Bärenbrüder

Kinderfilm | USA 2003 | 85 Minuten

Regie: Aaron Blaise

Ein junger Indianer wird mit dem Bärentotem auf Initiationsreise geschickt und lernt auf einem langen Weg, sein Schicksal als Bär anzunehmen. Nach seiner Verwandlung in das gefürchtete Tier findet er nicht nur einen Begleiter, sondern auch Gefallen an seiner neuen Rolle. Unterhaltsamer, zeichnerisch hervorragend gestalteter Disney-Zeichentrickfilm mit spirituellen Dimensionen. Diese können für kleinere Kinder mitunter etwas zu schwergewichtig erscheinen, zumal der Film diverse Lehren und Religionen allzu sorglos und ohne erkennbare innere Einheit vermischt. - Ab 8 möglich.
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Filmdaten

Originaltitel
BROTHER BEAR
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
2003
Produktionsfirma
Walt Disney Pictures
Regie
Aaron Blaise · Robert Walker
Buch
Steve Bencich · Ron Friedman · Lorne Cameron · David Hoselton
Musik
Phil Collins · Mark Mancina
Länge
85 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 8 möglich.
Genre
Kinderfilm | Zeichentrick
Externe Links
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Heimkino

Die Extras enthalten u.a. ein Feature mit 3 nicht verwendeten Szenen (11 Min.).

Verleih DVD
Buena Vista (16:9, 1.66:1, DD5.1 engl./dt., DTS dt.)
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Diskussion
Der 44. abendfüllende Zeichentrickfilm aus dem Hause Disney, vielleicht der letzte mit überkommenen Animationstechniken, spielt am Ausgang der Eiszeit im Nordwesten der USA. Er erzählt die Geschichte der drei indianischen Brüder Kenai, Denahi und Sitka sowie die des jungen Bären Koda und seiner Mutter. Die Handlung beginnt mit dem Tag, an dem der junge Kenai sein Totem erhält, das ihn an der Schwelle zum Erwachsensein zeigt. Dass die Schamanin ausgerechnet das Bärentotem für ihn ausgesucht hat, das Symbol der Liebe, macht ihn unzufrieden, hatte er doch mit etwas Männlicherem gerechnet. Zu allem Überfluss raubt ein großer Bär seine gesamte Fischfangbeute. Wütend hetzt Kenai hinter dem Bären her, um ihm die Beute wieder abzujagen. Sein Leichtsinn aber kostet dem besonnenen ältesten Bruder Sitka das Leben. Jetzt schwört Kenai erst recht Rache. Tatsächlich kann er den Bären in einem Kampf auf Leben und Tod mit viel Glück besiegen. Doch in diesem Moment greifen die Götter ein und verwandeln Kenai selbst in einen jungen Bären, um ihm auf den von seinem Totem bezeichneten Lebensweg zu helfen. Allerdings – und man kann lange darüber nachgrübeln, ob auch dies Teil der „Vorsehung“ ist – kommt unmittelbar nach Kenais Verwandlung sein Bruder Denahi hinzu, der glaubt, dass auch Kenai der „Bestie“ Bär zum Opfer gefallen ist. Blind vor Hass, nimmt er die Jagd nach seinem Bruder – dem Bären – auf. Doch zunächst muss sich Kenai mit ganz elementaren Problemen herumschlagen, hat er sich doch mit der Perspektive der Bären vertraut zu machen. Dadurch wird er mit den zuvor von ihm selbst geteilten Vorurteilen konfrontiert und muss auch erleben, dass allein sein Anblick bei anderen Tieren (und Menschen) Panik auslöst.

