Der Manchurian Kandidat

Politthriller | USA 2004 | 129 Minuten

Regie: Jonathan Demme

Ein von einem die Weltmacht anstrebenden amerikanischen Industriekonzern gefügig gemachter Golfkriegsveteran wird als Kandidat für das Amt des Vizepräsidenten der USA nominiert und soll nach der geplanten Ermordung des Präsidenten dessen Nachfolge antreten. Neufassung des Films "Botschafter der Angst" von John Frankenheimer (1962), in der die Kommunisten durch die Drahtzieher eines Wirtschaftsgiganten ersetzt werden, dessen Ähnlichkeit mit dem US-Konzern Halliburton nicht zufälliger Art ist. Ein spannend konstruierter Thriller, dessen brisante politische Allegorien ihn auf seine Weise in die Nachbarschaft von Michael Moores "Fahrenheit 9/11" und ähnlicher regimekritischer Filme rücken. - Sehenswert ab 16.
Zur Filmkritik

Filmdaten

Originaltitel
THE MANCHURIAN CANDIDATE
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
2004
Produktionsfirma
Paramount/Clinico Estetico
Regie
Jonathan Demme
Buch
Daniel Pyne · Dean Georgaris
Kamera
Tak Fujimoto
Musik
Rachel Portman · Wyclef Jean
Schnitt
Carol Littleton · Craig McKay
Darsteller
Denzel Washington (Marco Bennett) · Meryl Streep (Eleanor Prentiss Shaw) · Liev Schreiber (Raymond Shaw) · Jon Voight (Thomas Jordan) · Kimberly Elise (Rosie)
Länge
129 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Politthriller
Externe Links
IMDb | TMDB | JustWatch

Heimkino

Die Extras umfassen u.a. einen Audiokommentar des Regisseurs und des Co-Drehbuchautors Daniel Pyne sowie ein Feature mit sechs im Film nicht verwendeten Szenen (13 Min.).

Verleih DVD
Paramount (16:9, 1.85:1, DD5.1 engl./dt.)
DVD kaufen

Diskussion
Jonathan Demme, dessen Name seit „Das Schweigen der Lämmer“ (fd 28 838) unauslöschlich mit dem Genre des psychologischen Thrillers verbunden ist, versucht sich innerhalb weniger Jahre zum zweiten Mal an der Wiederverfilmung eines der großen Stoffe dieser Gattung. Mit der unausgewogenen Modernisierung von Stanley Donens Klassiker „Charade“ („The Truth About Charlie“, fd 36 503) hatte er wenig Glück. Bewunderer von John Frankenheimers „The Manchurian Candidate“ („Botschafter der Angst“, fd 11 818) räumten Demme noch weniger Chancen ein, Frankenheimers technisch und darstellerisch perfekte Demonstration politischer Paranoia in die heutigen Konstellationen übersetzen zu können. Doch dieser neue „Manchurian Candidate“ ist ein Beispiel dafür, dass man einen Regisseur, der auch in kompromisslerischen Filmen wie „Philadelphia“ (fd 30 662) und „Menschenkind“ (fd 33 636) stets als Verfechter gesellschaftlicher Idealvorstellungen erkennbar blieb, nicht unterschätzen sollte. Frankenheimers Film erschien seinen Produzenten 1962 so hautnah an der politischen Realität orientiert, dass sie ihn nach dem Attentat auf Präsident Kennedy aus den amerikanischen Kinos verbannten; und auch Demmes Neuverfilmung hat aufgrund ihrer politischen Interpretierbarkeit die Verantwortlichen von Paramount bereits zu argumentativen Klimmzügen veranlasst, um die offensichtlichen Analogien der Handlung zu jüngsten Ereignissen herunterzuspielen.

