I heart Huckabees

Komödie | USA/Deutschland 2004 | 106 Minuten

Regie: David O. Russell

Während der Auseinandersetzung von Umweltschützern mit einem Superkaufhaus kommt ein Sammelsurium von absonderlichen Figuren miteinander in Berührung und ficht seine weltanschaulichen Standpunkte mit Gusto gegeneinander aus. Metaphysik und Screwball-Comedy verbinden sich zu einer Geschichte voller Absurditäten und Wahrheiten. Hinter der unkonventionellen Ästhetik einer scheinbar aus lauter Widersprüchen zusammengesetzten dialektischen Komödie lassen sich erstaunliche Offenheit und Ehrlichkeit entdecken. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
I HEART HUCKABEES | I LOVE HUCKABEES
Produktionsland
USA/Deutschland
Produktionsjahr
2004
Produktionsfirma
Fox Searchlight/Scott Rudin Prod./Qwerty Films/Huckabee's/N1 European Film
Regie
David O. Russell
Buch
David O. Russell · Jeff Baena
Kamera
Peter Deming
Musik
Jon Brion · Ludwig van Beethoven
Schnitt
Robert K. Lambert
Darsteller
Dustin Hoffman (Bernard) · Isabelle Huppert (Caterine Vauban) · Jude Law (Brad Stand) · Jason Schwartzman (Albert Markovski) · Lily Tomlin (Vivian)
Länge
106 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Komödie
Externe Links
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Heimkino

Die Extras enthalten u.a. ein Feature mit vier im Film nicht verwendeten Szenen (18 Min.) sowie einige im Film nur angerissene, respektive im Off laufende, im Bonusmaterial indes ausgespielte Werbe- und Informationsspots (32 Min.)