Bevor es allzu verstörend wird, erscheint ihm die Schamanin und gibt ihm einen kryptischen Rat, wie er sich in einen Menschen zurückverwandeln kann. Er soll sich auf die Suche nach dem Berg machen, „wo das Licht die Erde berührt“. So wird der Erziehungsroman zum Road Movie – und damit Kenai die folgenden Abenteuer nicht allein erleben muss, bekommt er den lustigen jungen Bären Koda als Buddy beigestellt. Von ihm erfährt Kenai wichtige Informationen über das Leben als Bär; zugleich wird ihm aber auch die Verantwortung für den Kleinen übertragen, der sich immer schon einen großen Bruder gewünscht hat. So wird für Kenai die Reise zum Ort seiner Erlösung zum Trip in eine ihm fremde Kultur: die Kultur der Bären. Dort trifft man sich zum traditionellen Lachsfest und nutzt die Zusammenkunft, um sich neue Geschichten über die „Bestie Mensch“ zu erzählen. Hier stellt sich auch heraus, dass Koda ein Waisenkind ist, wofür – der Zuschauer ahnt es längst – niemand anderer als Kenai die Verantwortung trägt. Es sind ungewöhnliche Themen wie Tod, Schmerz, Schuld und Verantwortung, die „Bärenbrüder“ anschlägt, und es ist für einen Film, der sich primär an ein junges Publikum richtet, durchaus ungewöhnlich, wie er diese Themen präsentiert. Die Kämpfe auf Leben und Tod zwischen den Menschen und den Bären werden ausführlich und vergleichsweise drastisch vorgeführt, und es scheint zumindest fraglich, ob diese „Erfahrung“ bei Kindern durch die wiederholt vorgeführte Durchlässigkeit der Sphären von Leben und Tod relativiert wird. Immerhin knüpft „Bärenbrüder“ in seiner Rekonstruktion eines pantheistischen Weltverständnisses an japanische Erfolganimes wie „Prinzessin Mononoke“ (fd 34 790) an, auch wenn die Zeit, in der „Bärenbrüder“ spielt, selbstredend die von „Ice Age“ (fd 35 344) ist. Allerdings zeichnet sich „Bärenbrüder“ durch einen originellen Tonfall aus, der ihn zum interessantesten Disney-Film seit langem macht. Im Zentrum geht es darum, durch einen radikalen Perspektivwechsel Verständnis und Respekt vor einer fremden Kultur zu erwerben. Weil dieser Lernprozess für Kenai auf schmerzhafte Weise mit seiner Schuld am Tod des Bruders und am Tod von Kodas Mutter verknüpft ist, entscheidet sich Kenai schließlich dafür, die Rolle als Kodas Bruder beizubehalten und nicht mehr als Mensch in die Menschwelt zurückzukehren. Das Showdown am mystischen Berg versöhnt Jäger und Gejagte, hebt die Trennung zwischen Bären und Menschen wie auch zwischen Diesseits und Jenseits zumindest für kurze Zeit auf und macht die Verblendeten sehend. Das ist selbst für einen Disney- Film ganz schön happig, weil dieser schmerzhafte Transfer der Aufgabe der Herkunftsfamilie und die Konstitution einer neuen, auch noch beschädigten Gemeinschaft gegen Hollywood-Konventionen verstößt.

Da trifft es sich, dass „Bärenbrüder“ in anderer Hinsicht sein Soll übererfüllt. Die liebevoll und detailgenauen Sets des Nordwestens sowie die erstaunliche Lichtdramaturgie der Zeichnungen kommen im CinemaScope- Format prachtvoll zur Geltung. Für ältere Zuschauer hält der Film mit den schwedischen Elchen Björn und Benny zwei wirklich komische Sidekicks bereit. Viele einzelne Episoden, etwa das Bären-Meeting am Fluss oder die Reise mit den Mammuts, sind derart lustvoll ausfabuliert, dass die Lebensfreude in den Zuschauersaal übergreift. Und für die in Disney-Filmen mittlerweile wohl unvermeidlichen Songs von Phil Collins gilt, zumal in ihrer deutschen und somit für alle Beteiligten – Sänger wie Zuschauer – semantisch völlig unverständlichen Version, was für Phil-Collins-Songs generell gilt: Da muss man eben durch.

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