Zeichentrick | Polen 2002 | 75 Minuten

Regie: Andrzej Czeczot

Zwischen Hades, Tiefsee, Noahs Arche, dem Weltall und New York wechseln die Schauplätze, durch die ein unbedarfter Schäfer leitet. Einem Pandämonium gleich, präsentiert der assoziative Animationsfilm in naiv-kindlichem Zeichenstil die Untiefen menschlicher Kulturgeschichte. Der stumme, mit einem expressiven Soundtrack versehene Trickfilm zelebriert auf hässliche, brutale und zugleich witzige Weise die Lust am Absurden, ernüchtert aber angesichts einer gewissen Beliebigkeit sowie seiner überbordenden, aber richtungslosen Fantasie. (O.m.d.U.) - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
EDEN
Produktionsland
Polen
Produktionsjahr
2002
Produktionsfirma
Europa Film
Regie
Andrzej Czeczot
Buch
Andrzej Czeczot
Musik
Michal Urbaniak
Schnitt
Teresa Miziolek · Wieslaw Nowak
Länge
75 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Zeichentrick
Externe Links
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Diskussion
Es ist schon einige Jahre her, dass die Vergnügungssteuer die Betreiber diverser Bahnhofskinos dazu zwang, vor so manchem Actionkracher einen jener kunstvollen Kurzfilme zu spielen, der ihnen zwar die Steuer sparte, dem einschlägig interessierten Publikum indes zur Qual wurde. Meist waren es ambitionierte, mit dem Prädikat „besonders wertvoll“ versehene Animationsfilme, die ihre Botschaft in mehr oder minder plakativer Ornamentik zum Besten gaben. Oberflächlich gesehen, erinnert „Eden“ an diese Art von Kunstfilmen, die inzwischen gänzlich aus dem Kinobetrieb verschwunden sind. Eine Aura des Anachronistischen und des Angestaubten umgibt die Animation des 70-jährigen, im polnischen Krakau geborenen Zeichners und Illustrators Andrzej Czeczot, dessen Arbeit weder durch großartige 3D-Effekte noch aufwändig auf Naturalismus getrimmte Akribie glänzt. Vielmehr wirkt sie so naiv, wie der kleine Protagonist Youzeck, der mit schwarzem Mantel und Kappe durch die Geschichte stakst und als Kommentar zu dem, was er erlebt, mit der Holzflöte am Mund ein Lied trällert. An der Seite dieses in Schwarz-Weiß getuschten Männchens erlebt der Zuschauer eine Reise durch die grellbunte Höllenfantasie seines Schöpfers Czeczot. Die Bilder, in denen sich Youzecks fantastische Reise ausgestaltet, erinnern an Hieronymus-Bosch-Gemälde vom Jüngsten Gericht. Nur sind die Chimären und Höllengestalten eher im Geist der naiven Malerei eines Henri Rousseau oder der absurden Animationen eines Terry Gilliam gehalten; stilistisch gänzlich beseelt von der Infantilität und Einfachheit schlichter Kinderzeichnungen. Mit landläufigen Vorstellungen vom Paradies hat die Szenerie rein gar nichts zu tun.

Die Erlebnisse des als Beobachter durch Zeit und Raum torkelnden Youzeck thematisieren höchst weltliche Fixpunkte menschlicher Kulturgeschichte. Von Hölle, Hades, Limbo, Blocksberg bis Weltall wechseln die Schauplätze; Sintflut, die Tiefsee oder New York bestimmen die Geschicke des tumben Hirten. Prometheus und Luzifer, Paganini und Elvis, Noah und der Herrgott begleiten seinen ziellosen Weg. Inhaltlich erschließt sich der stumme, mit einem expressiven Soundtrack aus Klassik und Experimentalklängen versehene Film allenfalls über den assoziativen Kombinationswillen des Zuschauers, denn Czeczots „Brainstorming“ über die Untiefen menschlicher Zivilisation hat einzig den Weg als Ziel und zelebriert die Lust am Absurden. So wird Dalí beim Malen seiner brennenden Giraffe vom entgleitenden Felsen des Sisyphus zermalmt, während Youzeck das inzwischen gegarte Modell Dalís zum Abendbrot verspeist und beim Verdauungsschläfchen vom musikalischen Duell zwischen Paganini und Chopin träumt. Die Assoziationsketten sind hässlich, brutal und witzig zugleich und verweigern sich allen vorschnellen Versuchen, eine „Moral von der Geschicht’“ zu finden. Das belastet „Eden“ aber zugleich mit dem Vorwurf der Beliebigkeit: So viel Fantasie im Trommelfeuer ermüdet, wenn der bereitwillige Betrachter erkennt, dass sie zu nichts führt

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