Zwerg Nase (2002)

Zeichentrick | Russland 2002 | 80 Minuten

Regie: Ilja Maximow

Eine böse Hexe benötigt einen gutmütigen Menschen, um die Herrschaft im Königreich zu erlangen, weshalb sie neben der Königstocher auch einen ehrlichen Schustersohn entführt. Dem gelingt zwar die Flucht, doch ein Zauber verunstaltet ihn zu einem langnasigen Zwerg. Er findet die in eine Gans verwandelte Prinzessin und versucht, den Bann zu brechen und den König zu warnen. Nach siebenjähriger Abwesenheit ist das kein leichtes Unterfangen, denn der Junge wird vom Dorf mit Feindseligkeit und Spott empfangen. Fantasievolle Zeichentrick-Verfilmung des Märchens von Wilhelm Hauff, die durch detailfreudige Szenerien und die virtuose Spannungsdramaturgie begeistert. Nicht nur für Anhänger traditionell gefertigter Trickfilme ein Augenschmaus. - Sehenswert ab 6.
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Filmdaten

Originaltitel
KARLIK NOS
Produktionsland
Russland
Produktionsjahr
2002
Produktionsfirma
Melnitsa Animation/CTB
Regie
Ilja Maximow
Buch
Alexander Bojarski
Musik
Walentin Wasenkow
Länge
80 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 6.
Genre
Zeichentrick | Märchenfilm

Heimkino

Verleih DVD
Warner (1:1.78/16:9/Dolby Digital 5.1)
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Diskussion
Jakob ist ein rundum glücklicher kleiner Junge. Er hilft in der Schusterwerkstatt seines Vaters und ist vor allem wegen seiner Gutmütigkeit und Ehrlichkeit im Dorf sehr beliebt. Für eine böse Hexe stellt er deshalb das ideale Werkzeug dar, weil sie einen unschuldigen und völlig ahnungslosen Helfershelfer benötigt, um über das Königreich zu herrschen: Nur mit dem Wesen eines gutmütigen Menschen kann sie ihre volle Zauberkraft erlangen. Doch der Plan will nicht gelingen. Jakob, der ein kleines Mädchen in der Gefangenschaft der Königin wähnt, schöpft Verdacht und kann den Bannkreis der Hexe meiden. Doch diese hat ihn schon für sein Leben gezeichnet: Sieben Jahre ließ sie seit seiner Ankunft im Schloss verstreichen. Eine überdimensionierte Nase verunstaltet nun sein Gesicht, und die gebückte Haltung, die Jakob einnehmen muss, erinnert eher an einen buckeligen Gnom als an den lebenslustigen Schustersohn. Das Leben des einstmals beliebten Jungen scheint zerstört. Sein Vater ist vor Gram gestorben, und als er jetzt wieder nach Hause kommt, wird er zum Gespött des Dorfes und selbst von seiner Mutter nicht mehr erkannt. Auch der König des kleinen Reiches ist seines Lebens überdrüssig. Seit sieben Jahren vermisst er seine Tochter, von der niemand seither je eine Spur gefunden hat. Auf seiner Flucht rettet Jakob eine Gans aus den Fängen des Hexendieners – die sich als die verschollene Prinzessin entpuppt. Auch sie war durch einen Fluch gebannt. Beide müssen nun versuchen, ihrem Fluch zu entrinnen und den König vor den Plänen der Hexe zu warnen.

Kaum eine andere Filmgattung ist im Augenblick stärker im Umbruch als der Trickfilm. Buena Vista, immer noch der Inbegriff des Qualitätstrickfilms, schließt ganze Produktionssparten, die für die traditionelle 2D-Animation stehen; Pixar („Findet Nemo!“, fd 36 237) hat sich von Disney getrennt; gleichzeitig feiert der digitale Animationsfilm Einspielrekorde und erhält inzwischen auch die Weihen renommierter Festivals wie Cannes und Berlin. Außerdem öffnet sich der westliche Markt immer mehr Produktionen, die nicht aus Hollywood stammen; neben asiatischen Trickfilmen kommen selbst „Exoten“ wie der belgische Film „Belville – Rendezvous“ und jetzt sogar ein russischer Beitrag in die amerikanischen Kinos; der US-Major Warner hat sich im Fall von „Zwerg Nase“ auch für Deutschland die Vertriebsrechte gesichert.

„Zwerg Nase“ ist in mehrfacher Hinsicht ein bemerkenswertes Werk. Nicht nur, dass seit mehr als 40 Jahren erstmals wieder ein Animationsfilm aus St. Petersburg, der einstigen Trickfilmhochburg Russlands, in die (internationalen) Kinos kommt, auch die Produktionsbedingungen scheinen hoffnungslos anachronistisch. Mehr als zwei Jahre arbeitete man an der Konzeption und Umsetzung dieses abendfüllenden Trickfilms. Dabei verzichtete man größtenteils auf aufwändige 3D-Computeranimation, sondern realisierte das Projekt im traditionellen Stil klassischer Disney-Zeichentrickfilme. Für US-Studios ist ein solches Unterfangen inzwischen viel zu personal- und kostenintensiv, in St. Petersburg aber hatte man offenbar noch genügend Zeit und Mitarbeiter und schuf eine bis in die Hintergründe detailverliebte Szenerie in sorgfältiger Umsetzung. Das Ergebnis ist nicht in allen Sequenzen geglückt, aber über weite Strecken atemberaubend, beispielsweise in der Marktplatzsequenz, in der sich in den Panorama-Shots in jedem Winkel eine kleine Geschichte abspielt. Man muss schon weit in der Tradition der Disney-Trickfilme zurückgehen, um ähnlich aufwändige Passagen geboten zu bekommen. Leider haben sich die Hersteller aber auch eine Unart der amerikanischen Kollegen zu eigen gemacht: In kurzen Abständen erklingen schmalzige Balladen und Duette, die in einer Mischung aus russischen Schlagern und amerikanischem Pathos am Rande des Erträglichen angesiedelt sind. Doch sieht man einmal von diesem Manko ab, ist den russischen Trickfilmkünstlern eine lebendige und fantasievolle Adaption des Märchenklassikers gelungen, wie sie im Zuge der fortschreitenden 3D-Digitalisierung des Animationsfilms nicht mehr allzu häufig zu sehen sein wird.

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