonatos Tochter Hero, während seine Nichte Beatrice sich scharfzüngige Wortduelle mit dem redegewandten Benedikt liefert. Als wohlwollender Patron nimmt Don Pedro die Geschicke der jungen Leute sogleich selbst in die Hand. Beim abendlichen Maskenball wirbt er für Claudio um Heros Hand. Trotz einer Intrige Don Juans, der seinem Halbbruder Pedro jeden Erfolg mißgönnt, ist die Hochzeit schnell beschlossene Sache. Für Don Pedro ein Anlaß, sich schwierigeren Unternehmungen zu widmen: nun sollen ausgerechnet Beatrice und Benedikt, die wortgewaltigen Verächter des jeweils anderen Geschlechts, zum Liebespaar gemacht werden. Dank der Mithilfe des halben Hofstaates nimmt auch dieser Plan seinen Lauf, indem beide zunächst mit List von der Liebe des anderen überzeugt werden.

Eine weitere Intrige Don Juans sorgt für einen Eklat und plötzliche Animositäten zwischen Gastgebern und Gästen. Von einem fingierten "Seitensprung" seiner Braut getäuscht, läßt Claudio die Hochzeit noch am Traualtar platzen, nicht ohne ihre vermeintliche Untreue öffentlich bloßzustellen. Hero fällt in Ohnmacht, wird von ihrer Familie für tot erklärt und bis zur Klärung des Falls versteckt. Ausgerechnet zwei tölpelhaften Gerichtsdienern gelingt es, die Verschwörer zu enttarnen und Heros beschädigten Ruf wiederherzustellen. Trotzdem droht ein Duell zwischen Claudio und Benedikt, der auf diese Weise die verbitterte Beatrice von seiner Liebe überzeugen und Heros "Tod" rächen will. Zur allgemeinen Aussöhnung kommt es erst, als Claudio sich bereiterklärt, zur Sühne eine vermeintliche Nichte Leonatos zu heiraten, die sich bei der Trauung als höchst lebendige Hero entpuppt. Einer Doppelhochzeit steht nichts mehr im Weg, auch wenn Beatrice und Benedikt noch vor den geladenen Gästen nicht auf gegenseitige Schmähungen verzichten mögen.

Nach Kenneth Branaghs turbulenter Inszenierung wird man in Shakespeare wohl den Erfinder der "screwball-comedy" sehen müssen.

Denn tatsächlich verblassen all die Fürsten, Intriganten und wahrhaft Liebenden schnell zu Statisten, wenn Beatrice und Benedikt (gespielt von Emma Thompson und ihrem regieführenden Ehemann) ihren Schmähungen und Hetztiraden freien Lauf lassen. Lästerei als Liebeswerben und das Happy-End als Feuerpause - Shakespeares widerspenstige Liebende geben ein denkbar "modernes" Paar ab, gleichermaßen beunruhigt vom Mit - wie vom Ohne-Einander-Sein. Will man an Branaghs Inszenierung etwas aussetzen, dann wohl die leicht übertriebene Dominanz der beiden Figuren schon zu Beginn des Films. Da "badet" Emma Thompson während des Eröffnungsmonologs geradezu in warmem Licht, während ihr Text doch bereits das Thema des bissigen Geschlechterkampfs ankündigt; da verrät Branaghs sich ständig überschlagende Stimme in der ersten halben Stunde noch einen Mangel an Ruhe und Souveränität. Solche Schwächen fallen allerdings kaum ins Gewicht angesichts eines (wie stets in Branaghs Filmen) unglaublich spielfreudigen Ensembles, in dem sich renommierte Theaterschauspieler neben zugkräftigen Kinostars wiederfinden. Denzel Washington stattet seinen Don Pedro mit einer unaufdringlichen Autorität aus, Keanu Reeves zeichnet die undankbare Rolle des Don Juan (der in der Mitte des Stücks einfach verschwindet) als eher tragische denn eindimensional-böse Figur; einzig Robert Sean Leonard als Claudio wirkt einmal mehr über die Maßen pathetisch. Einen clownesken Glanzpunkt setzt "Batman" Michael Keaton als tumber Gerichtsdiener Holzapfel, dessen Auftritte die handfestere Seite Shakespearscher Komik auf die Spitze treiben.

Branaghs bereits in "Henry V." (fd 28 627) so überzeugend aufgegangenem Konzept eines modernen und volksnahen Shakespeare kommt dieser "leichte" Stoff naturgemäß entgegen. Bei aller "populistischen" Orientierung, die auch vor der Nähe zum Klamauk nicht zurückschreckt, bleibt seine Inszenierung dem Stück doch - von einigen Kürzungen abgesehen - völlig treu. Feiern doch gerade die zentralen Dialoge zwischen Benedikt und Beatrice die Macht und Schönheit der Sprache. Konsequenterweise bleibt die Kameraführung in diesen Passagen weitgehend auf Nah- und halbnahe Aufnahmen beschränkt, um an anderer Stelle (Ankunft der Gäste, Maskenball, Hochzeitsfeiern) die Dynamik des Geschehens zu unterstreichen. Daß man schließlich auch mit relativ einfachen und traditionellen Mitteln erfolgreich arbeiten kann, beweist eine der schönsten und komischsten Szenen des Films, in der Don Pedro, Leonato und Claudio den hinter einer Hecke lauschenden (und mit den Tücken eines Liegestuhls kämpfenden) Benedikt von Beatrices Liebe überzeugen. Eine schon klassische komödiantische Situation, die hier von allen Beteiligten mit soviel Verve vorgetragen wird, daß deren offensichtliches Vergnügen zwangsläufig ansteckt. Branaghs vierter Film ist vor allem deswegen ein wunderschönes Stück Kino: er erzählt seine klassisch-zeitlose Geschichte so spannend und kurzweilig, als hörte man sie zum ersten Mal.
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