Immortel (ad vitam)

Science-Fiction | Frankreich/Italien/Großbritannien 2004 | 102 Minuten

Regie: Enki Bilal

Ein sterblich gewordener Gott kommt ins New York des Jahres 2095, um sich mit Hilfe eines menschlichen Wesens fortzupflanzen. In einem aus einem 20-jährigen Kälteschlaf erwachenden Dissidenten findet er einen Wirtskörper und macht sich auf die Suche nach einer Frau, die Götter gebären kann. Weitgehend digital realisierter düsterer Science-Fiction-Film nach einer Comic-Vorlage, der sich visuell an Klassikern des Genres orientiert. Dabei frönt er ohne Rücksicht auf narrative Ökonomie einem fröhlichen Eklektizismus aus religiöser Mythologie, biotechnologischer Apokalyptik, New-Age-Romantik und Elementen des Film noir. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
IMMORTEL (AD VITAM)
Produktionsland
Frankreich/Italien/Großbritannien
Produktionsjahr
2004
Produktionsfirma
Force Majeure Prod./CiBy 2000/TF1 Films/RF2K Prod./Medusa Film/Téléma
Regie
Enki Bilal
Buch
Enki Bilal · Serge Lehman
Kamera
Pascal Gennesseaux
Musik
Goran Vejvoda
Schnitt
Véronique Parnet
Darsteller
Linda Hardy (Jill Bioskop) · Thomas Kretschmann (Nikopol) · Charlotte Rampling (Elma Turner) · Frédéric Pierrot (John) · Thomas M. Pollard (Horus)
Länge
102 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Science-Fiction
Externe Links
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Heimkino

Die Standardausgabe hat keine erwähnenswerten Extras. Die umfangreichen Extras der Special Edition (2 DVDs) enthalten u.a. zwei interessante "Making of's" zum Film und spezieller zu den Special Effects (36 Min./32 Min.), ein ausführliche Interview mit dem Regisseur (40 Min.) sowie den Soundtrack auf einer separaten Tonspur (18 Tracks/48 Min.). Die Special Edition ist mit dem Silberling 2005 ausgezeichnet.

Verleih DVD
Sunfilm (16:9, 1.85:1, DD5.1 engl./dt., dts6.1 dt.)
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Diskussion
In der Welt von morgen ist alles anders und doch merkwürdig vertraut. Die Metropolen greifen mit ihren Bauten nach einem düsteren Himmel und teilen ihre Bewohner in gesellschaftliche Schichten ein. Es gibt echte und synthetische Menschen, Mutanten und Außerirdische, die jeweils ihre eigenen Stockwerke in der von einem allmächtigen Genetik-Großkonzern regierten Stadt bevölkern. Die Atmosphäre ist von Abgasen erfüllt, und es herrscht eine Endzeitstimmung, die alle Bewohner gleichermaßen erfasst zu haben scheint. Allein Graffitis, die wie virtuelle Leuchtreklamen in der Luft hängen, künden von der Hoffnung auf ein besseres Leben. Über dem Moloch taucht eines Tages eine schwebende Pyramide auf: Die lange vermissten Götter sind auf ihren Planeten heimgekehrt. Der altägyptische Besuch, den der Comic-Autor Enki Bilal in seinem dritten Kinofilm „Immortel (ad vitam)“ heraufbeschwört, entpuppt sich allerdings nicht als Vorbote des jüngsten Gerichts, sondern als Variation des tragischen Lustspiels „Amphytrion“. Der sterblich gewordene Gott Horus besucht die Erde, um sich kurz vor seinem Tod mit Hilfe eines menschlichen Wesens fortzupflanzen. Doch der Mensch, wie er ihn schuf, ist im New York von 2095 eine vom Aussterben bedrohte Spezies. Was die Polizei als Serienmorde klassifiziert, sind tatsächlich Horus’ fehl geschlagene Versuche, einen ausschließlich aus natürlichen Organen bestehenden männlichen Wirtskörper zu finden. Erst als ihm der im 20-jährigen Kälteschlaf konservierte Dissident Nikopol aus einem schwebenden Hochsicherheitsgefängnis vor die Füße fällt, hat der erste Teil der göttlichen Suche ein Ende. Nach Kerry Conrans „Sky Captain and the World of Tomorrow“ (fd 36 780) ist „Immortel (ad vitam)“ der zweite Film, in dem reale Schauspieler in einer gänzlich im Computer geschaffenen Welt agieren. Bilal geht dabei noch weiter als Conran und lässt nur die „reinen“ Menschen seiner Zukunftswelt von menschlichen Darstellern verkörpern. Alle anderen Figuren bekommen von den Programmierern je nach Grad ihrer Künstlichkeit mal mehr, mal weniger deutliche Züge der virtuellen Realität verliehen. Am sinnfälligsten wird diese Methode im Zwitterwesen Jill, das sich von einer elektronisch glimmenden Mutantin in eine blauhaarige Frau verwandelt und überdies die Gabe besitzt, Götter zu gebären. Ihr steigt Horus in Gestalt des widerstrebenden Nikopol nach, um sie gegen ihren Willen zu begatten. Der elegische Machismo dieser Ménage à trois bildet das Herz von Bilals grimmiger Endzeitvision. Die futuristischen wie die archaischen Elemente seiner Erzählung finden in Jill einen wundersamen Ursprung: Ihre technoide Herkunft ist so rätselhaft wie ihr Wesen apart, und da sie als Erwachsene ins Menschsein geboren wird, kann sie noch einmal die feminine Unschuld in einer dem Untergang geweihten Männerwelt verkörpern. Vor allem aber weiß sie einen egoistischen Gott von einem unglücklichen Menschen zu unterscheiden: Trotz der Umstände ihres Kennenlernens fasst Jill Vertrauen zu Nikopol und flieht mit ihm vor einer vielköpfigen Gefahr. Nicht nur Horus stellt ihnen nach, auch die Polizei ist ihnen auf den Fersen und als Dreingabe eine von der politischen Kaste ausgesandte Kreuzung aus Kettenhund und Hammerhai. Offenbar entstammt „Immortel (ad vitam)“ einer etwas unaufgeräumten Vorstellungswelt, die an ihren Rändern zu allerlei Vorbildern hin ausfranst. Visuell hat sich Bilal an Genre-Klassikern wie „Metropolis“ (fd 7917), „Blade Runner“ (fd 23 689) und dem postmodernen Nachzügler „Das fünfte Element“ (fd 32 718) orientiert, inhaltlich dominiert ein fröhlicher Eklektizismus aus religiöser Mythologie, biotechnologischer Apokalyptik, New-Age-Romantik und Elementen des Film Noir. Das Interessante an diesem hybriden Ganzen ist, wie gut es sich in die digitale Kinoästhetik einfügt. Gedanken und Bilder sind für Bilal so frei kombinierbar wie Daten in einem Rechenspeicher – ohne Rücksicht auf narrative Ökonomie und Plausibilität. Tatsächlich lässt sich für eine derartige Comic-Adaption kein besseres Medium finden: Für den Film standen Motive aus Bilals Bänden „Die Geschäfte der Unsterblichen“ und „Die Frau der Zukunft“ Pate, und wer sich in den bilalschen Dystopien zu Hause fühlt, dürfte auch hier schnell heimisch werden. Alle anderen schauen staunend und bisweilen ungläubig durch das Kinofenster in ein ansonsten geschlossenes System.

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