- | Deutschland/Schweiz 2004 | 101 Minuten

Regie: Till Hastretter

Szenen aus dem Leben einer Gruppe junger HipHop-Aktivisten in den Straßen Berlins, die sich mit unterschiedlichen Problemen wie Arbeitslosigkeit, Liebeskummer oder einer kranken Mutter befassen müssen und nebenbei ihre Musik zelebrieren. Höhepunkt ist eine trotz vieler Widerstände organisierte Party. Ein kleiner, aber hervorragender Film, bei dem sich Form und Inhalt perfekt ergänzen und ein hohes Maß an Authentizität vermitteln. Der mit Laiendarstellern aus der HipHop-Szene besetzte Film bietet das kongeniale Porträt einer äußerst vitalen deutschen Jugendkultur. - Sehenswert ab 12.
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Filmdaten

Originaltitel
STATUS YO!
Produktionsland
Deutschland/Schweiz
Produktionsjahr
2004
Produktionsfirma
gute filme switzerland/Discofilm
Regie
Till Hastretter
Buch
Till Hastretter
Kamera
Tamás Keményffy · Robert Ralston
Musik
Pflegerlounge · DJ b.side · krutsch · u.a.
Schnitt
Till Hastretter · Sässion
Darsteller
Sera Finale · Yan Eq · Jamie · Pepi
Länge
101 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 12.
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
Sony (1:1.78/16:9/Dolby Digital 5.1)
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Diskussion
Dieser erste deutsche Spielfilm aus der HipHop-Szene beweist einmal mehr, dass es keiner üppigen Förderung bedarf, um packende und vor allem authentische Filme zu drehen. „Status Yo!“ stellt eine großartige Bereicherung der deutschen Filmlandschaft dar; abgesehen von seiner Leistung, bislang unbekannte Einblicke in eine sonst ausgeblendete Alltagswirklichkeit zu gewähren, fungiert er deshalb auch als Ehrenrettung. Seine Effizienz steht in umgekehrtem Verhältnis zur grassierenden Mentalität komfortabler Rundumfinanzierung und den damit einher gehenden, meist dürftigen künstlerischen Ergebnissen. Ein von seinen Produktionsbedingungen ausgesprochen „kleiner“ Film also, der vollständig privat finanziert und unter Honorarverzicht aller Beteiligten entstand. Allerdings wäre er auf andere Weise gar nicht denkbar: Als High-Budget-Produktion hätte das Projekt sein Scheitern bereits in sich getragen. So aber erweisen sich Inhalt und Form auf jene seltene Weise als adäquat, die theoretisch stets leicht zu fordern, praktisch aber überaus schwer einzulösen ist.

Regisseur Till Hastreiter (Jhrg. 1970) brauchte für seinen Geniestreich einen wachen Blick, die Straßen Berlins und zwei Dutzend HipHop-Aktivisten, die zuallererst sich selbst zur Verfügung stellten. Als Referenz diente ihm seine eigene Vergangenheit, die ihrerseits stark von dieser „einzig existenten Jugendkultur in Deutschland“ (Hastreiter) geprägt ist. Nachdem er das Vertrauen seiner potenziellen Hauptfiguren gewonnen hatte, war die Handlung schnell markiert. DJ Quest, Sera, Yesim, Yaneq, Vivi, 5Amox, Pepi, Camilla, Storm, Dany und die anderen tragen im Film jene Pseudonyme, mit denen sie in Clubs und auf Mauern als Scratcher, Break Dancer oder Sprayer um Aufmerksamkeit kämpfen. Obwohl es ein professionell ausgearbeitetes Drehbuch gab, flossen die konkreten Lebenserfahrungen und -sehnsüchte dieser jungen Menschen mit ein, die man sonst meist nur als pittoreskes Moment des Großstadtlebens wahrnimmt. Durch die episodische Struktur bleiben die dramatischen Ansätze jedoch Fragment. Damit gelingt es dem Film, seine von Beginn an offene, patchwork-artige Erzählform beizubehalten.

Nach nervösem Anfang, der aus lauter Blitzlichtern zusammengesetzt scheint, schälen sich die Konturen des Geschehens heraus. Da ist Sera, der Job und Wohnung verliert und sich als improvisierender UBahn- Rapper durchs Leben schlägt. Vern managt mehr schlecht als recht das Break- Dance-Quintett „5Amox“, kann niemals seinen Mund halten und verbaut sich damit alle Chancen beim anderen Geschlecht. Sascha alias Seassion liebt Yesim, die einem Mann im fernen Anatolien versprochen wurde und eifersüchtig von ihrem Bruder Bülint bewacht wird. Jan alias DJ Quest lebt bei seiner depressiven Mutter, sehnt sich nach einer Begegnung mit dem unbekannten Vater und wird bitter enttäuscht. Yaneq schließlich hat den Ehrgeiz, binnen kürzester Zeit den größten Jam aller Zeiten auf die Beine zu stellen. Daneben gibt es als retardierende Momente noch einige marodierende Nazis, nervende Ordnungshüter und Goldketten beschwerte Paten sowie diverse Verwechslungen und Intrigen. Am kontinuierlichsten wird die Liebesgeschichte zwischen Sascha und Yesim erzählt, alle anderen psychologischen oder kriminalistischen Elemente werde nur angedeutet. Zuletzt verbinden sich die Stränge im Finale, das durch die von Yaneq trotz aller Widerstände doch noch irgendwie bewerkstelligte Party gebildet wird.

„Status Yo!“ darf als ein kleines Wunder gefeiert werden, stellt indes aber kein ausgereiftes Meisterwerk dar. Die Stärken des Films – seine Unbekümmert- und Direktheit, seine inhaltliche Maßlosigkeit und ästhetische Authentizität – wurzeln eher im Dokumentarischen als im Konzeptionellen. Für den vorliegenden Gegenstand hätte jedoch gar kein besserer Ansatz gefunden werden können. Mag der von Anglizismen durchsetzte und semantisch rudimentäre Argot der Handlungsträger in den Augen von Sprachhütern eine Katastrophe darstellen, formuliert sich darin doch ein hohes Maß an Wahrhaftigkeit. Auch wenn mancher den Lebensstil der jungen Menschen als unerträgliches Sich-Treiben-Lassen empfindet, sollte er doch ganz im Gegenteil als Ausdruck ungebrochener Vitalität inmitten eines von Agonie geprägten Status quo gelesen werden. Jugendkultur ist immer auch Protestkultur und zeugt damit von wichtigen Erneuerungspotenzialen. Till Hastreiters wichtigste Botschaft erweist sich als eine optimistische. Als Forschungsobjekt wird sein Film später ohne Zweifel für Ethnologen, Soziologen und andere Akademiker einen hohen Stellenwert erlangen.

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