Metallica: Some Kind of Monster

Musikfilm | USA 2003 | 139 Minuten

Regie: Joe Berlinger

Dokumentarfilm über die "St. Anger"-Produktion der Heavy-Metal-Band "Metallica". Was zunächst als eine Art "Making of" geplant war, entwickelte sich im Laufe der zweijährigen Entstehungszeit zu einem intensiven Psychogramm der erfolgreichsten Heavy-Metal-Band, das von Selbstzerfleischung bis zur Selbstfindung die gesamte Palette künstlerischer Egomanien streift. Die Filmemacher verstehen es dabei meisterlich, den kreativen Produktionsprozess mit den zwischenmenschlichen Eigenheiten der Band zu verweben. Ein beeindruckendes Beispiel von dokumentarischer, formal virtuos strukturierter Wahrheitsfindung. - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
METALLICA: SOME KIND OF MONSTER
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
2003
Produktionsfirma
Third Eye/@radical.media
Regie
Joe Berlinger · Bruce Sinofsky
Kamera
Robert Richman · Wolfgang Held
Musik
Metallica
Schnitt
Doug Abel · Miki Watanabe Milmore · David Zieff
Länge
139 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 6 (DVD)
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Musikfilm | Dokumentarfilm
Externe Links
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Heimkino

Die mustergültige Edition besticht vor allem durch die Audiokommentare der beiden Regisseure sowie der Band, die der ohnehin schon analytischen Dokumentation weitere erstaunlich selbstreflexive Einsichten vermitteln. Neben Berichten von Premieren- und Previewaufführungen und diversen Pressekonferenzen enthält die Edition zudem eine umfangreiche Sammlung von 41 nicht im Film verwendeten Szenen, die z.T. von den Regisseuren kommentiert sind. Die Edition ist mit dem Silberling 2005 ausgezeichnet.

Verleih DVD
Paramount (FF, DD5.1 engl.)
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Diskussion
1993wurden in den Wäldern von Robin Hood Hills im US-Bundesstaat Arkansas drei kleine Jungen ermordet. Die Polizei machte rasch drei Verdächtige aus, die nach wenigen Prozesstagen auch verurteilt wurden – einer davon zum Tode. Es waren introvertierte Jugendliche, die sich schwarz kleideten und gerne Heavy-Metal-Musik hörten. Für das Gericht war die Assoziationskette Kleidung, Heavy Metal, Teufelskult und Kindermord schlüssig, zumal eine der Lieblingsbands der Verurteilten „Metallica“ war. Über den Umweg ihres Dokumentarfilms „Das verlorenene Paradies: Die Kindermorde in Robin Hood Hills“ (1995), der diesen unglaublichen Prozess und seine Hintergründe publik machte, knüpften die Filmemacher Joe Berlinger und Bruce Sinofsky Kontakte zu einer ihnen fremden Subkultur und deren musikalischem Aushängeschild. Seit Mitte der 1980er-Jahre steht „Metallica“ für harte, gitarrenlastige Rockmusik, die sich nicht in ausufernden Soli, dumpfe Rhythmik oder extreme Lautstärke versteigt, sondern in Arrangements und Texten zwar brutale, pessimistische und unangenehme, aber durchdachte und tiefsinnige Aussagen trifft. Zur Jahrtausendwende avancierte die Band um Leadsänger James Hetfield, Drummer Lars Ulrich und Gitarrist Kirk Hammett zur erfolgreichsten Metal-Band aller Zeiten. Beeindruckt von der Arbeit der Regisseure, gestattete „Metallica“ den Filmmachern für „Das verlorene Paradies“ und seinen Nachfolger „Paradise Lost 2“ (2000), unentgeltlich ihre Songs zu verwenden. Als die Band 2001 die Produktion ihres bislang letzten Albums („St. Anger“) vorbereitete, engagierte deren Plattenfirma die beiden Dokumentarfilmer für ein „Making of“, für das sich Berlinger und Sinofsky das Recht auf den „Final Cut“ zusichern ließen, da sie zunächst antreten wollten, ein Gegenmodell zu den herkömmlichen PR-Filmen zu erstellen.

Ihre preisgekrönten Dokumentationen „Meines Bruders Hüter“ (1991) und „Das verlorene Paradies“ bestechen nicht nur durch ebenso radikale wie groteske Inhalte, sondern in erster Linie durch ein virtuoses Spiel mit der inszenierten Realität. Wie sonst nur Errol Morris („Eine kurze Geschichte der Zeit“, fd 30 086) komponieren die beiden ihr mitunter immens umfangreiches Material zu einem kunstvollen Patchwork, das Realität strukturiert und dabei der Wahrheit oft näher kommt als so manche „abgefilmte Wirklichkeit“. Das langjährige gute Verhältnis zu ihren „Auftraggebern“ und den daraus resultierenden „intimen“ Einblicken in die diffizile zwischenmenschliche Eigendynamik der Band sowie der formale Anspruch der Filmemacher ließen aus dem Routineprodukt dann ein emotionales dokumentarisches Achterbahnkino entstehen. Doch der für ein „Making of“ so spannende Binnenblick brachte das Projekt fast zum Scheitern, macht „Metallica: Some Kind of Monster“ aber zu einem ebenso exemplarischen wie meisterlichen Dokumentarfilm.

Der immense Erfolg der Band festigte wie so oft im Popgeschäft nicht gerade die Freundschaft der Bandmitglieder untereinander. So führte u.a. der Bruch mit dem Bassisten Jason Newsted kurz vor Produktionsbeginn von „St. Anger“ dazu, dass das Management einen Gruppentherapeuten engagierte, der zwischen den Bandmitgliedern vermitteln sollte. Doch auch diese Intervention konnte nicht verhindern, dass Hetfield und Ulrich, die beiden heimlichen Chefs von „Metallica“, sich während der Arbeit am Album weiter bekriegten. Mit dem Ergebnis, dass Leadsänger Hetfield die Band für mehrere Monate verließ. Aus dem geplanten Werbefilm für „Metallica“ ist derweil das Psychogramm „Some Kind of Monster“ geworden. Die Musik steht nicht länger im Vordergrund, sondern ein emotionales Outing verkrachter Musiker und Freunde, das in seiner Ungefiltertheit verblüfft, Pop-Mythen entzaubert und dabei doch meilenweit vom üblichen Sensationsjournalismus entfernt ist. Die Regisseure, die zunächst versuchten, einen dezenten Blick in die Arbeit der Band zu gewähren, sehen sich plötzlich im Zentrum der Auseinandersetzung, wenn es darum geht, ob der Film überhaupt weitergeführt werden soll. Berlinger und Sinofsky leugnen diese Metaebene des Films ebenso wenig wie den mitunter schonungslosen Blick auf verletzte Eitelkeiten. Diese Ehrlichkeit ist es, die ihnen das Vertrauen der Porträtierten bis zum Ende hin sicherte, und die eine Transparenz und Natürlichkeit spiegeln, die dem Film bei aller Inszenierungskunst seinen Wahrheitsanspruch sichert. Nebenbei erfährt man auch, was es heißt, seine Persönlichkeit preiszugeben, um Musik zu produzieren. In den mitunter rasant geschnittenen, zunächst beliebig wirkenden Passagen realisiert der Zuschauer erst mit der Zeit, dass er sich gerade mitten im Entstehungsprozess eines neuen Songs befindet, der von den ersten Gitarrenriffs über Dialogfetzen und Textbrainstorming zum fertigen Titel reift. Dass das Ganze auch über die langen 139 Minuten hinweg fesselt und unterhält, selbst wenn einem diese Musik fremd ist, versteht sich fast von selbst.

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