Kriegsfilm | Südafrika/Großbritannien/Italien/Kanada 2004 | 122 Minuten

Regie: Terry George

Der Manager eines Vier-Sterne-Hotels in Kigali rettet mit diplomatischem Geschick und politischem Einfühlungsvermögen über 1000 Menschen das Leben, als 1994 in Ruanda lang geschürte Unruhen ausbrechen und die Bevölkerungsmehrheit der Hutu einen Völkermord am Stamm der Tutsi verübt. Ein überzeugender Film, dem der Balanceakt zwischen historischer Rekonstruktion und bewegender Erzählung souverän gelingt. Trotz seiner stringenten Binnenperspektive und gelegentlicher Zuspitzungen lässt er nicht minder eindrucksvoll auch die historischen Ereignisse Revue passieren. - Sehenswert ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
HOTEL RWANDA
Produktionsland
Südafrika/Großbritannien/Italien/Kanada
Produktionsjahr
2004
Produktionsfirma
Industrial Development Corporation of South Africa/Kigali Relasing/Inside Track Films/Lions Gate/Miracle Pic.
Regie
Terry George
Buch
Keir Pearson · Terry George
Kamera
Robert Fraisse
Musik
Jerry "Wonder" Duplessis · Rupert Gregson-Williams · Andrea Guerra
Schnitt
Naomi Geraghty
Darsteller
Don Cheadle (Paul Rusesabagina) · Sophie Okonedo (Tatiana Rusesabagina) · Nick Nolte (Colonel Oliver) · Joaquin Phoenix (Jack) · Desmond Dube (Dube)
Länge
122 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Genre
Kriegsfilm | Drama
Externe Links
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Heimkino

Die Extras umfassen u.a. einen Audiokommentar des Regisseurs, des porträtierten Hotelmanagers Paul Rusesabagina, von dessen Darsteller Don Cheadle sowie des Music-Supervisors Wyclef Jean.

Verleih DVD
Universum (16:9, 2.35:1, DD5.1 engl./dt.)
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Diskussion
Der ruandische Hotelmanager Paul Rusesabagina ist ein Angestellter, wie er im Lehrbuch steht: freundlich und zuverlässig, stets gut gekleidet und leidenschaftlich um das Wohlergehen seines Arbeitgebers bemüht. Das Vier-Sterne-Hotel Des Mille Collines ist nicht zuletzt deshalb eine Oase für die europäische und afrikanische Elite, weil Rusesabagina durch ein kompliziertes Geflecht aus guten Kontakten und kleinen Gefälligkeiten die Bürgerkriegswirren seines Landes vor den Toren hält. Jede Einkaufsfahrt erfordert sein oft erprobtes diplomatisches Geschick, doch dann übersieht der Mann mit dem feinen Gespür für Kundenwünsche die politischen Signale. Während seine Zulieferer neben Spirituosen und Gemüse bereits Tausende von Macheten importieren, glaubt er noch an den Primat friedlicher Verhandlungen und wird von der Mordlust seiner Mitbürger kalt erwischt. Als der von langer Hand geplante Genozid in Ruanda beginnt und auch an die Pforten des Des Mille Collines klopft, schickt er der belgischen Konzernzentrale eine Nachricht, die gerade durch ihre Gefasstheit gegen das Geschehen rebelliert: „Wir möchten Ihnen mitteilen, dass wir morgen zusammen mit unseren Familien getötet werden.“ Wer sich ein Bild vom Völkermord machen will, begibt sich auf einen schmalen Grat.Nicht nur die Grenze zwischen Opfer und Täter verwischt in Kriegszeiten mitunter auf eine Weise, die selbst erfahrene Berichterstatter ratlos lässt, sondern auch die Grenze zwischen dem ästhetisch Zumutbaren und dem schieren Grauen. Als „Hotel Ruanda“, die auf Tatsachen beruhende Geschichte Paul Rusesabaginas, während der „Berlinale“ gezeigt wurde, hörte man die alten Einwände: Man kann vom Genozid nicht mit den Mitteln des Unterhaltungskinos erzählen, zumal bei einem historischen Verbrechen, das sich unter den Augen der Weltöffentlichkeit vollzog. Im April 1994 wurden in Ruanda innerhalb weniger Wochen fast eine Million Tutsi von der Bevölkerungsmehrheit der Hutu ermordet; die westliche Welt tat nichts, um es zu verhindern. Was soll ein Film, der die Gewalt in erträglicher Dosis verabreicht, anderes bewirken, als das schlechte Gewissen zu besänftigen? Nun, er kann eine Geschichte auf die Leinwand bringen, die es wert ist, erzählt zu werden. Der Filmtitel „Hotel Ruanda“ ist keine Untertreibung, denn tatsächlich war Paul Rusesabaginas Hotel das letzte Exil einer im Kriegszustand untergegangenen Gesellschaftsordnung. Von den heillos überforderten UN-Truppen im Stich gelassen, rettete Rusesabagina mehr als tausend Flüchtlinge, Tutsi und gemäßigte Hutu wie er selbst, vor den Macheten der Milizen, indem er im Angesicht des Schreckens unbeirrbar blieb und seinen Hotelbetrieb in eine Festung der Menschlichkeit verwandelte. Dabei erwiesen sich gerade die Talente als überlebenswichtig, mit denen der charmante Opportunist Rusesabagina sein Hotel schon in friedlicheren Zeiten am Laufen gehalten hatte. Um Leben zu retten, redete er mit Engelszungen auf die menschlichen Teufel ein, er bestach und schmeichelte und nutzte die wenigen ihm verbliebenen Kontakte. Auch deswegen verdiente er sich den Beinamen eines „Oskar Schindler von Ruanda“ Mit untrüglichem Gespür hat Terry George in seiner Adaption dieser Geschichte den ästhetischen Ansatz von „Schindlers Liste“ (fd 30 663) übernommen. Wie Steven Spielberg erzählt er von Rettung, wo es für die Vernichtung keine adäquaten Bilder geben kann, und wie „Schindlers Liste“ ist „Hotel Ruanda“ das Porträt eines durch furchtbare Umstände zum Heldentum genötigten Manns. An diesem Leitfaden zieht George die Dramaturgie der historischen Ereignisse auf und entwickelt eine Binnenperspektive auf die Massaker: Das Grauen dringt langsam in die von Rusesabagina mühsam aufrecht erhaltene Normalität, bis sich nach einer Zeit des erschrockenen Unglaubens der Nebel lichtet und die Leichenberge sichtbar werden. Damit gelingt George nicht zuletzt ein erstaunlicher Balanceakt zwischen historischer Rekonstruktion und bewegender Erzählung. Manchmal bedient auch er sich bei den Zuspitzungen des Heldenepos, doch um die Ungeheuerlichkeit der Verbrechen herauszustreichen, genügen ihm mittlere Tempi. Er rekapituliert das Versagen der UN, findet nachwirkende Bilder für den Schrecken und ruht sich zu keiner Zeit auf den guten Taten seines Protagonisten aus. George zeigt einfach, wie der distinguierte Hotelmanager mit verzweifeltem Mut für etwas nur scheinbar Selbstverständliches einsteht: den Glauben an eine zivile Ordnung. Die Einsicht, dass diese erst das Überleben garantiert, ist das unverbrüchliche Siegel dieses großartigen Films.

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