Folgeschäden

Drama | Deutschland 2004 | 87 Minuten

Regie: Samir Nasr

Ein algerischer Wissenschaftler führt mit einer Hamburger Grafikerin eine vorbildliche Multikulti-Ehe, bis er angeblicher Kontakte zu islamistischen Terroristen verdächtigt wird. Seine Frau wird vom LKA um Mithilfe gebeten. Sie weist den Verdacht empört von sich, doch allmählich reibt die Saat des Misstrauens die Liebe des Paares auf. Das Drama lotet den Einfluss von Politik und Zeitgeschehen auf das Leben normaler Menschen aus und legt dar, wie schwer in Zeiten gesellschaftlicher Krisen das Private vom Öffentlichen zu trennen ist. Trotz einiger Überzeichnungen ein gelungener Film, der von überzeugenden Darstellern getragen wird. - Ab 14.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2004
Produktionsfirma
Maran Film/SWR/BR/arte
Regie
Samir Nasr
Buch
Florian Hanig
Kamera
Bernhard Jasper
Musik
Oliver Biehler
Schnitt
Nana Meyer
Darsteller
Silke Bodenbender (Maya) · Mehdi Nebbou (Tariq) · Mahmoud Alame (Karim) · Jürgen Hentsch (Prof. Mack) · Jule Gartzke (Dorothee)
Länge
87 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Drama
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Diskussion
Tariq Slimani, seine Frau Maya und ihr gemeinsamer Sohn Karim sind so etwas wie eine Bilderbuchfamilie. Während er, ein gebürtiger Algerier, als Virologe mit seinen Forschungen kurz vor dem Durchbruch als international gefragter Wissenschaftler steht, arbeitet sie als Art Director bei einer Hamburger Illustrierten. Das Paar ist bestens situiert, lebt in einer großzügigen Altbauwohnung, liebt sich leidenschaftlich und freut sich an seinem aufgeweckten Sohn. Doch dann tauchen zwei Beamte des LKA in Mayas Büro auf und konfrontieren sie mit einem Foto, das ihren Mann auf der Hochzeit von Said Bahaji zeigt – einem Mann, der nach Erkenntnissen der Ermittler zu den Drahtziehern der Anschläge vom 11. September gehörte. Maya zeigt sich über den Verdacht, dass auch ihr Mann ein „Schläfer“ sein könnte, entrüstet, wundert sich aber doch, dass er ihr von der Hochzeit nie etwas erzählt hat. Als Tariq ihr erklärt, die ganze islamische Gemeinde sei zu dem Fest geladen gewesen und er habe den Bräutigam überhaupt nicht gekannt, ist der Vorfall bald vergessen. Dann steht eines Tages Tariqs ehemaliger Studienfreund Reza vor der Tür. Als ihr Mann dem streng religiösen Muslim auf scheinbar unbegrenzt ein Bleiberecht in ihrer Wohnung einräumt, ohne sie zu fragen, ist Maya verstimmt. Auch dass die beiden Freunde ständig zusammenhocken, gefällt ihr nicht. Überhaupt scheint sich Tariq in letzter Zeit etwas seltsam zu benehmen. Oder sieht sie nach dem Besuch der LKA-Beamten Gespenster? Neue Nahrung bekommt ihr vager Verdacht, als sie zufällig erfährt, dass er seine geplante Vortragsreise nach Harvard nicht antreten kann, weil ihm die US-Behörden ein Visum verweigern. Was für Maya schlimmer als der Fall selbst ist: Tareq wusste seit geraumer Zeit davon, hat es aber ihr gegenüber mit keiner Silbe erwähnt. Nach mehreren Dokumentarfilmen liefert Samir Nasr, Jhg. 1968, in Deutschland und Ägypten aufgewachsen, sein Spielfilmdebüt, in dem er anschaulich schildert, wie Angst und Hysterie nach den Anschlägen vom 11. September das Leben der vordem harmonischen, multikulturellen Kleinfamilie zerstören. Dabei enthält sich der Film jeder politischen Parteinahme, wie er auch die Sympathien für die beiden zentralen Protagonisten gleichwertig verteilt. Bis kurz vor Schluss lässt er die Zuschauer im Unklaren, ob Maya mit ihren Verdächtigungen schlicht überreagiert oder Tareq wirklich ein Doppelleben führt. Dramaturgisch lebt der Film vor allem vom Wechselspiel von Verunsicherung und Beruhigung. Dabei überzeugt vor allem die psychologisch minutiöse Inszenierung einer Kommunikationsstörung, die mit kleinen Gesten, Notlügen, Verdächtigungen und nicht geklärten Missverständnissen beginnt und das Paar, einmal in diesem System gefangen, in die Trennung treibt. All diese Szenen einer Ehe werden plausibel erzählt, wobei die Ursache der Krise, hier die Folgen des 11. September, auch eine gänzlich andere sein könnte. Auf der anderen Seite ist das Thema Terrorismus in fast jeder Sequenz derart präsent, dass es dem Film ein Stück seiner Glaubwürdigkeit nimmt. Der Sohn hat Probleme in der Schule, weil seine Klassenkameraden seinen Vater einen Terroristen nennen; wenn Mayas Chef zu spät zu einer Party kommt, dann nicht, weil er im Stau stand, sondern wegen einer Bombendrohung im ICE, und wann immer im Film Radio oder Fernseher eingeschaltet werden, dringen Meldungen über irgendwelche Anschläge aus dem Äther. Trotz solcher Überzeichnungen bleibt der Film mit seinen überzeugenden Darstellern ein überaus respektables Debüt. Ursprünglich als reine Fernseharbeit entstanden und im Fernsehen bereits vor zwei Jahren ausgestrahlt, kommt es nach Auszeichnungen auf mehreren Festivals nun in die Kinos.
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