Was einst die Kommunisten waren, sind jetzt die Drahtzieher eines Kartells, die bei der Aufstellung der Kandidaten für die nächste amerikanische Präsidentschaftswahl nicht mehr das Gemeinwohl im Auge haben, sondern ausschließlich die Interessen des mächtigen Industriekonzerns. Manchurian Global, wie sich der unschwer am Vorbild von Halliburton ausgerichtete Wirtschaftsgigant nennt, steht unmittelbar vor dem letzten Schritt zur ungehinderten Machtergreifung: der Bestallung des ersten Präsidenten der Vereinigten Staaten, der nicht mehr dem Gesetz, sondern dem Diktat der Wirtschaft gehorcht. Den Weg dahin macht eine ebenso ambitionierte wie skrupellose Senatorin frei, deren eigener Sohn zu einer vor dem Beginn des ersten Golfkriegs in Kuwait operierenden amerikanischen Einheit gehörte; ihre Mitglieder wurden durch die Implantierung von Mikrochips zu willfährigen Vollstreckern der Ziele des verbrecherischen Industriekonzerns programmiert. Kommandeur dieser Einheit war Major Ben Marco, der im Vorfeld der Präsidentenwahl nun Vorträge hält, in denen er seinen damaligen Untergebenen Raymond Shaw, eben jenen Sohn der so eifrig intrigierenden Senatorin, als vorbildlichen und hoch dekorierten Kriegshelden rühmt. Als ihm ein ehemaliger Kriegskamerad gesteht, er leide unter fortwährenden Albträumen, fühlt sich Marco veranlasst, den Ungereimtheiten auf den Grund zu gehen, die auch ihn seit den Ereignissen in Kuwait belasten. Er heftet sich Raymond Shaw an die Fersen, der inzwischen eine erfolgreiche Karriere als Abgeordneter hinter sich hat und jetzt dank der politischen Manipulationen seiner Mutter als Kandidat für das Amt des Vizepräsidenten nominiert wird. Der Plan, stellt sich heraus, hat zum Ziel, am Abend nach der gewonnenen Wahl den Präsidenten umbringen zu lassen, damit der gefügig gemachte Vize als verfassungsmäßig vorgeschriebener Nachfolger dessen Amt antreten kann.

„Der Manchurian Kandidat“ ist auch in der Neufassung ein Thriller, der dem Gesetz des Genres folgend, immer neue Verdachtsmomente und Irritationen aneinander reiht. Dabei hält er die Spannung auf Hochtouren, wie es schon Frankenheimers Film getan hat. Wenn es darum geht, Logik gegen Effekt abzuwägen, dann bleibt manchmal – besonders am Ende – die Nachvollziehbarkeit der Geschehnisse auf der Strecke. Frankenheimer vermochte die Schwächen der Drehbuchkonstruktion durch fulminante Darstellerleistungen von Lawrence Harvey, Frank Sinatra und Angela Lansbury zu überspielen; Demme bietet auch in dieser Hinsicht, dem alten Film pari: Liev Schreiber, Denzel Washington und Meryl Streep sind von bezwingender Überzeugungskraft. Zwar können die implantierten Mikrochips die altmodische, aber auch heute noch schaudererregende Gehirnwäsche an Wirkung auf den Zuschauer nicht übertreffen, und es gibt auch keine Szene, die der ingeniösen Exposition des Frankenheimer-Films das Wasser reichen könnte. Doch je länger dieser neue „Manchurian Candidate“ dauert, umso weniger kann man umhin, die Umsetzung des alten Konzepts in eine vergleichbar aufmüpfige politische Allegorie zu bewundern.

Im Vorfeld der heißesten amerikanischen Präsidentenwahl seit Menschengedenken hat sich Demmes Film gleich neben Michael Moores „Fahrenheit 9/11“ (fd 36 596) eingereiht. Dass er in Deutschland erst nach der Wahl anläuft, raubt ihm womöglich etwas von seiner Aktualität, aber kaum von seiner Brisanz. Amerikanisches Publikum versteht die Anspielungen auf manipulierte Angst vor Terroranschlägen, auf den Verlust von Menschenrechten, auf totale politische Kontrolle und auf die gewissenlose Eigensucht privater Wirtschaftskonzerne, mit der sie Profit aus der globalen Instabilität zu ziehen versuchen. Die Produzenten mögen Analogien zu Halliburton und Dick Cheney als Fantastereien von der Hand weisen, sei doch das Drehbuch lange vor dem Irak-Krieg bereits konzipiert worden. Aber die hörbaren Reaktionen in den amerikanischen Kinos beweisen, dass das Publikum die Fiktionen dieses Thrillers nicht als Fiktion empfindet.

Kommentar verfassen

Kommentieren