Verleih DVD
Fox (16:9, 2.35:1, DD5.1 engl./dt.)
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Diskussion
Die meisten Kinogänger sind wenig darauf vorbereitet, in das Labyrinth eines Films von Charlie Kaufman oder David O. Russell einzutauchen. Auf seine Weise, aber mit konventionelleren Erzählmethoden hatte einst ein Regisseur wie Preston Sturges Vergleichbares gemacht. In der langen Zeit dazwischen verdrängte der Hollywood-Kult jede Sensibilität für offene, scheinbar aus lauter Widersprüchen zusammengesetzte Strukturen. Dass Metaphysik und Screwball-Komödie sich treffen können, dass Existenzialismus und Pop-Kultur einen gemeinsamen Nenner besitzen, das sind Erkenntnisse, mit deren Überraschungseffekt auch noch für ein heutiges Publikum ein Regisseur vom Schlage David O. Russells jonglieren kann, ohne befürchten zu müssen, im amerikanischen Kino ausgetretenen Spuren zu folgen. Die Kinogänger sind auf so einen Film nicht vorbereitet, und Russell lässt ihnen nicht einmal Zeit, sich zu wundern. Ein Schwall von Flüchen und Kraftausdrücken bricht gleich zu Beginn von „I Heart Huckabees“ über sie herein, als sollte ihnen alles ausgetrieben werden, was sie an Konventionen mit sich herumschleppen. Schon in „Three Kings – Es ist schön König zu sein“ (fd 34 098) hat Russell klar gemacht, dass seine Ästhetik keine Zimperlichkeit kennt. Doch hinter dem Rabaukentum, das seine Protagonisten häufig an den Tag legen, hat sich ein hohes Maß an Verletzlichkeit, Selbstzweifeln und idealistischem Weltverbesserungstum versteckt. Analog zu zwei der Hauptfiguren in „I Heart Huckabees“, die nur zu sich selbst finden, indem sie sich quasi die Köpfe einschlagen, erwartet Russell offenbar auch von seinem Publikum, dass es sich die Köpfe an seinem Film wund stößt, bevor es bemerkt, dass hinter den Absurditäten der Handlung mehr steckt, als man sich träumen lässt. Ist das alles komisch oder ernst gemeint, wäre wohl die nächste Frage, die man sich stellt. Russell würde sie wohl gar nicht verstehen, geschweige denn beantworten wollen; denn für ihn gibt es hier keinen Widerspruch. Die Figuren, die seine verrückte Welt bevölkern, erscheinen nur auf den ersten Blick grundverschieden; in Wirklichkeit – und das macht die ganze „Geschichte“ aus, die der Film erzählt – sind sie, jeder auf seine Weise, sich selbst geißelnde Idealisten auf der Suche nach einer Wahrheit, auf die sie sich trotz aller Unterschiedlichkeit vielleicht doch verständigen könnten. Sämtliche Personen der verstrickten Handlung werden überhöht dargestellt: Albert, der politische Aktivist, der sich durch die Vorkommnisse in seinem Leben dazu getrieben sieht, zwei „existential investigators“ anzuheuern, die ihm dann die Welt als eine unauflösbare Verknüpfung von Existenzen und Begebenheiten definieren; Brad, der charmant-diabolische Executive von Huckabees, einem Superkaufhaus à la Wal-Mart, der zum Schein gemeinsame Sache mit den Umweltschützern macht; Tommy, ein Feuerwehrmann, der die Ölindustrie für die Quelle allen Übels hält und deshalb mit dem Fahrrad zum Brandherd radelt; Caterine, die französische Philosophin, die der beschützenden Wärme der Investigator-Ideologie ein nihilistisches „cruelty, manipulation and meaninglessness“-Credo entgegenhält. Je enger die skurrilen Figuren miteinander in Berührung kommen, um so profunder und gleichzeitig komischer wird der Film. Keinen Augenblick lang lässt sich Russell darauf ein, eine Story im konventionellen Sinn zu erzählen. Die Geschichte, die Russell einzig und allein interessiert, ist eine philosophische. Die Stationen der Handlung, wenn man sie denn so nennen will, sind nichts als divergierende Standpunkte auf der Suche nach einem gemeinsamen Nenner, der aber ebenfalls nur wieder als Möglichkeit und nicht als Erkenntnis angeboten wird. Es geht nicht um Lösungen oder um den Triumph des Geistes, sondern um eine Perspektive für den allgegenwärtigen Sisyphos, dessen Streben und dessen Vergeblichkeit den Film wie ein einigender roter Faden durchziehen. „I Heart Huckabees“ ist eine dialektische Komödie, deren Bestandteile nicht zuletzt durch die Spielfreude und Präzision sämtlicher Darsteller in ein Minenfeld der Assoziationen entführt, durch das der Regisseur den Zuschauer wie die Soldaten in „Three Kings“ durch die Minenfelder des Golfkriegs manövriert. Auch jener Film war eine bitterernst gemeinte Nonsense-Komödie, eine dialektische Geschichte, auf deren Stil dieser Film nun aufbaut. Die Idee zu „I Heart Huckabees“ entstand aus dem Konzept eines kleinen Ensemblefilms, der das Leben einer Reihe von Menschen – Börsenmakler, Künstler, Hausmeister – in einem Townhouse in New York widerspiegeln sollte, in Russells Worten „esoterisches, intensives, verrücktes Zeug“. Im Lauf der Zeit weitete sich die „existenzielle Komödie“ zur Reflexion über die Identitätskrise in einem Land, das nach den Ereignissen vom 11. September 2001 alle seine Standpunkte und Überzeugungen in Zweifel zog. Russell bildet sich nicht ein, Antworten zu haben, aber er stellt Fragen. Vielleicht sind es zu viele Fragen, in deren Dickicht mancher Zuschauer es aufgibt, sich zurecht zu finden. Aber es ist die entwaffnende Ehrlichkeit, mit der Russell, ein überzeugter Zen-Buddhist, sie stellt, die diesen verrückten Film einzigartig macht: „Wer dabei nicht lacht, hat nichts verstanden“, sagt Russell.
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