Rhythm Is It! - You Can Change Your Life In A Danceclass

Musikfilm | Deutschland 2004 | 104 Minuten

Regie: Thomas Grube

Im Rahmen eines von der Berliner Philharmonie und des Dirigenten Simon Rattle initiierten Projekts planen Musiker und Choreografen die Aufführung des Balletts "Le Sacre du printemps" mit einer Gruppe von 239 Kindern aus fünf Berliner Grund- und Oberschulen. Das Projekt zum Abbau von Schwellenängsten vor dem Kulturbetrieb gelingt und wandelt die Gruppe von skeptischen Einzelgängern zum begeistert arbeitenden Team. In fesselnden Bildern veranschaulicht der mitreißende Dokumentarfilm den mitunter beschwerlichen kreativen Schaffensweg. Die eingängige Dramaturgie zeigt den Lernprozess an einigen besonders exzentrischen Schülern auf und beschreibt eine nachahmungswürdige Erfolgsstory. - Sehenswert ab 12.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2004
Produktionsfirma
BoomtownMedia/Cine Plus
Regie
Thomas Grube · Enrique Sánchez Lansch
Kamera
René Dame · Marcus Winterbauer
Musik
Karim Sebastian Elias · Igor Strawinsky
Schnitt
Dirk Grau · Martin Hoffmann
Länge
104 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 12.
Genre
Musikfilm | Dokumentarfilm | Tanzfilm
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Heimkino

Verleih DVD
Universum (1:1.85/16:9/Dolby Digital 5.1/dts)
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Diskussion
„Es herrscht ohrenbetäubender Lärm, Pfiffe, Stampfen und Türenschlagen sind zu hören. Zwei junge Männer geraten in Streit, es kommt zu einer Schlägerei, Dritte und Vierte mischen sich in das Handgemenge; eine Dame geht mit einer Hutnadel auf einen Dichter los – ein Aufruhr, der zuletzt nur durch das Eingreifen der Polizei beendet werden konnte.“ Der mit der Hutnagel malträtierte Dichter war Jean Cocteau, der am 29. Mai 1913 im Théâtre des Champs-Elysées in Paris der Premiere des Balletts „Le Sacre du printemps“ beiwohnte. Auch heute noch zählt dieses Ereignis zu den denkwürdigsten Skandalen der Kulturgeschichte. Igor Feodorowitsch Strawinsky hat mit seinem gut halbstündigen Ballett um heidnische Opferbräuche die Musik revolutioniert, die Melodie dem Rhythmus geopfert, sich damit viele Feinde gemacht – und ist allen Unbilden zum Trotz doch unsterblich geworden. Cocteau war von dem „Beleidigen der Gewohnheiten“ und der „Provokation des Aufruhrs“, den die Musik atmete, tief bewegt und erkannte als Erster die Bedeutung des Stücks für den Kulturbetrieb.

Diese „Provokation des Aufruhrs“ ist auch Simon Rattle nicht fremd. Als einer der jüngsten Dirigenten im erlauchten Zirkel der Orchester schuf er sich einen Namen durch unbequeme, schnörkellose und emotionale Interpretationen klassischer und moderner Stücke. Er scheute sich nicht, Experimentelles neben Bewährtem zu etablieren, und hatte stets ein offenes Ohr für unorthodoxe Ideen. Um Schwellenängste vor klassischer Musik und der Institution Philharmonie abzubauen, forcierte Rattle zusammen mit den Berliner Philharmoniker das Projekt Zukunft@Bphil, durch das „Menschen aller Altersstufen, unterschiedlicher sozialer und kultureller Herkunft und Begabungen für eine aktive und schöpferische Auseinandersetzung mit Musik begeistert werden“ sollen. Nach drei erfolgreichen Aktionen sollte das Tanztheater nun in die Schule gebracht werden. Es nimmt kaum Wunder, dass Rattle ausgerechnet eines der faszinierendsten, aber auch sprödesten Stücke für dieses Unterfangen aussuchte: „Le Sacre du printemps“. Wenn es schon um das Aufbrechen von Krusten geht, warum nicht gleich mit dem abstrakten Skandalstück von einst? 239 Kinder zwischen elf und 17 Jahren wurden aus fünf Berliner Grund- und Oberschulen für das Tanzprojekt ausgewählt. Alle hatten bislang weder mit klassischer Musik noch mit Tanztheater Kontakt; viele von ihnen wollten schlichtweg nur für einige Wochen aus dem schulischen Alltagstrott ausbrechen.

Eigentlich ein zum Scheitern verurteiltes Unterfangen, das sich der englische Choreograf Royston Maldoom und seine Assistenten aufbürdeten. Sie arbeiten an den Grundlagen, teilen die heterogene Gruppe in spezialisierte Teams auf, drillen die unkonzentrierten Kinder, konfrontieren sie mit ihrem Unvermögen, dirigieren sie in ein schweißtreibendes Exerzitium und begeistern für ein zunächst unnahbares Werk, dessen Dimension sich erst in den Hauptproben offenbart, wenn sich alle Teams zu einem großen Happening vereinen. Das Wunder von „Le Sacre“ scheint auch 90 Jahre nach der Premiere noch Wirkung zu zeigen. Das Desinteresse in den Gruppen weicht trotz einiger herber Rückschläge, und spätestens, als das Orchester unter Simon Rattle zu den Proben stößt, ist aus einer Gruppe Lernunwilliger eine Organismus entstanden, dessen Mitglieder konzentriert dem Ziel der öffentlichen Aufführung des Balletts mit Orchesterbegleitung zuarbeiten.

„Rhythm Is It!“ verfolgt diesen unglaublichen Prozess der Entstehung eines Kunstwerkes. Dank der dezenten Kamera wird der Zuschauer in ein Ereignis hineingezogen, das aufgrund seiner Rahmenbedingungen eigentlich hätte Schiffbruch erleiden müssen. Skeptisch fordern die betreuenden Lehrer den Abbruch der Aktion, weil sie fürchten, den Schülern zu große Qualen aufzulegen, oder weil das hochkomplexe Tanzgebilde auch nach harten Probewochen nicht richtig funktionieren will – doch die Zuversicht, die Rattle ein ums andere Mal propagiert, indem er schlicht auf die Magie der Musik verweist, wird von Erfolg gekrönt. Die verunsicherten Lehrer müssen sich von den Schülern belehren lassen, denn hier haben Jugendliche ganz beiläufig Feuer gefangen, die sonst gerne für die traurigen Ergebnisse der Pisa-Studie herhalten müssen. Exemplarisch für alle, lernt der Zuschauer einige Einzelgänger unter den Schülern kennen, die durch die Erfahrung mit der Musik aus ihrer Isolierung herausfinden. Sowohl Rattle als auch die Regisseure des mitreißenden Dokumentarfilms haben viel gewagt und ganz offensichtlich gewonnen – die steigende Begeisterung überträgt sich durch den Film direkt aufs Publikum, das in einem beispielhaften kreativen Prozess zum Komplizen wird. Leider ist „Rhythm Is It!“ um genau 35 Minuten zu kurz, macht er doch 100 Minuten lang Lust auf die außergewöhnliche Tanzdarbietung, enthält einem den Berliner „Le Sacre“ aber bis auf kurze Schlaglichter aber vor. Glücklich sind nur jene, die im Januar 2003 der Vorstellung im Industriehafen beiwohnen durften.

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