Ich habe keine Angst

Drama | Italien/Spanien/Großbritannien 2003 | 109 Minuten

Regie: Gabriele Salvatores

Ein neunjähriger Junge findet inmitten von Feldern in Süditalien einen in einem Erdloch gefangenen, völlig verstörten Gleichaltrigen. Er behält dieses Geheimnis für sich, entdeckt aber bald dunkle Machenschaften der Erwachsenen des Dorfes, die damit zusammenhängen. Poetische Filmerzählung über eine kindliche Wahrnehmung zwischen Abenteuer, Einbildung und harter Wirklichkeit. In symbolhaften Bildern inszeniert und radikal aus der Sicht des Jungen erzählt, bietet der Film auch für ältere Kinder spannende Unterhaltung. - Sehenswert ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
IO NON HO PAURA
Produktionsland
Italien/Spanien/Großbritannien
Produktionsjahr
2003
Produktionsfirma
Alquimia/Cattleya/Colorado Film/Medusa/The Producers Film
Regie
Gabriele Salvatores
Buch
Niccolò Ammaniti · Francesca Marciano
Kamera
Italo Petriccione
Musik
Ezio Bosso · Pepo Scherman
Schnitt
Massimo Fiocchi
Darsteller
Giuseppe Cristiano (Michele) · Mattia Di Pierro (Filippo) · Stefano Biase (Salvatore) · Dino Abbrescia (Pino, Vater von Michele) · Aitana Sánchez-Gijón (Anna, Mutter von Michele)
Länge
109 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Genre
Drama
Externe Links
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Heimkino

Die Extras umfassen u.a. einen Audiokommentar des Regisseurs.

Verleih DVD
Kinowelt (16:9, 2.35:1, DD5.1 ital./dt.)
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Diskussion
Kinderspiele: Wer ist der Chef, wer gehorcht, wer traut sich was, und wer bleibt auf der Strecke? Der neunjährige Michele, seine kleinere Schwester und ein paar Freunde streifen im heißen süditalienischen Sommer des Jahres 1978 durch die hoch stehenden Kornfelder und entdecken ein halb verfallenes Haus, das frische Spuren menschlicher Anwesenheit zeigt. Michele ist nicht der Chef der Gruppe, aber als er, nach einem Nachmittag der Mutproben, allein zurück bleibt, ist er es, der etwas Ungeheuerliches entdeckt: ein tiefes Erdloch, in dem ein Mensch unter einer Decke liegt. Noch glaubt er an eine Leiche, doch dann bewegt sich dort unten etwas. Michele wird mit einem völlig verstörten und verdreckten Jungen gleichen Alters konfrontiert, dem er von nun an seine Fürsorge zuteil werden lässt – ohne Wissen der Anderen, geschweige denn der Erwachsenen. Erst als er diese eines Nachts belauscht, erkennt er, dass seine Eltern und deren zwielichtigen Freunde etwas mit dem Schicksal des Jungen zu tun haben.

Die Eltern besitzen nicht viel Geld, scheinen aber ein normales Paar zu sein. Erst als die fremden Männer kommen, geht es streng hierarchisch zu im Haus: Ein gewisser Sergio hat jetzt das Sagen, ein Draufgänger, der seine Mitstreiter Feiglinge nennt. Diesmal ist es kein Spiel, das erkennt Michele, und auch, dass er seinen neuen Freund schützen muss, zunächst auch vor sich selbst. Denn der Kleine ist nicht nur kaum imstande zu sprechen, er glaubt auch, tot zu sein, gefangen in der Unterwelt; Michele hält er für einen Engel. Die ersten Begegnungen der beiden Jungen sind ebenso ergreifend wie rätselhaft. Es sind Momente zwischen Spiel und Ernst, zwischen Micheles Einbildungskraft und der des Jungen. Sie erzeugen einen unwirklichen Schwebezustand, den bereits die ersten traumhaften Bilder des Films vorweg nehmen, als die Kinder durch ein Meer von Getreide zu fliegen scheinen. Regisseur Gabriele Salvatores hat die Geschichte derart streng aus Micheles Sicht erzählt, dass er die Bilder in dessen Augenhöhe von einsdreißig aufnehmen ließ. Mit Hilfe des fremden Jungen verändert sich Micheles Blick, dessen wohlbehütete Kindheit auf dem Land so unerschütterlich schien: Zum ersten Mal sieht er in den Abgrund dessen, was man als triste Wirklichkeit bezeichnen mag. Aber Salvatores wirft seinen kleinen Hauptdarsteller nicht ins kalte Wasser, er schafft fließende Übergänge – eine Methode, die auch seine preisgekrönte Kriegsparabel „Mediterraneo“ (fd 29 728) prägte und sich hier in vielen Details niederschlägt. Selbst Sergio, der grobe Klotz, fantasiert Michele gegenüber zunächst von einer Traumwelt, vom Paradies seiner angeblichen Heimat Brasilien, natürlich ist dies nicht einmal die halbe Wahrheit. Auch diverse Symbole und motivische Wiederholungen variieren das Thema, das Salvatores aus der Romanvorlage destilliert hat, die auf deutsch „Die Herren des Hügels“ heißt und deren Autor Niccolò Ammaniti auch Co-Autor des Drehbuchs ist. Am Ende, als das winzige Dorf, in dem die Kinder und ihre Eltern wohnen, plötzlich menschenleer ist, scheint wieder ein Spiel im Gange zu sein, eines, in dem die Kinder plötzlich das Sagen haben. Das wiederum ist dann gar nicht mehr so weit von der Wirklichkeit entfernt.

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